DIGITALE LINKE
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Urheberrechtsfachgespräch: Audio online

Wir dokumentieren hier das am 10. Oktober 2011 von der Bundestagsfraktion DIE LINKE veranstaltete Fachgespräch zum “Urheberrecht im digitalen Zeitalter”.

Eröffnung: Dr. Petra Sitte, MdB

Keynote Matthias Spielkamp (Journalist, iRights.info)

Panel Bildung und Wissenschaft  – Oliver Hinte (Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft), Dr. Arne Upmeier (TU Ilmenau, Leiter der Rechtskommission des dbv). Moderation: Dr. Petra Sitte, MdB

Zusammenfassung:
Das heutige Urheberrecht passe hinten und vorne nicht mehr, meint Arne Upmeier. Während es im analogen Bereich noch einen Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern und Nutzern gegeben habe, sei dieses Gleichgewicht im Bereich des Digitalen aus den Fugen geraten. Während man aus Büchern gegen eine Pauschalvergütung jederzeit kopieren konnte, sei es im Digitalzeitalter möglich geworden, jede einzelne Nutzung abzurechnen. Das sei eine gewaltige Verschiebung im Kräfteverhältnis. Im Analogzeitalter habe es gewissermaßen Open Access als allgemeine Praxis gegeben. Jetzt hingegen fänden sich Bibliotheken in der Situation wieder, Nutzern erklären zu müssen, dass sie bestimmte Bücher nicht besorgen könnten, weil es sich um E-Books handele, die nur käuflich zu haben seien.

Als gravierend sieht Upmeier auch das Problem der Verwaisten Werke an, die nicht im Netz verfügbar gemacht werden können, weil die Urheber nicht auffindbar sind. Er plädiert für einen vom Bibliotheksverband miterarbeiteten Vorschlag für eine gesetzliche Regelung. Anders, so Upmeier, verhalte es sich bei vergriffenen Werken. Hier seien die Urheber auffindbar, deshalb stelle sich die Frage der finanziellen Kompensation hier anders.

Die Forderungen des Aktionsbündnisses deckten sich im Wesentlichen mit denen der LINKEN, erklärt Oliver Hinte. Eine Schrankenregelung für verwaiste Werke sei einer Regelung im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz eindeutig vorzuziehen. Upmeier stimmt dem zu, weist aber darauf hin, dass ohne eine Änderung auf EU-Ebene auch in Deutschland keine Schrankenregelung möglich sei.

Einigkeit besteht darüber, dass die im Urheberrecht für die Zwecke der Wissenschaft etablierten Ausnahmeregelungen unbedingt verlängert werden müssten. Nicht zuletzt angesichts steigender Studierendenzahlen sei das für die Hochschulen unabdingbar, meint Oliver Hinte. Und als Konsequenz aus der Tatsache, dass aufgrund rechtlicher Auseinandersetzungen digitale Leseplätze in Bibliotheken so gut wie nicht mehr möglich seien, fordert Upmeier ausdrücklich eine allgemeine Wissenschaftsschranke. Auch der Kopienversand werde kaum noch praktiziert, nachdem es zu viele urheberrechtliche Streitigkeiten um das Thema gegeben habe. Die Forderung nach einer Pauschalschranke sei als Hilferuf zu verstehen, die derzeitigen Regelungen zutiefst praxisfern. Armin Talke, Rechtsreferent der Stabi Berlin, bestätigt dies: Es bestehe bei den Nutzern eine große Unsicherheit im Umgang mit Rechtsnormen.

Ein weiteres großes Thema in der Wissenschaftswelt: die Diskussion um ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für Autoren. Angesichts im Wesentlichen durch die öffentliche Hand finanzierter Forschung müsse man eigentlich sogar eine Verpflichtung zur Zweitveröffentlichung fordern, meint Arne Upmeier. Es könne nicht angehen, dass Urheber siebzig Jahre über ihren Tod hinaus an einen Verlag gebunden seien, von dem sie sich schon zu Lebzeiten nicht mehr repräsentiert fühlten. Man müsse auf jeden Fall weg von den heutigen Knebelverträgen. Verleger sollten sich eher als Dienstleister der Autoren verstehen.

