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Bundesregierung: Über die Auslegung des Leistungsschutzrechts entscheiden die Gerichte

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage (BT-Drs. 17/11607) durch die Bundestagsfraktion DIE LINKE bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: Anbieter wie Facebook, Twitter und nahezu das gesamte Social Web können unter das Leistungsschutzrecht fallen. Die Gerichte müssen künftig entscheiden, ob in ihrem Fall bereits das unkommentierte Posten und Verbreiten entsprechender Links, die im Pfad der URL eine Überschrift aus einem Presseartikel wiedergeben oder mittels Kurz-URLs Verbreitung finden, durch Dritte als lizenzierungspflichtig anzusehen ist.

Konkret danach befragt, ob Soziale Netzwerke wie Facebook, Mikroblogging-Dienste wie Twitter, URL Shortener wie Bitly, Social Media Monitoring-Dienste wie Topsy, RSS-Dienste (Feedreader) und viele andere mehr als gewerbliche Anbieter anzusehen sind, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten und für die eigene Wertschöpfung auf die Leistung von Presseverlagen zugreifen, antwortete die Bundesregierung:

„Nach dem Regierungsentwurf gewährt das Leistungsschutzrecht für Presseverleger Schutz vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die gewerblichen Anbieter von Suchmaschinen und gewerbliche Anbieter von solchen Diensten im Netz, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten. […] Diese allgemein-abstrakte Regelung wird nach Verabschiedung des Gesetzes auf konkrete Sachverhalte anzuwenden sein. Soweit sich Auslegungsfragen stellen, werden sie durch die Gerichte entschieden. Das wird auch für das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger gelten. Der verbindlichen Bewertung einzelner Anbieter oder einzelner Kategorien von Anbietern als lizenzpflichtig durch die Gerichte kann die Bundesregierung nicht vorgreifen.“

Positiv gewendet könnte daraus der Schluss gezogen werden, die Bundesregierung weiß nicht, was sie tut. Doch haben die spärlichen Aussagen durchaus System: Eine mit dem Leistungsschutzrecht einhergehende massive Rechtsunsicherheit wird von der Bundesregierung fahrlässig oder gar bewusst in Kauf genommen. Das zeigt sich auch in weiteren Ausführungen.

Gefragt, durch welche Kurzkommentare oder beispielhafte Formulierungen in Mikroblogging-Diensten sichergestellt werden könne, dass die verlinkte Wiedergabe der Überschrift eines Presseartikels oder die Wiedergabe einer URL, die im Pfad die Überschrift eines Presseartikels enthält, in Einklang mit der Zitierfreiheit – nach der „der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint“ (BGH, Urteil vom 30. November 2011 – I ZR 212/10) – erfolgt, lautet die Antwort:

„Die Entscheidung, inwieweit bei der öffentlichen Zugänglichmachung mittels Mikroblogging-Diensten eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken hergestellt wird und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint, obliegt im Einzelfall der Rechtsprechung. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit das Teilen oder referenzierte Wiederholen einer verlinkten Wiedergabe der Überschrift eines Beitrags aus einem Presseerzeugnis oder der Wiedergabe einer URL, die im Pfad die Überschrift eines Beitrags aus einem Presseerzeugnis enthält, der Schranke des § 51 UrhG unterfällt.“

DIE LINKE hatte 16 Fragen mitsamt 72 Unterfragen gestellt. Letztere waren in der ganz überwiegenden Zahl so formuliert, dass sie mit einem einfachen JA oder Nein zu erwidern waren. In mehr als 90 Prozent der Fragen allerdings verweigerte die Bundesregierung eine Antwort.

Deren Intransparenz speist sich aus der Herkunft eines von den Presseverlegern bestellten Gesetzes. In diesem Sinne muss auch die Antwort auf die Frage, inwieweit und in welchem Umfang Suchmaschinenanbieter auf die Wertschöpfung von Verlagen „in besonderer Weise zugreifen”, gelesen werden:

„Der Bundesregierung sind keine eigenen belastbaren statistischen Daten zu diesen Fragen bekannt.“

Das aber ist laut Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/11470) der Anlass für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage.

 

Eine Vorabversion der Antwort der Bundesregierung gibt es hier.

5 Kommentare zu “Bundesregierung: Über die Auslegung des Leistungsschutzrechts entscheiden die Gerichte”

  1. Anonymous sagt:

    Aufgelesen und kommentiert 2012-12-11…

    Kurzvideo: Totalsanktioniert – Leben, 100 Prozent unter dem Existenzminimum Unterschichtenhass der Mittelschicht: Hetzen gegen Hartz Radio Hessen: Reaktion auf anonymen Jobcenter-Test ist groß 400-Euro-Jobs vernichten reguläre Arbeit Ein Loblied auf S…

  2. […] Scheele auf dem Blog der Linken über besagte Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken zum geplanten […]

  3. […] anzuwenden sein. Soweit sich Auslegungsfragen stellen, werden sie durch die Gerichte entschieden.» Bundesregierung: Über die Auslegung des Leistungsschutzrechts entscheiden die Gerichte Zeitgeist Google, Facebook und Twitter stellen ihre Zeitgeist(er) vor:» Google » Facebook » […]

  4. […] Die Erlöse hielten sich folglich sehr in Grenzen. Das Leistungsschutzrecht würde zusätzlich enorme rechtliche Unsicherheit bei allen schaffen, die Inhalte im Web publizieren und dabei auf online verfügbare Presseartikel […]

  5. Telemedicus sagt:

    Wochenrückblick: WCIT, Sampling, EU-Patent…

    +++ Bundesrat nickt schärfere Telefon-Überwachung ab +++ WCIT: Neue International Telecommunication Regulations ohne Deutschland +++ BGH: Sampling verstößt gegen Rechte von Tonträgerherstellern +++ BGH präzisiert Rechtsprechung zum Keyword-Adver…