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Netz für alle – Nfa Talk 22.03.2013: Verwertungsgesellschaften im 21. Jahrhundert – Liveblog

Eine Konferenz der Europafraktion GUE/NGL mit der Bundestagsfraktion und der Rosa-Luxemburg-Stiftung


Ritter Butzke,
Ritterstraße 26, 10969 Berlin
Freitag, 22. März 2013, 14 – 20 Uhr

Dies ist der archivierte Liveblog.

Einführung Lothar Bisky

Verwertungsgesellschaften vertreten einerseits Interessen der Urheber, andererseits der Verwerter. Auf der anderen Seite stehen die Nutzer, kommerzielle, aber auch private. Derzeit gibt es noch große Schwierigkeiten mit er grenzüberschreitenden Onlinezugänglichmachung. In Deutschland ist vor allem die Tarifdebatte der GEMA präsent. Derweil ist die C3S in Gründung, eine VG für Creative-Commons-Lizenzen.

Die Europäische Kommission sieht sich als Hüterin des Wettbewerbs in der EU. Es gibt jetzt einen neuen Richtlinienvorschlag, der den Wettbewerb unter den VGen steigern soll. Auf der anderen Seite gibt es Forderungen, die VGen vor Wettbewerb zu schützen. Wie sieht die Zukunft der kollektiven Rechtewahrnehmung aus?

Panel 1: VGen in Europa

mit Marie Humeau, EDRI, Helmut Scholz, MdeP GUE-NGL, Dr. Tobias Holzmüller, GEMA. Moderation: Marika Tändler.

Marika Tändler: Neue Richtlinie für die kollektive Rechtwahrnehmung als Vorschlag der EU-Kommission.

Marie Humeau, EDRI: Guter Schritt für digitalen Binnenmarkt und besseren Zugang zu digitalen Inhalten. Hilft der Glaubwürdigkeit des Urheberrechts. Ziel des Entwurfs, eine effiziente kollektive Rechtewahrnehmung einzuführen, ist richtig. 1. Mehr Transparenz, 2. Anpassung Lizenzsystem an digitales Zeitalter, 3. Erleichterung der länderübergreifenden Lizenzierung. Wettbewerbsregeln müssen angewandt werden, da Künstler von Wettbewerb profitieren können, um bessere Dienste zu bekommen. Aber nicht nur sie, auch die Nutzer.

Es gibt aber auch Probleme. 1. Mehr Entscheidungsfreiheit für Künstler. RL muss Künstlern die Möglichkeit geben, ihre Rechte auch individuell wahrzunehmen bzw. einzelne Werke aus der kollektiven Rechtewahrnehmung herauszuziehen. Die RL muss deutlicher klarstellen, dass man das kann. 2. Transparenz: Bessere Informationen über Verwertungsgesellschaften, nicht nur für Rechteinhaber. Diese Informationen müssen öffentlich sein. Außerdem Transparenz des Repertoires: wer und was die VGen vertreten, muss öffentlich sein. Sonst gibt es ein Risiko von Doppelzahlungen bei länderübergreifenden Zahlungen. 3. Länderübergreifende Lizenzierung muss leichter werden, damit Verhandlungen sich nicht mehr bis zu zwei Jahre lang hinziehen. Außerdem muss es Sanktionen geben, denn gute Regelungen nützen nichts ohne gute Durchsetzung.

Helmut Scholz, MdeP, Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel: JURI-Ausschuss arbeitet seit einem Jahr an dieser neuen Richtlinie. Hat auch handelspolitische Aspekte. Handelspolitische Dimension wird oft weit unterschätzt. Es geht um transnationale Modelle: Wie verortet sich die EU zum geistigen Eigentum und zum digitalen Vertrieb im 21. Jahrhundert. In den letzten Wochen ist die Aufmerksamkeit dafür zurückgegangen, aber mit der Verabschiedung des Entwurfs wird sie zurückkehren. Geregelt werden muss vor allem das, was in den Mitgliedsstaaten nicht effektiv geregelt werden kann. Es gibt von einzelnen Mitgliedsstaaten Kritik. Aber einheitliche Standards sind an sich eine gute Sache.

Es gilt, die Interessen der Urheber im Auge zu haben, aber der handelspolitische Aspekt ist auch wichtig. Wie ist das Verhältnis der Verwertungsgesellschaften gegenüber den großen Online-Plattformen, die teilweise selbst schon als Verwertungsgesellschaften auftreten. Regulierung der VGen muss demokratisch organisiert werden und transparent arbeiten, um beiden Interessen gerecht zu werden. Das Europa der Rezipienten entsteht auch dadurch, dass man die Kultur der anderen besser kennenlernt.

