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Börsenverein fordert urheberrechtlichen Rundumschlag – auch gegen Open Access

Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins, hat in der Debatte um den Dritten Korb zur Urheberrechtsnovelle bemerkenswert vorgelegt:

Es ist an der Zeit, in größeren Dimensionen zu denken, gerade im Urheberrecht. Faule Kompromisse, das Denken in Details und die vereinzelte Arbeit an Schrankenregelungen schaden dem Urheberrecht. Zu Lasten der Rechte der Urheber werden Fakten geschaffen, die ein Gesamtkonzept für den Umgang mit der Digitalisierung unmöglich macht. Die Fortsetzung der Korbstrategie zur Anpassung des Urheberrechts ist deshalb der falsche Weg. Was wir brauchen sind verlässliche Rahmenbedingungen.

In einem Beitrag für promedia fordert er Tabula rasa im Internet: keine Erleichterungen, keine Schranken, keine Detailarbeit, keine Balance von Urheber- und Nutzerinteressen. Sondern weitere Maßnahmen zur Durchsetzung eines „starken Urheberrechts.“

Es ist aus Sicht der Urheber und ihrer Verlage völlig verfehlt, massenhaften Urheberrechtsverletzungen im Internet und mangelndem Unrechtsbewusstsein mit der Legalisierung dieses Verhaltens etwa durch Maßnahmen wie Bagatellklauseln, Ausweitung des Privatkopieprivilegs oder gar der Einführung einer so genannten Kulturflatrate zu begegnen. Eine Bagatellisierung der Rechtsverletzungen diskreditiert den Wert der geistigen Leistung und vermindert das Unrechtsbewusstsein. Durch das Privatkopieprivileg und die unzulänglichen Kopierabgaben verzichtet der Urheber ohnehin schon auf eine ihm zustehende angemessene Vergütung.

Bereits 2006 hatte Skipis den Untergang des deutschen Verlagswesens beschworen, sollte der damalige Zweite Korb in Kraft treten.

Der neuerliche Rundumschlag richtet sich vor allem gegen Open Access, also die kostenlose Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse im Netz. Diese sei auf freiwilliger Basis ja bisher schon möglich – etwa bei den Open Access-Plattformen der großen Verlage, wenn der Autor oder ein Forschungsförderer dies finanziert. Eine gesetzliches Zweitveröffentlichungsrecht sei daher nicht nötig:

Realitäts- und sachfern ist die Vorstellung, sechs Monate seien ein angemessener Zeitraum, nach dem eine unentgeltliche Zeitveröffentlichung verpflichtend sein sollte. Sie ignoriert einerseits die Komplexität wissenschaftlichen Publizierens und die fachspezifischen Besonderheiten der einzelnen Disziplinen. Andererseits verkennt sie die Leistungen der Verlage – Qualitätssicherung, Aufbereitung des Inhalts für die Veröffentlichung, Anreicherung mit Metadaten, Links und Querverweisen, Vorhalten einer Infrastruktur zu seiner Veröffentlichung, Übernahme des Unternehmensrisikos bei der Etablierung neuer Zeitschriften, Sicherstellung der Lieferbarkeit des Programms, dauerhafte Auffindbarkeit, Markenbildung, Werbung und vieles mehr. Sie ließen sich auf dieser Basis nicht länger finanzieren.

Abgesehen davon, dass viele Wissenschaftler sich auch um einen Teil dieser Tätigkeiten bisher selbst kümmern müssen, hat niemand etwas dagegen, wenn Verlage exakt dies vergütet bekommen. Dafür benötigen sie jedoch keine Exklusivrechte im Rahmen von Total-Buyout-Verträgen. Vehement wehrt sich Skipis gegen ein Modell für verpflichtende Lizenzen für öffentlich finanzierte Wissenschaft. Und er begründet dies mit der Unvereinbarkeit eines solchen Modells mit der grundgesetzlich geschützten Wissenschaftsfreiheit:

Zur Wissenschaftsfreiheit eines Forschers gehört die freie Entscheidung darüber, wo und wie er seine Forschungsergebnisse veröffentlichen möchte. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit für unsere Gesellschaft dürfen Wissenschaftler weder vorgelagert bei der Vergabe von Fördermitteln noch nachgelagert hinsichtlich der Zweitverwertung ihrer Publikationen zu Veröffentlichungen gezwungen werden, die sie nicht selbst aus freien Stücken anstreben.

Dieses Verständnis von Wissenschaftsfreiheit muss wohl erst verfassungsrichterlich dargelegt werden. Vor allem die Frage, ob auch der Ort der Veröffentlichung abgedeckt ist. Oder umgekehrt: deckt die Wissenschaftsfreiheit, dass sich private Verlage öffentliches Wissen ohne oder gegen nur marginale Bezahlung auf Dauer aneignen? Und dann selbst entscheiden, was veröffentlicht wird, wann eine Publikation vom Markt usw.?

Auch wenn Skipis vorgibt, im Namen der Wissenschaftsfreiheit zu sprechen: letztendlich schützt er private Geschäftsmodelle, die die öffentlichen Haushalte doppelt melken. Erst finanziert der Steuerzahler die Erarbeitung wissenschaftlicher Ergebnisse, dann muss er diese für die Bibliotheken von monopolisierten Anbietern mit Exklusivrechten zurück kaufen.

Die Verlage hingegen sehen sich als legitime Eigentümer und empfinden Bibliotheksnutzung als Diebstahl. Folgerichtig  verurteilt Skipis auch, dass die öffentliche Hand versucht, die Kosteneffekte der Digitalisierung zu nutzen:

Leider verknüpfen sie (Bund und Länder – T.S.) ihre alljährlichen Bildungsoffensiven nicht mit den entsprechenden finanziellen Prioritäten, sondern suchen nach Möglichkeiten, Bibliotheken, Hochschulen und Forschungseinrichtungen möglichst  ohne finanziellen Aufwand mit hochwertigen Verlagsprodukten zu bestücken. Da kommen die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung gerade recht. Die Rechte der Urheber werden durch neue Schranken beschnitten und dieser Komplex als Wissenschafts- und Bildungsförderung verkauft.

Da sind die Forschungsergebnisse plötzlich keine öffentlich finanzierten Leistungen von Wissenschaftlern mehr, sondern „Verlagsprodukte.“ Wer die unverschämte Bereicherung an Schulbüchern aus der Nähe kennt, weiß, dass Autoren und Buchhändler im freien Spiel der Kräfte nicht die Profiteure sind. Sondern die Verlage – oder besser Konzerne.  

Skipis fordert jedenfalls die Abschaffung sämtlicher Schrankenregelungen, die im Rahmen des so genannten Zweiten Korbs der Urheberrechtsnovelle eingeführt worden sind – etwa die Nutzung von Werken in Intranets oder an elektronischen Leseplätzen.  Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, das die Nutzerperspektive vertritt, fordert eine  Wissenschaftsschranke, um die Verfügbarkeit des Wissens zu sichern.

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