Der BundesFilmVerband (BFV) in ver.di operiert in der aktuellen Ausgabe seines Newsletters (7–8/2010) weiterhin mit den unseriösen Zahlen der TERA-Studie (wir berichteten). Unter dem Titel „Piraten schneller als Gerichte und Politik – viele Arbeitsplätze gehen verloren!“ wird erneut behauptet, durch illegale Downloads gingen in Europa 184.000 Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft verloren, davon 34.000 allein in Deutschland.
Auf diese nicht validierten Zahlen der im Auftrag der Anti-Piraterie-Lobbyinitiative Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy (BASCAP) erstellten Studie (Kurzfassung hier, Zahlenangaben auf S. 6) hatte ver.di bereits im April in einem zunächst intendierten Bündnis mit der Medien- und Rechteindustrie zurückgegriffen. Nach heftigen Protesten im Netz musste die Gewerkschaft unter dem Eingeständnis „offenkundiger methodischer Schwächen“ des Zahlenwerks seinerzeit zurückrudern und versicherte, dass Internetsperren im Falle von Urheberrechtsdelikten abzulehnen seien, weil durch sie immer auch die „Gefahr von Zensur“ bestehe.
Der BFV in ver.di beruft sich nun argumentativ darüberhinaus auf den Rückgang der ungenügende Einschaltquoten in der sechsten und letzten Staffel der TV-Mysterie-Serie „Lost“. Durch illegale Downloads habe der US-amerikanische Fernsehsender ABC bei deren Ausstrahlung den Zuschauerdurchschnitt gegenüber der fünften Staffel „nur gerade mal“ um zwei Millionen steigern können. Schuld daran seien – so wird mitgeteilt – knapp eine Million BitTorrent-Downloads am Tag nach der TV-Ausstrahlung der letzten Folge.
Eine zutiefst unseriöse, ja unhaltbare Behauptung: Eine vermeintlich unzureichende Steigerung in den Zuschauerzahlen der sechsten Staffel lässt sich kausal nicht einfach mit illegalen Downloads am Folgetag der Ausstrahlung des Finales korrelieren. Zudem verschweigt sie, dass die letzte Folge in Großbritannien und den USA simulcast übertragen wurde. Um Kannibalisierung durch illegale Downloads zu verhindern, hatten sich ABC und der britische Sender Sky1 ausdrücklich darauf verständigt, diese gleichzeitig auszustrahlen. Ebenso wurde übrigens auch in Italien, Spanien, Portugal, Kanada, Israel und der Türkei verfahren. (Siehe den Bericht im Guardian vom 20.05.2010.) Diesen Sachverhalt auszulassen und ihm faktisch eine umgekehrte Kausalbeziehung gegenüberzustellen, ist inakzeptabel.
Welche Position der BFV im Falle von Urheberrechtsverletzungen im Netz letztendlich zu vertreten gedenkt, bleibt in dem Artikel offen. Allerdings scheint diese Offenheit nur eine vordergründige: Ausführlich wird auf die Gesetzesbestimmungen in anderen Ländern verwiesen – so „Three Strikes“ in Irland, „Digital Economy Act“ in Großbritannien und „Hadopi“ in Frankreich. Gleichzeitig wird die Situation zur Urheberechtsdurchsetzung in Deutschland als unzureichend dargestellt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger etwa sehe „keinen Handlungsbedarf“. Statt dessen sorge sie sich um die zunehmenden Abmahnungen wegen illegaler Downloads, wird konstatiert.
Es bleibt zu hoffen, dass die Positionsfindung der Gewerkschaft insgesamt sich nicht von solch einseitiger Stimmungsmache leiten lässt. Gegenwärtig diskutiert ver.di den Entwurf eines Positionspapiers „Internet, Digitalisierung und die Zukunft des Urheberrechts“. Das allerdings erfolgt hinter verschlossen Türen im ver.di-eigenen Mitgliedernetz.
Siehe zum Thema auch:
– ver.di, die UNI-MEI-Kampagne und das Urheberrecht
– Kein Bündnis von ver.di und Industrie