Geistiges Eigentum ist auch global ein immer wichtiger. Die LINKE muss dazu eine differenzierte Position einnehmen. Geistiges Eigentum an Medikamenten muss man anders bewerten als etwa an Musikwerken. Wie ist da das Verhältnis zum Wettbewerb? Richtlinie wirft Fragen auf: Wie ist der Entwurf mit bilateralen Handelsabkommen vereinbar, z.B. mit dem TRIPS-Abkommen? Genügt der Vorschlag diesen Vereinbarungen? Sind nicht eigentlich sogar globale Lösungen wichtig? Aber dann kommen große Konflikte auf uns zu, wie man schon an Unterschieden zwischen europäischem und US-Recht sieht. Wie sieht es mit den großen Labels aus, Sony und EMI? Können die in Zukunft die VGen entgehen? Es ist sicherzustellen, dass kleine Verwertungsgesellschaften dieselben Pflichten auferlegt bekommen wie große. Auch die Interessen der Künstler sind wichtig: Das internationale Aufführungsrecht muss bei den Künstlern selbst verbleiben.

Dr. Tobias Holzmüller, GEMA: Wir als große europäische VG wollten diese Richtlinie. Wir haben uns jahrelang dafür eingesetzt. Das System, das wir jetzt haben, das aus 27 nationalen Rechten besteht, funktioniert zunehmend schlechter. Es gibt eine zunehmende Mobilität der Mitglieder von Verwertungsgesellschaften. Auch im Bereich des Senderechts gibt es zunehmend den Wunsch nach länderübergreifenden Lizenzen. Es geht hier also darum, eine Fragmentierung des Repertoires zu verhindern. ö

Wie gut sind in der Richtlinie die Standards angeglichen? Es gibt Länder mit sehr starker und welche mit sehr schwacher Regulierung. Wir finden deshalb, dass die Mindestharmonisierung durchaus noch weitergehen könnte. Lizenzierungszwang kann durchaus auch in ganz Europa kommen.

Wie verhalten sich die nationalen Gesetze zueinander? Wer übt die Aufsicht aus, wenn eine VG außerhalb ihres nationalen Territoriums auftritt? Die Generaldirektion Binnenmarkt geht davon aus, dass die Aufsichtsbehörde des Heimatlandes sie ausüben sollte. Wie glatt funktioniert das?

Welche Rolle spielt eine Verwertungsgesellschaft in Europa, wenn es um die Zusammenführung der Repertoires und die Bewahrung kultureller Vielfalt geht? VGen fassen erfolgreiche und weniger erfolgreiche Künstler zusammen, um starke und schwache Urheber gemeinsam zu lizenzieren. Am Markt ist v.a. das anglo-amerikanische Repertoire beliebt, während nationale Repertoires auf wenig Interesse stoßen. Wie verhindert man, das kleine Repertoires hinten herunterfallen? Können wir überhaupt eine Insellösung in Europa fahren? Mittlerweile werden die Deals zwischen den großen Majors und den großen Nutzern in den USA geschlossen, die dann Europa mitumfasst. Entfaltet die Richtlinie in dem Bereich überhaupt noch Wirkung?

Marika Tändler: Warm sollten eigentlich nicht alle Urheber zu einer VG wechseln, die ihnen die besten Konditionen bietet?

Tobias Holzmülle: Ist es wettbewerbsökonomisch überhaupt sinnvoll, dass man eine Konkurrenz hat, oder läuft es nicht automatisch auf ein Monopol hinaus? Aber dass es so schlimm kommt, wage ich zu bezweifeln, da viele VGen noch immer eine starke nationale Identität haben. Eine Gefahr ist aber selektives Verhalten. Wenn einzelne besonders erfolgreiche Autoren das tun, kann es schon gefährlich werden. Man kann dem aber auch mit einer sauberen Regulierung vorbeugen. Die Tarifaufsicht müsste dann für alle Verwertungsgesellschaften gelten.

Marika Tändler: Wird mit Transparenz automatisch Wettbewerb befördert.

Marie Humeau: Künstler sollten die Wahl haben zu einer VG zu gehen, die ihm die besten Konditionen geben.

Helmut Scholz: Dann könnten aber die Künstler auch direkt ihre Rechte einem Verlag übergeben und diesem die Vermarktung überlassen. Der Vorteil einer VG ist doch gerade der solidarische Zusammenschluss. Wollen wir einen Wettbewerb zwischen Verwertungsgesellschaften, oder brauchen wir nicht eher europäische Standards?

