Wie hier schon berichtet wurde, hat das BMJ einen Referentenentwurf für einige neue Urheberrechtsregelungen vorgelegt. Darin enthalten ist auch ein Vorschlag für ein Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftsveröffentlichungen. Wissenschaftler sollen zukünftig das Recht haben, ihre eigenen Beiträge online zweitzuveröffentlichen, auch wenn sie einem Verlag ausschließliche Rechte daran eingeräumt haben. Damit erfüllt das BMJ einen Wunsch vieler Wissenschaftsorganisationen. So weit, so gut. Aber die Regelung geht nicht weit genug. Sie ist vielmehr mit kaum noch zu übertreffenden Einschränkungen versehen.
Dabei fällt als erstes die 12-Monatsfrist ins Auge. Man kann trefflich darüber streiten, ob zwölf Monate zu lang oder zu kurz sind – tatsächlich sollte man eher fragen, warum es einer solchen Frist überhaupt bedarf. Wenn man davon ausgeht, dass der Urheber so weit wie möglich selbst über sein Werk verfügen können sollte, so ist nicht einzusehen, warum er das eine Nutzungsrecht erst ein Jahr nach dem anderen vergeben können soll.
Ebenso unverständlich ist, warum die Regelung nur für Beiträge gelten soll, die „im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden“ sind. Dass Wissenschaftler, die außerhalb der Universität forschen oder, wie viele Doktoranden, dort nur eine Drittelstelle haben, zukünftig im Urheberrecht schlechter gestellt sein sollen als fest angestellte Wissenschaftler, ist nicht nachvollziehbar. Seit wann hängen Rechte an den eigenen Werken von der sozialen Stellung der Urheber im Berufsleben ab?
Auch soll die Online-Veröffentlichung nicht formatgleich möglich sein, sondern nur „in der akzeptierten Manuskriptversion“. Im Begründungsteil heißt es dazu: „Damit soll verhindert werden, dass die Zweitveröffentlichung in der Verlagsversion und damit im Format der Erstveröffentlichung erfolgt.“ Warum eigentlich? Das ist völlig unklar. Weder ist ein Verlagsformat urheberrechtlich geschützt, noch gibt es verlegerische Leistungsschutzrechte. Verlage können Urhebern also gar nicht verbieten, ihre Texte in einem beliebigen Format online zu veröffentlichen, auch nicht, wenn es dem des gedruckten Beitrags entspricht. Die Unterscheidung zwischen „Manuskriptversion“ und „Verlagsversion“ ist schlicht Murks: Der Verlag ist ein Werknutzer, und das Layout ist nicht Teil des Werks. Das muss auch das BMJ wissen. Hier wird versucht, einen Formatschutz bzw. ein verlegerisches Leistungsschutzrecht am Layout durch die Hintertür einzuführen. Offenbar soll damit verhindert werden, dass die Online-Veröffentlichung des Autors die gleiche Paginierung aufweist wie die des Verlags – denn darauf kommt es für die Zitierfähigkeit wesentlich an. Es ist nicht nett vom BMJ, dass es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser Weise zu behindern versucht.
Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Verschlimmbesserung, die das Verhältnis von Verbreitung (als Druckfassung) und öffentlicher Zugänglichmachung (online) angeht. Bisher galt, dass ein Urheber dem Verlag im Zweifel ein ausschließliches Recht nur zur Verbreitung einräumt, nicht jedoch auch zur öffentlichen Zugänglichmachung. Wer also beispielsweise keinen Verlagsvertrag unterzeichnet hatte, durfte schon bislang jederzeit seine Texte online stellen. Zukünftig soll das anders sein: der Verlag erwirbt nun automatisch auch an der Online-Veröffentlichung exklusive Nutzungsrechte. Man kann diese Änderung systematisch begründen, aber sie stellt für Autoren eine echte Verschlechterung dar und ist für das Zweitveröffentlichungsrecht selbst gar nicht notwendig. Zumal umgekehrt Autoren ihr Werk nach einem Jahr zwar online veröffentlichen, es jedoch nicht erneut in gedruckter Form verbreiten dürfen. Einen Zeitschriftenaufsatz nach einem Jahr erneut in einem Sammelband zu veröffentlichen, ist also nicht drin. Warum diese Ungleichbehandlung der beiden Nutzungsarten?
Last, not least ist auch die Einschränkung auf nicht-gewerbliche Zwecke nicht einzusehen. Autoren sollen zwar ihre Texte nach einem Jahr online stellen dürfen, aber nur, wenn sie kein Geld daran verdienen. Nun ist das nicht das Hauptinteresse von Wissenschaftlern. Aber dennoch: Hieß es nicht eigentlich immer, das Urheberrecht sei dafür da, dem Urheber eine angemessene Vergütung für die Einräumung von Nutzungsrechten zu sichern? Nun, hier hätte der Urheber eine Gelegenheit, wenn er denn möchte, mit seinen Rechten Geld zu verdienen. Aber schwupps kommt das BMJ daher und verbietet ihm genau dies: Du darfst zwar deine Texte zugänglich machen, auch wenn dein blöder Verlag es nicht will, aber du darfst gefälligst nichts damit verdienen. Ja, aber warum denn eigentlich nicht? Seit wann ist das Urheberrecht ein auf nicht-gewerbliche Zwecke beschränktes Instrument? Verstößt eine solche Regelung nicht gegen das Leitbild des § 11 UrhG? Oder gar gegen Art. 14 GG? Falls nicht, sollte man eine entsprechende Regelung doch besser gleich für den ganzen § 19a treffen: öffentliche Zugänglichmachung in Zukunft bitte nur noch nicht-gewerblich. Oder wie ist die Sonderbehandlung für Wissenschaftler begründet?
Es gibt also noch einige offene Fragen im Hinblick auf das Zweitverwertungsrecht. Man darf auf die Diskussion gespannt sein.
[…] Kommentare zu dem Referentenentwurf finden sich bei Ilja Braun, Klaus Graf und Rainer […]