Panel Kultur  – Tim Renner (Produzent, Autor), Prof. Dr. Artur-Axel Wandtke (HU Berlin), Dr. Olaf Zimmermann (Kulturrat), Cay Wesnigk (Filmemacher). Moderation: Herbert Behrens, MdB

Zusammenfassung:
Der Begriff Geistiges Eigentum, mein Kulturratschef Olaf Zimmermann, sei überholt, man solle lieber vom Wert der Kreativität sprechen. Kreativschaffende sollten von ihrer Arbeit leben können, und zwar anständig.

Das findet auch Filmemacher Cay Wesnigk. Was Urheber bekommen, hätten sie sich hart erkämpfen müssen, meint er. Insofern sollten sich durchaus auch Bibliothekare dafür einsetzen, dass bei den Urhebern etwas ankomme, statt sich „neutral“ zu der Frage zu verhalten, wie das Geld, das von Bibliotheken an Verwertungsgesellschaften fließen solle, verteilt werden könne. Mit scharfer Kritik bedenkt Wesnigk die „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ des Bundeswirtschaftsministeriums, bei der immer nur „die Urheberlein zum Kaffeetrinken eingeladen“ würden. Er fordere vor allem Verbesserungen beim Urhebervertragsrecht.

Urheberrechtler Artur Wandtke nutzte die Gelegenheit, seiner Unzufriedenheit über die Arbeit der Enquetekommission Internet und digitale Gesellschaft Ausdruck zu verleihen, die nicht mehr den Urheber, sondern den Nutzer in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stelle. Gleichwohl äußert Wandtke Verständnis für Kritik am Begriff des „geistigen Eigentums“: Dieser sei tatsächlich irreführend, denn im Immaterialgüterrecht gehe es nicht um Eigentumsübertragung, vielmehr würden lediglich Nutzungsrechte an geistigen Werken eingeräumt.

Musikproduzent Tim Renner wies darauf hin, dass die Verbreitung künstlerischer Werke im Digitalzeitalter nicht mehr zu kontrollieren sei. Jeder, der popkulturell sozialisiert sei, habe schon mal versucht, die Grenze zwischen Konsument und Werk aufzureißen. Man solle diese Demokratisierung des Zugangs zu Kunst und Kultur nicht verteufeln, sondern begrüßen. Allerdings müsse dringend die Vergütungsfrage gelöst werden, wobei Renner auf eine marktwirtschaftliche Lösung setzen würde.

Knut Boeser vom Verband Deutscher Drehbuchautoren weist darauf hin, dass die Verhandlungen mit den Sender über eine „angemessene Vergütung“ mehr oder weniger zum Stillstand gekommen seien. Er fordert von der Politik dringend eine durchsetzungsfeste Ausgestaltung des Urhebervertragsrechts, die nunmehr seit zehn Jahren ausstehe.

Artur Wandke stimmt zu und ergänzt, Buyout-Verträge seien aus seiner Sicht schlichtweg unredlich, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die technische Entwicklung nicht zum Stillstand komme und ständig neue Nutzungsarten entstünden. Es müssten dringend mehr zwingende Regelungen ins Urhebervertragsrecht aufgenommen werden.

Olaf Zimmermann weist auf einen Strukturwandel in der Verwerterlandschaft hin: Während die Künstler mit Buchverlagen und Plattenlabels noch annähernd auf Augenhöhe hätten verhandeln können, kämen sie an die neuen Werknutzer wie Google oder Amazon gar nicht mehr heran. Man benötige daher dringend ein spezielles Urheberrecht für die digitale Welt. Allerdings müsse man dann zunächst den konkreten Regelungsbedarf genau analysieren.