Tobias Holzmüller: Der erfolgreiche Künstler, der in der Lage ist, sich selbst zu vermarkten, trägt womöglich sein Repertoire dann außerhalb der VG zu Markte. Deshalb brauchen wir Standards.

Petra Sitte: Wie ist denn die Ausschüttungssituation in Europa?

Tobias Holzmüller: Jede VG schüttet an ihre Mitglieder aus. Sie haben teils höhere, teils niedrigere Verwaltungskosten. Je mehr Transparenz da kommt, desto besser.

Marika Tändler: Wie hält die GEMA es mit der Transparenz?

Tobias Holzmüller: Wir hätten mit den Transparenzkriterien der GEMA kein Problem. Wir müssten einiges etwas genauer ausweisen, aber es wäre eher eine Frage von Rechenaufwand.

Marika Tändler: Können noch Anreize geschaffen werden für die Majors, ihr Repertoire den Verwertungsgesellschaften wieder zuzuführen?

Marie Humeau: Das müssen sie die Majors fragen.

Helmut Scholz: Wir brauchen Verwertungsgesellschaften, weil es eine demokratische Form der Selbstverwaltung von Künstlerinnen und Künstlern ist.

Marie Humeau: VGen sind nicht schlecht, aber teilweise wollen Künstler andere Systeme benutzen wie z.B. open licences

Tobias Holzmüller: Eine VG kann nur stark am Markt sein, wenn sie die Rechte von starken und schwachen Künstlern zusammen hat. Wenn man allen die Möglichkeit gibt, ihre Werke herauszuziehen, kommt es zu cherry picking. Dann  bleiben für die VGen nur die schwachen Titel übrig. Deshalb muss man mit dieser Forderung aufpassen.

Marika Tändler: Liegt das eigentliche Problem nicht in der Rechtezersplitterung? Braucht man einen One-Stop-Shop?

Tobias Holzmüller: Es gab ja mal eine Initiative für einen gemeinsamen One-Stop-Shop. Da hatte die Kommission aber Wettbewerbsbedenken. Wir sind nicht sicher, dass das der richtige Weg ist, aber jetzt ist es eben der einmal eingeschlagene Weg.

Ilja Braun: Ist überhaupt die mangelnde Konkurrenz schuld daran, dass es viele Onlinedienste nicht grenzüberschreitend gibt, oder hat es nicht andere Gründe?

Tobias Holzmüller: Wäre es nicht logischer, wenn wir nur noch eine VG hätten und Wettbewerb immer schädlich ist? Das hätte man vor zwanzig Jahren noch bejaht. Man hat aber auch gesehen, dass die Monopolisten sich nur bewegen, wenn es ein bisschen Wettbewerb gibt. Da spreche ich auch, aber nicht nur für meine VG.

Helmut Scholz: Man kann jetzt noch Änderungsvorschläge einreichen.

Panel 2: VGen und die Interessen der Nutzer

mit Cay Wesnigk, Mitglied Verwaltungsrat VG BildKunst, Ulf J. Froitzheim, Wirtschaftsjournalist und VG-WORT-Autorenvertreter, Meinhard Starostik, C3S. Moderation: Petra Sitte.

Cay Wesnigk: Filmemacher nur eine von mehreren Berufsgruppen. Bei BildKunst geht es vor allem um Zweitrechteverwertung. Zweitrechte kann man ohnehin nur kollektiv wahrnehmen.  Deshalb bin ich großer Freund dieser Monopole, denn hätte ich meine Rechte nicht an die VG übertragen, hätte der Verwerter sie mir bestimmt weggenommen. Wir haben gerade eine Klage gegen den Standardvertrag des MDR gewonnen. Da stand drin, dass die Hälfte des Geldes bei den Sendern ankommen muss, obwohl die Auftragsproduzenten selbst das wirtschaftliche Risiko tragen.

Hauptaufgabe von VGen ist Verhandeln. Wie viel Geld soll für eine bestimmte Nutzung fließen? Da geht es um Kompromisse. Das kann sehr schmerzhaft sein. Da ist Transparenz manchmal auch sehr schädlich.

Ulf J. Froitzheim: Arbeite als Journalist seit 20 Jahren. Bei der VG WORT muss man ein gewisses Einkommen haben, um Mitglied werden zu können. Die Wahrnehmungsberechtigten, die nicht Vollmitglied sind, haben aber auch Vertreter. Selbst von den Mitgliedern kommen kaum welche. Wir als Autorenvertreter wollen, dass jeder mitreden kann, der mitreden will. Die meisten sind offenbar mit der VG WORT zufrieden.

