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Warum die CDU jetzt beim ZDF so offen durchgreift

Ist die Rundfunkfreiheit jetzt in Gefahr, nachdem der ZDF-Verwaltungsrat den Vertrag mit ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nicht verlängerte? Nun, es war nicht der erste Durchgriff von Politikern beim ZDF in Personalfragen. Schon vor 32 Jahren intervenierten Politiker bei einer ZDF-Intendantenwahl. CDU und SPD einigten sich auf einen Kompromisskandidaten. Und so musste Dieter Stolte noch fünf Jahre auf seine Wahl warten. Als er nach 20 Jahren gehen wollte, wurde sein Nachfolger erst nach monatelangem Tauziehen zwischen SPD und CDU gewählt. Markus Schächter war im Jahre 2002 beim ZDF weder erste, zweite noch dritte Wahl. Er war der sechste Kandidat, der im fünften Wahlgang gewählt wurde. Damals kündigte Kurt Beck (SPD-Ministerpräsident, Vorsitzender der SPD-Medienkommission, Vorsitzender der Rundfunkkommmission der Bundesländer, ZDF-Verwaltungsratsvorsitzender) an, die Gremien des ZDF zu reformieren. Wenige Monate später hatte er daran kein Interesse mehr.

Damals wie heute können im ZDF-Fernsehrat nur 5 von 77 Mitgliedern als wirklich unabhängig angesehen werden. Sie werden von den Kirchen und dem Zentralrat der Juden gestellt. Die übrigen 72 Mitglieder werden von der Politik ausgesucht. 3 Vertreter schickt der Bund und 12 die Vorstände der im Bundestag vertretenen Parteien. Bleiben 57 – also 74 Prozent -, die von den Ministerpräsidenten bestimmt werden. 21 der 23 Mitglieder des Chefredakteursausschusses des Fernsehrates, ein Gremium, vor dem Brender immer wieder berichten musste, kommen aus der Politik. Und so ist klar: die Unabhängigkeit des ZDF, also dessen Freiheit,  ist parteilich begrenzt.

Doch das ist nicht nur beim ZDF so. Als Roland Koch in Hessen an die Macht kam, half ihm die Intendantenverfassung des Hessischen Rundfunks. Er brauchte nur dafür sorgen, dass der „richtige“ Intendant gewählt wird. Dieser setzte dann den richtigen Chefredakteur ein. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof bescheinigte im Jahre 1995 dem MDR-Staatsvertrag nur mit knapper Mehrheit, staats- und parteiferne Gremien festgeschrieben zu haben. Dass sich die Parteinähe auch journalistisch durchschlägt, zeigte sich, als man kurz vor der Landtagswahl in Sachsen und Thüringen Angela Merkel exklusiv ins Programm nehmen wollte. Rudolf Mühlfenzl, der den DDR-Rundfunk mit seinen fast 10.000 Mitarbeitern ab November 1990 führend abwickelte, wurde nie demokratisch gewählt, sondern von Staatsvertretern ins Amt gesetzt.

Der Bundestagswahlkampf zeigte es wieder einmal ganz deutlich: CDU und SPD dominieren die Sender. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier erhielten bei ARD und ZDF eine Sondersendung und ein Porträt nach dem anderen, so dass sie sich ohne Probleme dem direkten Duell mit FDP, Grüne und Linke entziehen konnten. Die Folge: ARD und ZDF sagten ihre großen Runden ab. Dabei gibt es doch genug Bild- und Tonmaterial von Merkel und Steinmeier zu fast jeder Frage. Deren Antworten hätte man einspielen können.  Und wenn es sich widersprechende Antworten gab, hätten man auch die ausstrahlen können. Kam man nicht auf diese naheliegende Idee? Oder fehlte der Mut zu einem solchen Format. Schon die Ankündigung hätte mit Sicherheit dazu geführt, dass Merkel und Steinmeier gekommen wären. Im Herbst 1989 lobten westdeutsche Politiker die ostdeutschen Journalisten für ihren Mut, neue Intendanten zu wählen, Chefredakteure abzusetzen und über Redakteursstatute ihre Mitsprache zu sichern. Davon war wenig später nicht mehr viel zu hören. Denn SPD und CDU haben seit Jahrzehnten die Sender im Griff, wobei die CDU ihren Einfluss immer mehr ausdehnt. Sie schafft es, immer mehr frühere bzw. aktuelle Minister, Regierungssprecher und Parteifunktionäre in den Gremien an die Spitze der Ausschüsse zu setzen. Es reicht ihnen nicht zum einen die Gesetze zu machen und zum anderen deren Umsetzung als Rechtsaufsicht zu kontrollieren. Sie wollen auch noch über die Gremien den Intendanten konkrete Anweisungen geben. Einer Mehrheit können sie sich dabei oft sicher sein, da doch viele der „gesellschaftlich-relevanten“ Organisationen mehr oder weniger von der Regierung abhängig sind.

