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Löschen statt Sperren: Die TOR-Fälle und das BKA

Die Löschung kinderpornographischer Inhalte im Netz funktioniert „sehr gut“, lautet das Fazit in einem vor kurzem von der Bundesregierung herausgegebenen „Bericht über die im Jahr 2012 ergriffenen Maßnahmen zum Zweck der Löschung von Telemedienangeboten mit kinderpornographischem Inhalt im Sinne des § 184b des Strafgesetzbuchs“ (pdf). Von allen in Deutschland gehosteten Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern waren demzufolge nach zwei Tagen 89 Prozent, nach einer Woche 98 Prozent und nach vier Wochen 100 Prozent gelöscht.

Im Ausland, hier besteht eine komplexere, gleichwohl verbesserungsfähige Handlungskettung im Verwaltungsprozedere, wurden im Jahr 2012 nach zwei Wochen 73 Prozent und nach vier Wochen 97 Prozent gelöscht. So weit, so gut. Dennoch lohnt ein näherer Blick. Denn der Bericht enthält neue Kategorien, die zuvor in früheren Löschstatistiken des Bundeskriminalamts (BKA) – zuletzt berichteten wir über diese im März 2011 – nicht ausgewiesen wurden.

Unter der Überschrift „Gesamtzahl der beim BKA eingegangenen und weitergeleiteten Hinweise“ ist zu lesen, dass insgesamt 6.209 Hinweise zu kinderpornographischen Inhalten im BKA bearbeitet wurden. Davon konnten 746 Hinweise nicht mit einer Löschaufforderung weitergeleitet werden. Immerhin: Das wären stolze 12 Prozent, die dem Verfahren nicht unterworfen wurden oder nicht unterworfen werden konnten. Worum also geht es konkret?

Im einzelnen handelte es sich in 545 Fällen um Hinweise auf eine URL, deren Standort über das TOR-Netzwerk verborgen war. In weiteren 157 Fällen waren die Inhalte in Staaten gehostet, mit denen Kooperationsbeschränkungen bestehen – etwa weil dort für Sexualdelikte die Todesstrafe verhängt wird. Und in 44 Fällen erfolgten keine Weiterleitungen, weil das BKA die Löschung über eine durch den Provider zur Verfügung gestellte Schnittstelle veranlassen konnte. Letztere, so heißt es im Bericht, sollen das nächste Mal auch statistisch als erfolgreiche Löschungen betrachtet werden.

Aufhorchen aber lässt die hohe Zahl der TOR-Fälle. Nicht zwangsläufig ist schließlich davon auszugehen, dass Abrufer von Hidden Services ein Auffinden von illegalen Inhalten anschließend melden sollten. Halina Wawzyniak hat daher bei der Bundesregierung nachgefragt, wie viele Hinweise von Privatpersonen stammen und wie viele von Polizeibehörden. Der Antwort der Bundesregierung (pdf) ist nun zu entnehmen, dass tatsächlich in 520 von 545 Fällen die Hinweise vom BKA selbst kamen.

Welche Gründe es für das BKA gibt, nach nicht ermittelbaren URL im TOR-Netzwerk zu fahnden, darüber darf gemutmaßt werden. Kein Geheimnis allerdings ist, dass „Löschen statt Sperren“ vom BKA nicht gewollt war. Hinweise darauf, dass das Verfahren in der Behörde noch heute ungeliebt ist, ergeben sich auch aus einer weiteren Mitteilung der Bundesregierung (pdf), die ebenfalls erst auf Nachfrage – diesmal der Abgeordneten im Ausschuss Digitale Agenda – bekannt wurde.

Demnach sind aktuell drei Vollzugsbeamte des BKA ausschließlich innerhalb des Arbeitsschwerpunktes „Löschen statt Sperren“ tätig und ist eine halbe Vollzeitstelle im BKA mit den dazu anfallenden statistischen Aufbereitungen betraut. Insgesamt sind das 3,5 Vollzeitäquivalente. Im Jahr 2010 sah das noch anders aus. Damals bestand, wie ein Blick auf die seinerzeitige Antwort der Bundesregierung (pdf) auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE zeigt, das Personal für den Arbeitsschwerpunkt noch aus 6,3 Vollzeitäquivalenten. Ehedem wurde diese Zahl belächelt.

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