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Schutzfristverlängerungen im Urheberrecht helfen nur der Industrie und nicht den Kreativen oder den Nutzerinnen und Nutzern

Das Urheberrechtsportal irights.info berichtete gestern (via), dass auf europäischer Ebene in diesen Tagen wohl die Verlängerung der Schutzfrist von Tonaufnahmen von 50 auf 70 Jahre beschlossen wird. Die LINKE lehnt eine solche Verlängerung ab, da sie weder im Interesse der Künstlerinnen und Künstler noch der Nutzerinnen und Nutzer ist.

Dazu eine Wortmeldung von Petra Sitte, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN Bundestagsfraktion:

Wir haben im Juli Eckpunkte für eine Urheberrechtsreform (pdf) beschlossen. Dabei ist das übergeordnete Ziel, ein heute auf die Musikindustrie zugeschnittenes Verwerterrecht zu einem Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und Verwerten umzubauen. Schutzfristverlängerungen sind hier kontraproduktiv. Es ist unbestritten, dass die ausübenden Künstlerinnen und Künstler für ihre Werkinterpretationen angemessen vergütet werden müssen und diese Arbeit einen eigenen kreativen Wert hat. All dies hat aber nichts mit einer Schutzfristverlängerung zu tun.

Die von der Musikindustrie diktierten Verträge für diese Kreativen lassen unabhängig von Schutzfristlängen zumeist keine angemessene Vergütung zu. Häufig ist eine Teilhabe an späteren Einnahmen aus dem Vertrieb der Tonaufnahmen vertraglich ausgeschlossen. Fast drei Viertel der Rechtstitel, die von einer Schutzfristverlängerung profitieren, liegen nicht in der Hand der Kreativen. Weiter werden gerade einmal drei Prozent aller Tonaufnahmen länger als 30 Jahre kommerziell verwertet. Eine Schutzfristverlängerung auf 70 Jahre dient also nur bestimmten Top- und Megasellern. Konkret geht es darum, jetzt die ein oder andere Aufnahme von Elvis Presley oder den frühen Beatles weiter als Goldesel für die Plattenfirmen zu sichern.
Gleichzeitig wird die breite Nutzung von Kulturgütern weiter eingeschränkt. Noch mehr Aufnahmen von eigentlich gemeinfreien Werken, wie alten Volks- und Kinderliedern, werden nicht genutzt werden können, obwohl längst kein Geld mehr damit verdient wird.
Von der geplanten Schutzfristverlängerung für Tonaufnahmen wird die Masse der Kreativen nicht profitieren. Jede Menge Kulturgüter verschwinden aber für weitere 20 Jahre in den Archiven, nur damit die Musikindustrie und einige Megastars ihre Einnahmen weiter erhöhen. Das Urheberrecht wird so ein Stück mehr zum Bremsklotz auf dem Weg hin zu einer offenen Wissens- und Kulturgesellschaft.

5 Kommentare zu “Schutzfristverlängerungen im Urheberrecht helfen nur der Industrie und nicht den Kreativen oder den Nutzerinnen und Nutzern”

  1. ambee sagt:

    Mich würde mal interessieren woher das hier kommt:

    „Die von der Musikindustrie diktierten Verträge für diese Kreativen lassen unabhängig von Schutzfristlängen zumeist keine angemessene Vergütung zu. Häufig ist eine Teilhabe an späteren Einnahmen aus dem Vertrieb der Tonaufnahmen vertraglich ausgeschlossen.“

    Haben diese Behauptungen auch ein Fundament, oder sind sie einfach so in den Raum geworfen? In aller Regel haben Künstlerverträge und Rechtsabtretungen keine Laufzeit (abgesehen von Bandübernahmeverträgen, die laufen schon mal aus und gehen dann an die Künstler zurück), somit bekommen auch Künstler ihren Teil jedesmal wenn die Musikunternehmen mit den Aufnahmen verdienen.

    „Fast drei Viertel der Rechtstitel, die von einer Schutzfristverlängerung profitieren, liegen nicht in der Hand der Kreativen.“

    Selbstverständlich liegen die Rechtstitel nicht in den Händen der Künstler. Das ist ja gerade der Sinn in der Zusammenarbeit von Künstler und Musikunternehmen: Label zahlt die Aufnahme, Künstler gibt Leistungsschutzrechte an Label ab, Label macht Geld damit und zahlt Künstler aus. So funktioniert das Musikgeschäft. Die Leistungsschutzrechte müssen von Künstlern an die Labels abgetreten werden, sonst könnten diese sie nicht auswerten und auch die Künstler nicht auszahlen.

