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Soll und Haben bei Einführung der Haushaltsgebühr: Malt die ARD mal wieder schwarz in eigener Sache?

Von ihrer Sitzung im Kloster Eberbach im Rheingau ließen die Intendantinnen und Intendanten der ARD verlauten, dass das neue Rundfunkfinanzierungsmodell nicht mit Mehreinnahmen für die ARD verbunden sei. Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust erklärte gestern in einer Pressemitteilung:

„Am Ende wird bestenfalls eine schwarze Null stehen. Angebliche Mehreinnahmen von eine Milliarde Euro, die in manchen Blättern die Runde machen, sind völlig illusorisch. Schon die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs würde dafür sorgen, dass zusätzliche Erträge wieder mit unserem Bedarf verrechnet werden.“

Bislang allerdings hat es die ARD immer wieder geschafft, in eigener Sache schwarz zu malen und rote Zahlen vorauszusagen. Insbesondere agierte und rechnete sie dann zweckdienlich, wenn es um die Einnahmen aus Rundfunkgebührenerhöhungen ging. Zu hoch angenommene Befreiungsraten, zu gering angesetzte Einnahmen – im Nachhinein konnten zuvor kalkulierte hohe Defizite schon mal binnen eines Jahres abschmelzen.

Die nun für den besten Fall errechnete „schwarze Null“ bildet fast eine Punktlandung – allerdings unter fragwürdigen Annahmen. Dies geht aus Berechnungen von rundfunknahen Seiten hervor, die DIGITALE LINKE vorliegen. Unter Zugrundelegung des Fortbestands der Gebührenhöhe von 17,98 Euro monatlich – so von den Ministerpräsidenten in den Eckpunkten zur Neuordnung der Finanzierung festgelegt – ergibt sich folgender Blick auf die Gewinn- und Verlustrechnung bei Einführung der Haushaltsgebühr:

Soll: Verluste in Höhe von 132 Mio. Euro – und das, obwohl die Erhöhung der Gebühr von 5,76 Euro auf 17,98 Euro für die Nur-Radionutzung zu Mehreinnahmen von ca. 350 Mio. Euro führt – entstehen durch die „Umstellung auf das Referenzmodell“, sprich: durch die Veränderungen der Gebührenpflicht und Gebührenhöhe im privaten wie nichtprivaten (Betriebsstätten) Bereich. Der ermäßigte Beitrag für Ferienwohnungen und Zweitwohnungen führt zudem zu einem Einnahmeminus von etwa 74 Mio. Euro. Die Kosten für Befreiungen im sozialen Bereich (Härtefälle) werden mit 13 Mio. Euro veranschlagt. Insgesamt ergeben sich Mindereinnahmen in Höhe von 219 Mio. Euro.

Haben: Durch die Einbeziehung von Kraftfahrzeugen, die zu Betriebsstätten gehören, entstehen Mehreinnahmen in Höhe von 114 Mio. Euro. Der einmalige Meldedatenabgleich, mit dem die Zahl der Schwarzseher und -hörer auf Null gedrückt werden soll, erbringt kümmerliche 72 Mio. Euro. Die Streichung des Nachteilsausgleichs für mehr als 580.000 bislang von der Rundfunkgebühr befreite Personen mit Behinderungen – sie zahlen künftig einen Betrag in Höhe von einem Drittel der Gebühr – wird mit 42 Mio. Euro taxiert. Insgesamt summieren sich die Mehreinnahmen auf 233 Mio. Euro.

Die Differenz von Soll und Haben ergibt demnach ein Plus von 14 Mio. Euro. Bei Gesamteinnahmen von 7,5 Mrd. Euro entspricht das einer Zunahme um 1,8 Promille. Ein erstaunliches Ergebnis, das die Folge einer politischen Rechnung zu sein scheint. Es liegt auffällig nahe an der Vorgabe, die Gebühr aufkommensneutral zu erhalten. Der Betrag ist gerade noch positiv, so dass sich die Sender weder beschweren noch einen Ausgleich fordern. Alle – Ministerpräsidenten, Sender sowie die Mehrheit der Gebührenzahler – könnten zufrieden sein, da alle wesentlichen Rahmenbedingungen erfüllt werden: Der Rundfunkbeitrag muss nicht steigen, die Gesamteinnahmen der GEZ sinken nicht.

Doch es verwundert schon, dass der Meldedatenabgleich nach diesen Berechnungen gerade einmal 360.000 „Neuzahler bringt“. Derzeit zählt die GEZ ca. 33 Mio. private Gebührenzahler, etwa 10 Prozent davon sind aus sozialen Gründen befreit. Das Bundesamt für Statistik hingegen ermittelt für Deutschland mehr als 40 Mio. Haushalte. Wo ist die Differenz zwischen 7 Mio. zusätzlichen Haushalten und vorhergesagten 360.000 Neuzahlern geblieben? Selbst unter Einrechnung der Befreiungsrate müssten doch 3 Mio. Haushalte zusätzlich den Rundfunkbeitrag zahlen. Wieso wird davon ausgegangen, dass von letzteren gerade einmal 12 Prozent Geld in die Kasse der GEZ bringen?

Die Ausweitung der Einnahmebasis nach dem neuen Modell sorgt dafür, dass die Anstalten auch ohne Anstieg der Gebühr mehr Geld erhalten. Die aktuellen Berechnungen wollen diesen Zusammenhang verschleiern. Das Kalkül scheint zu sein: Der Übergang zur Haushaltsgebühr sichert die Fortschreibung des Ist-Zustands. Die Vielzahl der Sender, die oftmalige Reproduktion des Immergleichen, die hohen Vergütungen der Moderatoren, die stagnierenden Vergütungen der freien Mitarbeiter, die Quotenorientierung vieler Programme, die steigenden Kosten für die Gemeinschaftsangebote und der fehlende solidarische Finanzausgleich innerhalb der ARD müssen auf diese Weise nicht auf die Tagesordnung.

Kurz: Die ARD muss sich nicht reformieren. Sie gewinnt Zeit, nicht jedoch Zukunft.

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