DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

ACTA und die Kapitalfraktionen

Dass das geheime Antipiraterieabkommen ACTA die Gegner von Internetsperren und hermetischen Regelungen zu „Geistigem Eigentum“ auf die Barrikaden treibt, ist bekannt. Auch die internationale IT-Branche mobilisiert dagegen. In einem Kommentar in der ZEIT argumentiert die ehemalige Europaabgeordnete Erika Mann aus innovationspolitischer Perspektive. Als Vizepräsidentin der Computer & Communications Industry Association CCIA , dem internationalen Unternehmensverband der IT-Industrie, analysiert Mann, dass die Rechteindustrie als treibende Kraft hinter ACTA steht:

Hinter dieser Agenda steht eine Koalition multinationaler Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie, der Pharmaziebranche und der Luxusgüterindustrie. Sie sind an internationalen Regeln interessiert, weil ihre Geschäftsmodelle maßgeblich auf dem Schutz geistiger Eigentumsrechte basieren. Und sie konnten in den letzten zwanzig Jahren die Politik erfolgreich davon überzeugen, dass der Schutz ihrer Rechte notwendig ist, damit sie ihre wirtschaftliche Dominanz bewahren können.

Europa habe  die digitale Revolution weitgehend verschlafen und das sei auch auf die rechtliche Dominanz dieser Industrien zurückzuführen, die nun Mauern gegen die Schwellenländer hochziehen wollten:

Wenn Rechte ausschließlich bestehende Geschäftsmodelle schützen sollen, kann Neues nur begrenzt entstehen. Wie der Erfolg amerikanischer Internetkonzerne wie Google aber zeigt, sind Kreativität und Innovation auf Flexibilität zwischen Schutzrechten und Innovationspotenzialen angewiesen. Für Europa wäre eine bessere Balance dabei besonders wichtig. Denn Europa stagniert in vielfacher Hinsicht. Besonders augenfällig wird das bei der sogenannten digitalen Revolution. Sie ist an dem Kontinent vorbeigezogen und hat nur wenige wirtschaftliche Spuren hinterlassen.

ACTA nun will Normen schaffen, um den Schutz von geistigen Eigentumsrechten im Rahmen von internationalen Handelsabkommen durchzusetzen. So soll eine „Koalition der Willigen“ als Lockmittel für Staaten wie China, Indien oder Brasilien herhalten, in denen geistige Eigentumsrechte vergleichsweise weniger geschützt werden.

ACTA als respressives Instrument für den Schutz des so genannten „Geistigen Eigentums“ schütze nicht nur die Rechteinhaber, sondern beschränke zugleich die Möglichkeiten zur Innovation:

Wenn wir also über ACTA reden, reden wir nicht nur über den Schutz geistigen Eigentums, sondern auch über Freiräume für Innovation. Und damit auch über Chancengleichheiten, Bildungschancen, Forschung, Rechte von allen Unternehmen – über gelebte demokratische Werte.

Seit Patentrechte und geistige Eigentumsrechte geschaffen wurden, gibt es diese Spannung zwischen dem, was zu schützen ist, dem Zeitraum des Schutzes sowie den Ausnahmen, die gelten müssen, um individuelle Kopien und gesellschaftliche Spielräume zu bewahren. Diese kritische Balance gilt es zu wahren. Und mit jeder neuen technischen Erfindung, wie beispielsweise nun den Suchmaschinen, muss diese Balance neu definiert werden.

Nun scheint es zwar ein wenig über das Ziel hinaus geschossen, wenn Rechte für alle Unternehmen als demokratischer Grundwert bezeichnet werden. Trotzdem sind Manns Argumente aus innovationspolitischer Sicht treffend. Auch marktliberale Wettbewerbstheoretiker wie der Münchener BWL-Professor Harhoff sehen verstärkte Schutzrechte für Bestehendes als Problem für die Herausbildung neuer Produkte und Geschäftsmodelle. Es bleibt zu hoffen, dass die  CCIA ihre Mitglieder (wie Google, Microsoft, Cisco, ebay oder AMD) auch zu einem verstärkten Engagement gegen ACTA mobilisieren kann. Es schadet ja nicht, eine mächtige Fraktion des Großkapitals ausnahmsweise mal als Verbündeten zu haben.

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