VG WORT prozessiert ständig mit Geräteherstellern, bis hin zum Europäischen Gerichtshof, um nicht zahlen zu müssen. Deshalb hohe Gerichtskosten, die uns als Verwaltungskosten ausgelegt werden, derzeit etwa 11%. VG WORT ist seit Jahren in der Defensive, was die Geräteabgaben angeht. Auf einen USB-Stick geht viel mehr drauf als auf eine CD, aber die Leute wollen trotzdem nicht zahlen.

Meinhard Starostik, C3S: Anfang der 80er Jahre für independent labels tätig gewesen und damals zum ersten Mal über das Internet nachgedacht. Damals war unsere Fantasie extrem beschränkt. Man dachte zunächst an Music on demand. Heute geht viel mehr, und das Urheberrecht ist den Produktions- und Nutzungsmöglichkeiten nicht mehr angemessen. Deshalb finde ich das Projekt C3S so spannend.

C3S will eine VG sein und beim DPMA zugelassen werden. Wir wollen zunächst im Musikbereich tätig werden, aber auch eine europäische Genossenschaft sein. Warum tun wir das neben der GEMA? Weil die GEMA die Creative Commons Lizenzen leider nicht abdeckt. Das ist aber das breite Segment der Kultur, das kommerziell nicht so interessant ist und wo sich Leute tummeln, die nicht zu Labels gehen. Es gab aber auch Kritik an der GEMA. Wir wollen eine transparente Organisation, die für die Urheber da ist. Verlage sollen nicht Mitglied werden können, obwohl wir gezwungen sind, sie an Ausschüttungen zu beteiligen. Wir wollen die Verteilungspläne aber transparenter und gerechter machen. Das geht über moderne Techniken, also etwa das Einreichen von Playlists. Damit soll eine höhere Verteilungsgerechtigkeit gewährleistet werden.

Petra Sitte: Warum eine europäische Genossenschaft?

Meinhard Starostik: Um das Prinzip one man, one vote durchzusetzen. Wir werden aber auch Fördermitglieder zulassen.

Petra Sitte: Wie stehen denn die anderen VGen zu Creative-Commons-Lizenzen?

Cay Wesnigk: Die CC-Lizenz ist sympathisch, weil man bestimmte Rechte an seinem Werk auch freigeben kann, für andere aber trotzdem noch kassieren. VGen funktionieren als Massengeschäft, deshalb kann man nicht einfach für einzelne Künstler Sonderregelungen machen. Wenn bei uns jetzt viele Leute ankommen würden, die CC-Lizenzen nutzen wollen, müssten wir uns fragen, ob die Kosten der Verwaltung im Verhältnis zu den Einnahmen Sinn machen.

Ulf J. Froitzheim: Die VG WORT hat eine Bewertungskommission, die sich Gedanken über den Verteilungsplan macht. Wir versuchen aber immer Lösungen zu finden, die möglichst gerecht sind. Allerdings gibt es auch bei uns Verteilungskonflikte. Die Verleger waren schon von Anfang an bei der VG WORT mit im Boot. Bei uns sind durchaus auch kleine Verlage dabei, nicht nur die Elseviers dieser Welt. Die Bühnenverlage zum Beispiel sind den Autoren sehr wohlgesonnen.

Letztes Jahr ging ja durch die Medien, dass Martin Vogel die VG WORT verklagt hat, weil ein Teil der Tantiemen an seinen Verlag ging, nicht an die Autoren. Vogel war Mitautor des Professorenentwurfs zum Urhebervertragsrecht und enttäuscht, dass das so wenig gebracht hat. Im Wissenschaftsbereich bekommen die Autoren 50%, im journalistischen Bereich sogar 70%.

Wenn das Urteil durch die Instanzen hält, sprengt es die VG WORT. Das Gericht hat entschieden, dass relevant ist, welcher Vertrag zuerst unterschrieben wurde, der Verlagsvertrag oder der Wahrnehmungsvertrag der VG WORT. Das ist offensichtlich kein sinnvolles Kriterium. Zudem kommt ja jetzt das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Das gab es vorher nicht, aber Geld bekommen haben sie in der VG WORT trotzdem. Ich war gegen das Presseverleger-Leistungsschutzrecht. Es hätte zumindest verwertungsgesellschaftspflichtig sein müssen. Hilft es uns, die Verleger aus der VG WORT herauszuschmeißen? Außer Martin Vogel will das niemand.

Petra Sitte: Es hätte uns geholfen, wenn der DJV sich klarer gegen das LSR positioniert hätte.