  2. Joerg Braun sagt:

    Die „Behauptungen“ sind Zusammenfassungen aus dem Dossier aus dem verlinkten irights.info-Artikel. Dort findet sich auch das Fundament, das unter anderem aus den Expertisen führender Urheberrechtler wie dem Max-Planck-Institut für Immaterialgüterrechte besteht.
    Auch sollten einzelne Bands nicht mit der Masse an Orchester- und Studiomusikern in einen Topf geworfen werden.
    Das wichtigste Argument hier im konkreten Fall ist meiner Meinung nach aber vor allem die Frage, welche Tonaufnahmen denn nach 50-70 Jahren noch kommerziell verwertet werden, also für wen und welche Anzahl an Begünstigten hier verlängert wird und zu wessen Schaden.

  3. ambee sagt:

    Ok, dann denke ich haben Sie das Dossier wohl falsch interpretiert, zB:

    „Häufig ist eine Teilhabe an späteren Einnahmen aus dem Vertrieb der Tonaufnahmen vertraglich ausgeschlossen.“

    Ich vermute Sie beziehen sich damit auf Punkt3:

    „Das bedeutet, dass die an diesen 80 % beteiligten ausübenden Künstler von vorne herein leer ausgehen werden.“

    Die Künstler gehen nicht aus vertraglichen Gründen leer aus (das ist nach §32 UrhG sogar unmöglich), sondern das liegt schlicht daran dass der Großteil der Produktionen (laut dem Dossier 80%,
    meiner persönlichen Erfahrung nach eher 90%) finanziell nicht rentabel, also ein Minusgeschäft für die Musikunternehmen sind. Aus meiner sicht es es nur logisch, dass ein Interpret nicht an Aufnahmen verdienen kann, mit denen das unternehmen Verluste macht. Im Gegenteil, in der Regel erhalten Interpreten einen Vorschuss auf ihren Künstlervertrag, der mit den späteren Einnahmen gegengerechnet wird. Somit hat das Musikunternehmen oft noch jahrelang ein dickes Minus auf der Uhr, während der Interpret seine Leistung längst bezahlt bekommen hat.

    Und da Sie von der Masse an Orchester- und Studiomusikern reden… mich würde interessieren was die Linke bei der Anderung der Ausschüttungsmodalitäten der GVL getan hat. Die wurden klammheimlich und von der Öffentlichkeit unbemerkt dahingehend geändert, dass nun das Prinzip ähnlich der GEMA funktioniert: der Teufel scheißt auf den größten Haufen. Die von Ihnen genannten Künstlergruppen leiden darunter mit Abstand am meisten, mehr Infos dazu finden Sie hier:

    http://www.musiker-board.de/musikbusiness-recht-mupr/397356-neuer-verteilungsmodus-gvl-gewaltige-einbussen-fuer-viele-musiker-keine-proteste.html

    http://www.musiker-board.de/musikbusiness-recht-mupr/441910-gvl-verteilung-wie-geht-es-weiter-laeuft-wirklich.html

  4. Bob sagt:

    @Ambee: Nur mal so als Tipp, Verwertungsgesellschaften entscheiden jeweils qua ihrer Satzung und den als wahlberechtigt benannten Mitgliedern …

  5. Also in der Tat muss man genau aufpassen, welche Standpunkte man hier als politische Partei ungeprüft übernimmt, denn einige der hier federführenden Quellen sind leider nicht ganz so neutral wie sie sich geben.

    Einige sollen sogar eine eigene Agenda haben. Daher gilt es Informationen genauer zu prüfen und nicht einfach nur ungesehen zu übernehmen. Da hat Ambee auf jeden Fall recht, auch was die Vorfinanzierung und das sogenannte Recoupment von Vorschüssen angeht.

    Und Pauschal-Behauptungen wie: „Die von der Musikindustrie diktierten Verträge für diese Kreativen lassen unabhängig von Schutzfristlängen zumeist keine angemessene Vergütung zu. Häufig ist eine Teilhabe an späteren Einnahmen aus dem Vertrieb der Tonaufnahmen vertraglich ausgeschlossen.“ sind leider komplett aus der Luft gegriffen.

    Darüber hinaus ist die Schutzfristenverlängerung in der aktuellen Urheberrechtdiskussion bestenfalls eine Fußnote. Die wirklichen Probleme liegen doch ganz woanders.