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Abmahnwelle wegen Videostreaming wirft viele Fragen auf

Eine Abmahnwelle bisher unbekannten Ausmaßes überrollt derzeit das Land. Die Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U+C) verschickte Anfang Dezember im Auftrag der „The Archive AG“ massenhaft Abmahnungen an Nutzerinnen und Nutzer des Videostreamportals redtube.com. Nach Schätzungen sollen mehr als 10.000 davon betroffen sein. Trotz des im Oktober diesen Jahres in Kraft getretenen Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, das eigentlich solche Massenabmahnungen eindämmen wollte, kommt es wieder zu einer großangelegten Abmahnwelle. Damit bestätigt sich leider unsere Kritik, dass das Gesetz unzureichend ist. Dass man sich ausgerechnet eine Porno-Streamseite dafür ausgesucht hat, ist natürlich kein Zufall. Man hofft wohl, dass vielen die Nutzung dieser Seite zu peinlich ist und sie die geforderten 250 Euro schnell zahlen. So ganz hat das zum Glück nicht funktioniert.

Denn nicht nur vor dem Hintergrund der schieren Masse ist diese Abmahnwelle besorgniserregend. Erstmalig wurden Nutzerinnen und Nutzer wegen des reinen Anschauens eines Videostreams abgemahnt. Eigentlich gilt dies bisher nicht als Verletzung des Urheberrechts – sowie auch das reine Anschauen einer raubkopierten DVD nicht als Verletzung des Urheberrechts gilt und damit nicht strafbar ist. Zumindest ist dies umstritten. Nicht umsonst bezogen sich bisherige Massenabmahnungen ausschließlich auf das aktive Teilen von urheberrechtlich geschützten Dateien in Tauschbörsen. Offenkundig versucht die Anwaltskanzlei hier einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Argumentiert wird, dass bei einem Videostream die Datei auf der Festplatte zwischengespeichert wird und daher ein Urheberrechtsverstoß vorliegt. Würde sich diese Argumentation durchsetzen, kämen harte Zeiten auf die Nutzerinnen und Nutzer von Videostream-Portalen wie zum Beispiel youtube.com zu. Wie auf redtube.com lässt sich auch auf youtube.com für die Nutzerin und den Nutzer kaum ersehen, ob ein Videostream urheberrechtlich geschützt ist.

Umso bedauerlicher ist es, dass das Landgericht Köln den Auskunftsanträgen der Anwaltskanzlei zum großen Teil stattgab und damit diese Abmahnwelle erst ermöglichte. Denn es bedarf eines richterlichen Beschlusses, bevor Provider – in dem Fall die Deutsche Telekom – die Kundendaten herausrücken können. Wie es dazu kam, darüber kann nur spekuliert werden. Entweder teilt das Landgericht Köln die Rechtsauffassung der Anwaltskanzlei, was eher unwahrscheinlich ist. Oder – was wahrscheinlicher ist –  die Richter haben die Anträge gar nicht erst geprüft, sondern einfach einen Standard-Beschluss gefasst. Dafür spricht, dass in dem Beschluss von „Tauschbörsen“ die Rede ist, obwohl es sich eben nicht um eine Tauschbörse handelt, sondern um ein Videostream-Portal.

Ebenso bedauerlich ist, dass sich das Landgericht Köln auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, woher denn überhaupt die IP-Adressen der Nutzerinnen und Nutzer stammen. Lassen sich diese in Tauschbörsen mit recht einfachen Mitteln herausfinden, ist das bei einem Videostream-Portal nur mit Mitteln möglich, die nicht legal sind. Es gibt diverse Theorien. Inzwischen mehren sich die Indizien, dass über eine vorgeschaltete Seite mit einer ähnlich lautenden Webadresse Nutzerinnen und Nutzer automatisch auf die beanstandeten Porno-Filme geleitet wurden, also ohne ihr aktives Zutun. Ob sich das beweisen lässt, ist fraglich. Sollte dies aber der Fall sein, hätten wir es mit einem handfesten Betrug zu tun. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

Diese Abmahnwelle wirft also eine ganze Reihe von Fragen auf, Fragen, die nicht nur juristisch zu lösen sind, sondern auch die Politik auf den Plan rufen müssen. Wir haben daher eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Wir sind auf die Antworten gespannt und werden diese natürlich sofort einstellen, wenn wir sie bekommen. Dies dürfte Anfang Januar 2014 der Fall sein.

 

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