Ulf J. Froitzheim: Die meisten Leute im DJV sind festangestellte Redakteure, für die das sowieso nicht so relevant ist. Wir befürchten aber, dass wir jetzt eine eigene Verleger-Verwertungsgesellschaft bekommen. Dann haben wir einen Gesprächspartner mehr, der mit der Geräteindustrie verhandelt. Und die geht bis in die höchsten Instanzen, um überhaupt keine Abgaben zahlen zu müssen.

Petra Sitte: Zurück zur C3S. Ist das eine singuläre Sache, oder gibt es in anderen Ländern vergleichbare Initiativen?

Meinhard Starostik: Ich will lieber noch etwas zu den CC-Lizenzen sagen. Jamendo z.B. hat 370.000 Werke und 50.000 Künstler im Programm. Das gewinnt immer mehr an Quantität. Der Unterschied zur GEMA ist, dass wir von Anfang an bereit sind, auf das Interesse der Urheber einzugehen, vielleicht nicht alle Werke einer VG zu geben. Darauf besteht ja die GEMA. Deshalb gibt es ja auch die GEMA-Vermutung. Es führt nur dazu, dass Urheber sich Pseudonyme zulegen, um an der GEMA vorbei Geschäfte zu machen. Wir steigen jetzt in ein neues Segment des Marktes ein.

Petra Sitte: Können schon Leute Mitglied werden bei C3S?

Meinhard Starostik: Nein, aber die Nachfragen sind ermutigend. Bisher sind es noch unter 5.000 Leute, aber wir erarbeiten ja auch erst die Grundlagen.

Cay Wesnigk: Was ist denn eigentlich der Business-Case für die C3S?

Ulf J. Froitzheim: Die Abgabe, die wir von der ZPÜ bekommen, ist ja eine Vergütung für die Privatkopie. Wenn ich eine CC-Lizenz draufhabe, greift aber ja die Schrankenregelung nicht mehr.

Meinhard Starostik: Wir haben das noch nicht zu Ende gedacht. Wir haben aber die Vorstellung, dass man den CC-Baukasten der Lizenzen vielleicht noch erweitern kann.

Frage aus dem Publikum: Warum sollte ich als Künstler von der GEMA aus zur C3S wechseln? Ich will ja von einer VG gegenüber den Nutzern vertreten werden. Immer mehr Leute schauen z.B. YouTube. Irgendwann wird die C3S dann mit YouTube verhandeln müssen. Ich kann mir schon die Sperrtafeln vorstellen: „gesperrt von der C3S“. Wie sollen diese Verhandlungen laufen?

Meinhard Starostik: Mit YouTube müsste man sicher eine Pauschale aushandeln. Was die Clubs angeht, so haben viele Interesse an genaueren Erhebungen.

Frage aus dem Publikum: Bei den Verhandlungen zwischen YouTube und der GEMA ist ja gerade das Problem, dass sie keine Einzelabrechnungen wollen.

Meinhard Starostik: YouTube verlangt ja auch von den Endnutzern kein Entgelt. Jene, die ihre Nutzer nur gegen Entgelt reinlassen, müssen die Werke ja lizenzieren, dann müssen sie abrechnen.

Ulf J. Froitzheim: Immer wenn es Wettbewerb gibt, gehen die Preise herunter. Was die Urheber bekommen, wird dann weniger. Das ist jetzt schon zu beobachten. Wenn die Bedingungen von mächtigeren Partnern diktiert werden, hat man einfach nicht genug Verhandlungsmacht. Großkonzerne wie Google schaffen es auch, die user auf ihre Seite zu ziehen.

Michael Seemann: Es gibt Bots, die Google austricksen, und das neue Geschäftsmodell besteht darin, diese Texte bei der VG WORT anzumelden. Da generieren sich Leute richtig ein Einkommen über das METIS-System der VG WORT.

Ulf J. Froitzheim: Solche Versuche gibt es. Das war von Anfang an ein Problem. Deshalb hat es auch relativ lang gedauert, bis wir ein juristisch und technisch umsetzbares System gefunden haben. Das Problem ist aber auch nicht so groß, dass es sich lohnen würde, darauf zusätzlich Leute einzustellen.

Michael Seemann: Als Blogger könnte ich mich ja auch mit einem Zählpixel bei Ihnen registrieren. Ginge das nicht einfacher, z.B. über eine offene API? Das derzeite Verfahren ist viel zu kompliziert.

Ulf J. Froitzheim: Wenn wir das intern entwickeln lassen wollten, würde es die Verwaltung viel Geld kosten. Wer mit WordPress arbeitet, kann es aber auch automatisiert hinbekommen. Bei Typo3 ist es schwieriger.

Petra Sitte: Es gibt etwa 200.000 METIS-Meldungen jährlich. Ist das eine Möglichkeit für freie Journalisten, unabhängig Geld zu verdienen?