Doch wieso zeigt man nun auf einmal offen, wer bei den Sendern das Sagen hat? Was hat sich geändert? Die Konkurrenz für ARD und ZDF wächst. Vor allem im Internet gibt es immer mehr Angebote, die auch journalistisch mithalten können. Und so fragen sich immer mehr, wozu sie noch eine Rundfunkgebühr bezahlen müssen. Und so wird der Staat zum Garant für die Existenz von ARD und ZDF. Und so sagen Staatsvertreter offen, was sie von den Sendern erwarten.

Doch wieso reagiert man nicht auf den Appell von 35 Staatsrechtlern, die meinen, dass man mit dieser Art der staatlichen Einflussnahme auf die Wahl des Chefredakteurs gegen den ZDF-Staatsvertrag verstoßen würde? Wieso verfolgt man bei der CDU den Kurs weiter, obwohl man fast alle Zeitungskommentare gegen sich hat? Und wieso kann die CDU die über 38.000 Unterschriften, die das CAMPACT-Netzwerk in zwei Tagen sammelte, ignorieren? Nun, Machtfragen werden bei Wahlen entschieden. Und bis zur nächsten Bundestagswahl ist es lange hin. Da ist der aktuelle „Fall“ vergessen. Und egal, ob 50.000, 500.000 oder 5 Mio. gegen einen stehen – Wahlen kann man unter Umständen trotzdem gewinnen. Dazu reicht es, wenn man auch die Wählerinnen und Wähler der anderen Parteien davon abhält, wählen zu gehen. Dies geschieht um so eher, je inkonsequenter die anderen Parteien agieren.Aus der Umklammerung der Politik können sich nur die Sender selbst lösen. Das Internet bietet ihnen dazu die technischen Möglichkeiten. Sie müssen diese nur nutzen. Wie man sich aus staatlicher Bevormundung und parteilicher Umklammerung lösen kann, dies haben die DDR-Journalisten 1989 gezeigt.

Sicher, man kann, wie die Grünen es anstreben, gegen den ZDF-Staatsvertrag klagen. Doch geht es nur darum, die Gremienzusammensetzung zu verändern, sie staatsferner zu gestalten? Was würde sich da in den Sendern, in denen viele Posten nach parteipolitischem Strickmuster besetzt sind, ändern? Geht es nicht darum, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Hand derer zurückzugeben, die ihn bezahlen und die auf ihn angewiesen sind. Oder, wie Bertolt Brecht in seiner Radiotheorie schrieb:

Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen.“

Kann dies von herrschenden Politikern gewollt sein? Warum sollen sie ein Interesse an aufklärenden und aufklärerischen Medien haben? Warum sollen sie sich dafür einsetzen, dass das intellektuelles Niveau in Deutschland steigt? Was bringt ihnen ein höheres kulturelles Niveau. Die Folge wäre, dass immer mehr Menschen nicht nur fühlen, dass die Politikerinnen und Politiker zumeist „nackt“ sind. Sie würden erkennen und beschreiben können, woran dies liegt. Und – sie würden vielleicht auf Ideen kommen, wie dies zu ändern sei. Die Regierenden könnten dann nicht mehr so weiter wie bisher regieren.  Ja, es könnte sein, dass sie dann gar nicht mehr regieren.

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