Anlässlich der Debatten rund um progressive Reformvorschläge für das Urheberrecht auf der Bundesdeligiertenkonferenz der Grünen dokumentieren wir in drei Teilen die Position der LINKEN Bundestagsfraktion zum Urheberrecht.
Teil 1: Einleitung, ein solidarischer Gesellschaftsvertrag
Teil 2: Schutzfristen einschränken
Die Digitalisierung lässt die klaren Grenzen zwischen Produzenten und Konsu- menten zunehmend verschwimmen
Zum einen fällt jede Meinungsäußerung im Netz durch deren öffentlichen Charakter potentiell unter das Urheberrecht, da sie einer Publikation gleich kommt. Zum anderen wird ins Netz verlagerter privater Austausch zu öffentlichem Handeln, womit Ausnahmeregelungen wie die für die analoge Welt konzipierte Privatkopie in die Diskussion geraten. Zum dritten baut kreatives Schaffen heute mehr denn je auf der Nutzung vorgefundenen medialen Materials auf. Viele Kreative nutzen für ihre Arbeit zugleich Vorarbeiten. Auf diese Weise entstehen neue Werk- und Kunstformen – etwa Remixes oder Mashups. Eine restriktive Rechtsdurchsetzung oder gar eine weitere Verschärfung macht solche neuen Kulturformen und eine generelle Kultur des Austauschs unmöglich. Auch die Wissenschaft stellt ein besonders prägnantes Beispiel der gleichzeitigen Werknutzung und Produktion dar. Weiter steigt die Zahl derer, die kreative Werke auch ohne erwerbswirtschaftliche Interessen schaffen und publizieren, da auch die dafür nötigen Produktionsmittel durch die Digitalisierung einer breiteren Masse zur Verfügung stehen. Damit entsteht ein umfassender Sektor nichtgewerblicher Kultur- und Wissensproduktion – etwa in Wikis, Blogs, Foto- und Videoportalen. Im Rahmen von Common-based Peer Production (Allmendefertigung durch Gleichgesinnte) sind im Netz unzählige Kommunikationsnetzwerke entstanden, die in ihrem ganzen Reichtum aus dem kulturellen Leben nicht mehr wegzudenken sind.
Das geltende Urheberrecht ist auf diese neuen Formen partizipatorischer Kreativität breiter Bevölkerungsschichten jedoch nicht zugeschnitten. Es stammt aus Zeiten, in denen das Urheberrecht ein Spezialgebiet für professionelle Künstlerinnen und Künstler sowie andere Kulturschaffende beziehungsweise ihre Vertragspartnerinnen und -partner war. Dennoch betrifft es heute nahezu jeden, der digitale Medien selbst nutzt. Wir brauchen deshalb ein neues Urheberrecht, das die kreative und häufig auch kritische Auseinandersetzung von Bürgerinnen und Bürgern mit ihrem medial-kulturellen Umfeld fördert.
Die Potenziale der Digitalisierung bestehen in der Öffnung des Zugangs zu den Wissens- und Kulturgütern, der Vernetzung und Kommunikation und der emanzipatorischen Erweiterung der Möglichkeiten jedes Einzelnen selbst kreativ zu werden. Dies gilt für nicht-professionelle wie professionelle Kreative gleichermaßen. Diese Potenziale können ohne ein prinzipielles Umsteuern bei der Entwicklung des Urheberrechtes nicht nutzbar gemacht werden. Nicht die ständige Ausweitung des Schutzniveaus, die Repression gegen Nutzer und die dazu notwendige Überwachung des Internetverkehrs, sondern die Ausgestaltung des Urheberrechtes im Sinne einer angemessenen Schutzwirkung im Interesse der tatsächlichen Urheberinnen und Urheber sowie der Nutzerinnen und Nutzer muss das Ziel einer modernen Novellierung des Urheberrechts sein.