Ulf J. Froitzheim: Nein, dafür kommt viel zu wenig Geld heraus.

Alexander Wragge: Was würde denn wirklich passieren, wenn die VG WORT die Verleger rauskicken würde? Wäre sie dann wirklich zu schwach, um die Vergütungen einzutreiben? Warum soll eine reine Urhebergesellschaft das nicht können?

Ulf J. Froitzheim: Wir werden als kleine Urheber nicht wahrgenommen, zumal von der Politik nicht. Wenn eine Organisation nur kleine Selbstständige vertritt, ist sie nicht mehr auf Augenhöhe auch mit dem Gesetzgeber. Die Verleger haben einfach in diesen Kreisen eine bessere Wahrnehmung.

Alexander Wragge: Das klingt so, als ob es alles nur um Gemauschel geht. Es gibt doch ein Gesetz, und es gibt das Luksanurteil.

Ulf J. Froitzheim: Ich bin Pragmatiker. Ich weiß nicht, woher wir die Verhandlungsmacht nehmen sollen. Wir haben auch einfach nicht genügend Aktive. Wir bringen nicht die Leute auf die Straße.

Alexander Wragge: Warum haben Sie nicht die Chance genutzt, als die Urheberrechtsdebatte in Gang kam, sich für die Rechte der Urheber einzusetzen, sondern stattdessen immer eine Front mit den Verwertern gebildet?

Cay Wesnigk: Die Initiative Urheberrecht verteidigt dezidiert die Interessen der Urheber.

Petra Sitte: Wir wollen natürlich auch für die Urheber etwas erreichen. Deshalb unser Vorstoß beim Urhebervertragsrecht. Aber was kann man darüber hinaus tun, etwa bei Verwertungsgesellschaften?

Cay Wesnigk: Das Urhebervertragsrecht ist auf jeden Fall wichtig. Darüber hinaus müsste mehr Geld in die kollektive Rechtewahrnehmung hineinkommen. Die Initiative Urheberrecht fordert eine Hinterlegungspflicht für die Industrie, so lange die Streitigkeiten laufen. Dass die Kohle ankommt, ist für viele Urheber extrem wichtig. Verwertungsgesellschaften haben auch auf europäischer Ebene eine Vertretung. Auch die Initiative Urheberrecht tut viel.

 Panel 3: VGen und die Interessen der Nutzer

mit: Olaf Möller, Clubcommission, Markus Scheufele, BITKOM, Ronny Kraak, DJ (Kraftfuttermischwerk). Moderation: Halina Wawzyniak.

Ronny Kraak: Ab April müssen DJs Abgaben auf die für ihre Sets kopierte Musik zahlen: 13 Cent. Wer von Vinyl spielt, ist nicht betroffen. Für DJs, die digital unterwegs sind, kann das eine teure Angelegenheit werden.

Markus Scheufele: Wir haben eher mit der ZPÜ zu tun als mit der GEMA. Die ZPÜ verhandelt mit Verbänden über Geräteabgabe. Die VGen veröffentlichen Tarife, die wir an die Nutzer weiterleiten sollen. Diese Abgaben sind zum Teil viel zu hoch. Bei ZPÜs hatte man sich mal auf 10 Cent geeinigt, dann hat die ZPÜ ein halbes Jahr später neue Tarife veröffentlicht, die ungefährt 2.000% darüberlagen. Das belastet kleine Unternehmen.

Olaf Möller: Ich war lange Clubvertreter und fühlte mich bei der GEMA nie besonders gut empfangen. Wir finden dass der neue VRÖ-Tarif eine doppelte Belastung der DJs: Er hat für die Privatkopie gezahlt, er hat Geräteabgabe gezahlt, und der Club hat auch noch mal für die Aufführung bezahlt. Wieso muss dafür jetzt noch ein neuer Tarif hinzukommen. Wir versuchen jetzt, eine Lösung zu finden. Wahrscheinlich werden wir das ablehnen.

Halina Wawzyniak: Wie seht ihr die GEMA-Vermutung? Und an Markus Scheufele: Ist die Privatkopievergütung heutzutage noch aktuell?

Ronny Kraak: Es wäre viel sinnvoller, die Beweislast umzukehren, denn viele Veranstalter spielen kaum GEMA-Musik.

Meinhart Starostik: Die GEMA-Vermutung ist ein Konstrukt der Rechtsprechung, kein Gesetz. Sie gilt nur da, wo die GEMA tatsächlich ein Monopol hat. Man kann es heute auch rechtstatsächlich bestreiten, ob die GEMA-Vermutung noch gilt.