Cay Wesnigk weist auf den Vorstoß der AG Dok hin, der darauf abzielt, einen Teil der zukünftigen Rundfunkabgabe so umzuwidmen, dass er der originären Produktion audiovisueller Inhalte für das Netz zugutekommt. FilmemacherInnen, die ihr Werk für eine begrenzte Zeit „frei“ im Netz zur Verfügung stellten, sollten sich um Förderung aus einem entsprechenden Topf bewerben können. Er bricht zudem eine Lanze für das Prinzip eines „digital rights fair trade“, worunter er versteht, dass mindestens 50% des vom Nutzer bezahlten Preises beim Urheber ankommen sollten.

Tim Renner weist abschließend darauf hin, wer schuld daran sei, dass die vielzitierten „neuen Geschäftsmodelle“ im Netz offenbar nicht funktionieren: die Kaufleute selbst, denen kollektivistisches Handeln grundsätzlich fremd sei. Renners Meinung nach müsste von der Politik Druck auf die Verwerter ausgeübt werden, sich zusammenzutun und gemeinsame One-Stop-Shops für digitale Kaufinhalte zu entwickeln.

Panel Medien/Journalismus  – Thierry Chervel (perlentaucher.de)*,Veronika Mirschel (dju), Matthias Spielkamp (Journalist). Moderation: Halina Wawzyniak, MdB

Zusammenfassung:
David gegen Goliath: FAZ und Süddeutsche verklagen das Internetmagazin Perlentaucher, weil dieses ihre Rezensionen auf der Webseite in eigenen Worten zusammenfasst, ohne dafür Urheberrechtstantiemen zu zahlen. Zu Unrecht? Ist es wirklich eine großartige kreative Leistung, Zeitungsrezensionen in eigenen Worten zusammenzufassen? Das sei die falsche Frage, meint Journalist Matthias Spielkamp. Es komme vielmehr stets darauf an, eine Abwägung zu treffen: Wie weit soll der urheberrechtliche Schutz reichen?

Perlentaucher-Chef Thierry Chervel erläutert, es sei in dem Prozess um die Frage gegangen, ob Formulierungen wie „weltanschauliches Anliegen“ oder „langatmige Ausbreitung von Altbekanntem“ so künstlerisch seien, dass für ihre Verwendung Urheberrechtsgebühren hätten gezahlt werden müssen. Chervel hält das für ebenso falsch wie das von den Presseverlegern angestrebte Leistungsschutzrecht, das seines Erachtens darauf hinausläuft, Sprache zu monopolisieren. Dem pflichtet Matthias Spielkamp bei. Er weist zudem darauf hin, dass die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger durchaus auch die Freiheit der Autoren beeinträchtigen könnte, ihre eigenen Texte zu verwerten.

Ver.di-Vertreterin Veronika Mirschel weist darauf hin, dass die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht von den Verlegern erhoben worden sei, nicht von den Gewerkschaften. Es habe aber die Notwendigkeit gegeben, den Gewerkschaften „ein Zuckerli“ in Form einer Beteiligung an den potenziellen Einnahmen anzubieten, da die Kanzlerin das Thema sonst sicher fallengelassen habe. Die von der Deutschen Journalistenunion mitausgehandelten Vergütungen für Tageszeitungsjournalisten bezeichnet Mirschel als „popeligst“, aber besser als früher. Das Urheberrechtspositionspapier der LINKEN gefällt ihr hingegen gar nicht: Die LINKE müsse dringend darüber nachdenken, ob sie professionelle kreative Arbeit durch bürgerschaftliches Engagement ersetzen wolle.

Ausblick  – Dr. Petra Sitte, MdB

Mehr dazu auch auf den Seiten der Linksfraktion.

Ein Kommentar zu “Urheberrechtsfachgespräch: Audio online”

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