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FDP: Netzneutralität ist Internet-Sozialismus

Gestern fand im Bundestag die erste Lesung der Anträge von GRÜNEN (Drs. 17/3688) und DIE LINKE ( Drs. 17/4843) zur gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität statt. DIE LINKE begründete ihren Vorstoß mit der Bedeutung der Netzneutralität für „Demokratie, Pluralismus und Meinungsbildung im Internet“. Netzneutralität – die neutrale Übermittlung von Datenströmen unabhängig von ihrer Klassifizierung nach Herkunft, Anwendung und Inhalt – sei „ebenso elementar für die Kommunikationsfreiheit wie für das technologische und gesellschaftliche Innovationspotential des Internets“, heißt es.

Irritierend oder auch bezeichnend an der Bundestagsdebatte waren die Einlassungen von Seiten der FDP. Claudia Bögel etwa, Mittelstands- und IT-Beauftragte der Freidemokraten, lehnte laut Heise Online eine rechtliche Absicherung der Netzneutralität mit den Worten ab, es dürfe nicht zu einer „sozialistischen Gleichmacherei“ im Netz kommen. Und Jimmy Schulz, Obmann der FDP-Fraktion in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, verstieg sich in diesem Zusammenhang gar zu der steilen These: „Das ‚Sozialismus-Internet‘ haben wir schon in China“.

Solche Töne waren bislang lediglich aus der US-Debatte bekannt. Dort wird die Gleichsetzung von Netzneutralität und Sozialismus insbesondere von Seiten der erzkonservativen bis rechtsextremen Tea-Party-Bewegung propagiert. Deutlich wird dies an den Einlassungen von James G. Lakely „’Net Neutrality‘ Is Socialism, Not Freedom“ aus der neoliberalen Denkfabrik The Heartland Institute, das zugleich als Organisator der Chicago Tea Party fungiert, oder auch des offenen Briefes des Tea Party-Aktivisten Stephen W. Fernandes „Net neutrality is socialism for the Web”.

Die Gruppierung um Fox-News-Moderator Glenn Beck und Ex-Alaska-Gouverneurin Sarah Palin schlug sich im Sommer letzten Jahres offiziös auf die Seite der Netzbetreiber, als 35 Gruppen aus der Tea-Party-Bewegung in einem Brief an die Federal Communications Commission (FCC) gegen Regelungen zum Erhalt der Netzneutralität opponierten (The Hill, Crunch Gear). Die seinerzeit angedachten Regulierungsmaßnahmen des FCC wurden darin als eine Umwandlung des privaten Internets in einen öffentlichen Versorgungsbetrieb diffamiert, die in Folge weitere Regulierungseingriffe in das Netz nach sich zöge, und auch die Befähigung für Eltern und Internet Service Provider beseitige, unangemessene Inhalte vor dem Eindringen in die eigenen vier Wände zu bewahren.

Ist das tatsächlich der Weg, den die FDP einzuschlagen gedenkt? Und muss die von der deutschen Bundesregierung eingerichtete Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die erst vorgestern Bundeskanzlerin Merkel ihr Jahresgutachten 2011 mit der Empfehlung überreichte, den Erhalt der Netzneutralität rechtlich abzusichern (S. 10), jetzt als kommunistisch unterwandert angesehen werden?

6 Kommentare zu “FDP: Netzneutralität ist Internet-Sozialismus”

  1. Flo sagt:

    Ich frage mich ja, was Johnny Häusler von netzpolitik.org dazu sagt, ist er doch FDP-Mitglied.

  2. Udo sagt:

    Was soll dieser naive Sophismus? Netzneutralität ist Freier Wettbewerb.

  3. SvB sagt:

    Auch wenn man mir FDP-Nähe nur selten unterstellt: Regulierung ist schon mal mindestens im krassen Widerspruch zur Freiheit im Netz und die Forderung nach Netzneutralität ist bei einigen doch nur ein Deckmäntelchen für die Einführung von immer mehr Staat.

    Mit diesem „Tea-Party“-Vergleich wird auch nicht gerade ein Dialogangebot gemacht, eh klar. Ich sehe da keinen Unterschied zu Jimmys China-Frozzelei.

  4. Tom sagt:

    Liebe FDP! Wer die Netzneutralität nicht will, der sagt damit aus: er will mit dem Mittelstand nichts zu tun haben. Denn Bandbreitenbeschränkungen und Geschwindigkeit nur gegen Bezahlung, schafft eine neue Einstiegshürde in den Markt. Sie schützt größere Unternehmen und Monopolisten, die bereits am Markt sind, hält junge mittelständische Konkurrenz draußen und verhindert Wettbewerb.

    Wer das will sagt ferner aus: dass er komplizierte Abrechnungsmodelle befürwortet. Er erschwert damit massiv das Wirtschaften, macht es deutlich teurer und vernichtet Arbeitsplätze. Vor allem vernichtet er Arbeitsplätze in Deutschland: denn die großen Mitbewerber, welche es sich leisten können zu zahlen, haben ihren Stammsitz mehrheitlich im Ausland.

    Und ferner sagt er: dass er nichts von freier Meinungsäußerung hält. Denn wenn die Beteiligung an der öffentlichen Meinungsbildung, eine akzeptable Geschwindigkeit, ausreichende Bandbreite und beides aber leider Geld kostet, dann kann sich in unserer Demokratie nur noch zu Wort melden, wer auch dafür bezahlen kann.

    Eure Einstellung ist so anti-liberal wie sie nur sein kann.
    Es ist in der Tat immer wieder erstaunlich, dass die FDP offensichtlich Null Wirtschaftskompetenz hat. Sogar die Linke versteht eindeutig besser, wie man dem Mittelstand hilft als die FDP. Man könnte meinen, die sogenannten „Freiheitlichen“ wollen zwar Freiheit – aber eben nur für den, der es sich auch leisten kann.

  5. […] und die Innovationsfähigkeit und Pluralität des Netzes deutlich einschränken. Anders als die FDP sieht der wilhelm.tel-Chef gerade in der Vernachlässigung und Mangelverwaltung Parallelen zum […]

  6. […] FDP: Netzneutralität ist Internet-Sozialismus (Ziemlich paradox eigentlich, sichert Netzneutralität doch eigentlich den freien Wettbewerb im Internet, was man wiederum auch als Liberalismus bezeichnet.) […]