Olaf Möller: Wir haben mal eine Umfrage bei Berliner Clubs gemacht und festgestellt, dass dabei ungefähr 30% gemafrei waren. Wir bereiten gerade auch ein Projekt zum Thema trackbezogene Abrechnung vor. Damit soll eine größere Ausschüttungsgerechtigkeit erreicht werden.

Markus Scheufele: Die Geräteabgabe muss man im historischen Kontext sehen. Wurde ursprünglich im Zusammenhang mit der Einführung der Tonbandgeräte eingeführt. Man konnte also den einzelnen Nutzer nicht erreichen. Wenn man sich aber die Entwicklung von den 60er Jahren bis heute anschaut, ist da einiges passiert. Bei Laptops oder Smartphones ist es etwas anderes: Das sind keine reinen Aufnahmegeräte. Es findet gar nicht bei allen Geräten eine Nutzung statt. Durch die Digitalisierung muss man sich also die Frage stellen, ob die Geräteabgabe überhaupt noch eine Berechtigung hat. Auch ein EU-Report sagt: Wenn der Nutzer beim Download schon individuell für die Lizenz zahlt, darf er nicht noch mal zusätzlich für die Privatkopie zur Kasse gebeten werden.

Halina Wawzyniak: Aber noch mal zu den Tarifen: Die treten irgendwann in Kraft, hinterher stellt man fest, dass sie vielleicht nicht okay sind. Wir haben in unserem Antrag nun vorgeschlagen, dass die Tarife vorher von der Aufsichtsbehörde kontrolliert werden. Würde das in Euren Bereichen etwas helfen?

Olaf Möller: Das DPMA hat bei der Tarifreform gepennt. Hier hätte die Aufsichtsbehörde einschreiten müssen. Eine Reform dürfte erst dann gelten, wenn die letztinstanzliche Entscheidung da ist.

Markus Scheufele: Grundsätzlich sehe ich das auch so. Gerade bei der Geräteabgabe fehlt es aber an klaren Regelungen im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Wenn Tarife rückwirkend veröffentlicht werden, ist klar, dass das nicht richtig sein kann. Für Unternehmen ist vor allem Rechtssicherheit wichtig.

Halina Wawzyniak: Der Laptop-Zuschlag ist ja sozusagen aus der GEMA-Tarifreform herausgenommen und den DJs übergestülpt worden. Habt ihr überlegt, Euch irgendwie zusammenzutun?

Ronny Kraak: Viele DJs kümmern sich darum gar nicht. Ich weiß auch nicht, wie ich das machen soll. Wie soll ich herausfinden, ob mein Repertoire GEMA-pflichtig ist oder nicht? Es gibt zwar ein paar Verbände, wo sich DJs zusammentun, aber das ist offenbar ein anderer Kulturzweig. Man muss unterscheiden zwischen Disko- und Clubkultur. Im Clubbereich wird sich kaum jemand die Mühe machen, sich damit auseinanderzusetzen.

Olaf Möller: Die GEMA will jetzt den Clubs ein Geschenk machen und löst den Laptop-Zuschlag heraus, um ihn von einer Berufsgruppe einzufordern, die noch nicht richtig organisiert ist. Es gibt keinen Verband, der livemixende DJs vertritt. Wir sind gerade dabei, das zu organisieren, aber das wird vor dem 1. April sicher nicht mehr klappen.

Halina Wawzyniak: Offenbar könnt ihr nicht so recht nachvollziehen, wie die GEMA zu ihren Tarifen kommt. Wie kann man das transparenter machen?

Ronny Kraak: Es ist faszinierend, was die GEMA sich alles so ausdenkt. Dann kommt aus heiterem Himmel ein Tarif, ohne dass vorher mit irgendwem drüber gesprochen wurde. Ich finde das ein sehr seltsames Verfahren.

Olaf Möller: Das Problem ist, dass die GEMA keine Ansprechpartner hat, mit denen sie die Tarife vorab besprechen können.

Halina Wawzyniak: Ist das, was als Tarif vorgegeben wird, nachvollziehbar? Oder ist es total willkürlich?

Ronny Kraak: Für mich ist nicht klar, warum ich noch mal eine Kopiergebühr zahlen soll, wenn ich schon für den Datenträger bezahlt habe und der Veranstalter auch noch mal zahlt.

Markus Scheufele: Nach gesetzlicher Vorgabe soll eigentlich im Streitfall eine Nutzungsstudie durchgeführt werden. In der Praxis führt die Schiedsstelle das nicht durch, sondern die ZPÜ gibt selbst eine solche Studie in Auftrag. Was dabei herauskommt, ist für uns dann nicht besonders gut nachvollziehbar. Aber das Gesetz ist auch nicht klar. Der Gesetzgeber müsste klarere Vorgaben machen.

Olaf Möller: Wir fänden es schön, wenn die GEMA vorher mal fragen würde, was denn Clubs eigentlich verdienen und wie viel sie zahlen können. Man hätte sich gemeinsam über die Angemessenheit verständigen sollen.

Alexander Wragge: Von der GEMA ist nicht zu erfahren, wie es zu der Verlagerung der Laptop-Abgabe auf die DJs vor sich gegangen ist. Wissen Sie darüber mehr?

Olaf Möller: Diesen 13-Cent-Tarif gibt es schon seit 2007. Er ist nur bislang nie angewandt worden. Warum die GEMA den Laptop-Zuschlag in den VRÖ-Tarif verwandelt hat, weiß ich aber auch nicht.

Halina Wawzyniak: Mir haben Clubs immer wieder gesagt, dass Urheber auch an ihr Geld kommen sollen. Gäbe es keine VGen, müsstet ihr ja mit den Urhebern einzeln verhandeln. Sind also VGen nicht auch in Eurem Interesse?

Olaf Möller: VGen sind derzeit nicht zu ersetzen. Sonst könnten die Künstler nicht an ihr Geld kommen. Wir sitzen im Grunde mit den Künstlern in einem Boot. Die Frage ist nur, wie realistisch die Tarife sind.

Markus Scheufele: Urheber könnten alleine nur schwer auf dem Markt verhandeln. Aber es stellt sich die Frage, ob immer nur die VGen das Inkasso betreiben sollen oder ob es nicht noch andere Möglichkeiten gibt. Wenn man sich bei iTunes einen Song herunterlädt, dann muss die Beteiligung des Urhebers auf andere Weise sichergestellt werden. Wichtig ist, dass mehr Transparenz bei den Verwertungsgesellschaften geschaffen wird. Auch die Aufsicht müsste reformiert werden, vielleicht als neutrale Behörde.

Ronny Kraak: Für Künstler ist die VG ein komfortabler Weg, um Einnahmen zu erzielen. Das Problem ist das Ausschüttungsverfahren. Als DJ kann ich aber überhaupt nicht kontrollieren, ob das Geld auch bei den Künstlern ankommt, die ich spiele. Das will die GEMA aber nicht. Sie will lieber pauschal bezahlt werden.

Halina Wawzyniak: One man, one woman, one vote – ist das ein richtiges Prinzip für Verwertungsgesellschaften, oder sollten diejenigen, die mehr Rechte einbringen, auch mehr Mitspracherechte haben?

Olaf Möller: Die Mitgliederstruktur wird bei der GEMA sehr oft bemängelt, aber eingehend haben wir uns damit noch nicht beschäftigt.

Markus Scheufele: Die GEMA hat eine lange Geschichte. Da verfestigen sich Strukturen. Es gibt auch andere VGen, wo jedes Mitglied eine Stimme hat. Man muss sich ja nicht beteiligen, wenn man nicht will.

Ronny Kraak: Ich sehe das von der anderen Seite. Ich will nur gern, dass die Leute, deren Musik ich spiele, auch Geld bekommen. Es wäre ja möglich, dass man Playlisten abgibt.

Olaf Möller: Die GEMA hat in den Diskotheken Blackboxes verteilt, die stichprobenartig die Nutzung erfassen. Wenig bekannte Musik fällt da schnell hinten runter, und die Urheber gehen leer aus. Wir wünschen uns da ein genaueres System.

Halina Wawzyniak: Wie stellt ihr Euch die Situation in 15 Jahren idealerweise vor?

Ronny Kraak: Ich fände es gut, wenn man von den Blackboxes weg und hin zu einem genaueren System kommen würde.

Olaf Möller: Die Politik wollte ja, dass die GEMA transparenter wird. Deshalb haben sie ja die Linearisierung eingeführt. Sie sind aber kläglich damit gescheitert. Ich hoffe, dass es auch in Zukunft eine differenzierte Tarifstruktur geben wird. Und ich wünsche mir, dass auch die Popkultur dabei anerkennt wird.

Markus Scheufele: Wir müssen und wollen die Urheber vergüten, denn diese sind der Motor der Innovation. Die Frage ist nur, auf welchem Wege diese Vergütung erfolgen soll. Wir haben Verhandlungen, die sich extrem lange hinziehen. Das erzeugt eine unglaubliche Rechtsunsicherheit. Auch die Geräteabgabe muss im Zuge der Digitalisierung auf den Prüfstand.

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