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Britische Popstars gegen Netzsperren-Pläne der Musikindustrie

Unter dem Titel „Der Aufstand der britischen Popstars“ berichtet die FAZ (Printausgabe) heute im Wirtschaftsteil über die neugegründete Featured Artists Coalition (FAC) – einem Zusammenschluss britischer Musiker, darunter Radiohead-Gitarrist Ed O’Brien, Pink-Floyd-Drummer Nick Mason, Eurythmics-Sängerin Annie Lennox, Billy Bragg, Tom Jones und Robbie Williams, die sich gegen die Pläne der Musikindustrie wenden, Raubkopierern den Zugang zum Internet zu sperren:

„‚Wir müssen eine kultiviertere Lösung für das Piratenproblem finden, eine mehr künstlerische Antwort’, fordert Travis-Bandleader [Fran] Healy, der Vorstandsmitglied der FAC ist. Wie genau diese Antwort aussehen könnte, wisse er auch noch nicht. Die Musikindustrie unterstützt dagegen die Gesetzesinitiative des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. ‚Das ist der richtige Weg und ein Vorbild für den Rest der Welt’, lobt John Kennedy, der Chef der Tonträger-Weltverbands Ifpi. Das französische Parlament hat in dieser Woche das neue Gesetz gegen Raubkopierer gebilligt: Auf richterliche Anordnung kann Wiederholungstätern der Internetzugang bis zu ein Jahr lang gesperrt werden. In Großbritannien macht sich Wirtschaftsminister Peter Mandelson für die Internetsperre stark. In Deutschland dagegen lehnt die Bundesregierung trotz Drängen der Musikbranche ab.“

Nun, ob das auch noch nach der Bundestagswahl gilt, muss sich noch erweisen. Im Kulturausschuss des Bundestages waren da schon andere Stimmen zu hören und auch die filmpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Angelika Krüger-Leißner, hatte sich im Juli für Netzsperren nach französischem Vorbild ausgesprochen (wir berichteten). Sicherlich richtig ist aber folgende Einschätzung der FAZ:

„Die Rebellion der Stars ist gefährlich für die Musikindustrie, denn sie kommt aus den eigenen Reihen. Seit zehn Jahren haben die Plattenkonzerne so hartnäckig wie erfolglos versucht, die Online-Piraterie gerichtlich zu bekämpfen. Die Betreiber der Internet-Tauschbörse Pirate Bay wurden im Frühjahr in Schweden zu Haftstrafen verurteilt und in den Vereinigten Staaten soll eine Tauschbörsen-Nutzerin 2 Millionen Dollar Schadenersatz an die Musikindustrie bezahlen. Immer haben die Konzerne sich damit gerechtfertigt, dass sie nicht nur für die eigenen kommerziellen Interessen, sondern auch für die ihrer Künstler kämpften. Doch ausgerechnet einige der weltweit prominentesten Musiker wenden sich nun gegen sie – eine PR-Katastrophe für die Plattenkonzerne.“

Gegenspieler der FAC sind jüngere Musiker wie Lily Allen, James Blunt oder Tinchy Stryder. Darüber war bereit gestern auf golem.de zu lesen. Sie teilen die Position des britischen Wirtschaftsministers Mandelson – sind also für Netzsperren nach französischem Vorbild. Wie diese jüngeren Musiker ticken, kann denn auch in einem von golem.de wiedergegebenen Zitat aus dem Blog von Allen nachgelesen werden:

„Letzte Woche fuhr ich mit dem Taxi zu einem Interview in Durham. Der Fahrer erzählte mir, dass er Musik illegal herunterlädt. Er mache das aber nur in kleinem Umfang und deshalb sei es okay. Als wir am Ziel waren, bezahlte ich ihm nur drei Viertel des Fahrpreises und sagte zu ihm: ‚Jetzt wissen Sie, wie Ihre Handlungen mich persönlich betreffen.’“ (Dte. Übersetzung von golem.de.)

Interessant ist auch folgendes: Die FAZ spricht sich für ein Umdenken in der strategischen Ausrichtung der Musikindustrie aus. In einem Kommentar „Nonsense gegen Piraten“ (ebenfalls Printausgabe) schreibt der Autor des Artikels, Marcus Theurer:

„Aber genauso offensichtlich ist, dass kein Gericht und kein Staat das Urheberrecht im Internetzeitalter mehr mit vertretbaren rechtsstaatlichen Mitteln schützen kann. Das ist ungerecht und bedauerlich, doch die Musikindustrie hat mit ihren seit 10 Jahren erfolglos geführten juristischen Kampf gegen das Raubkopieren den Beleg dafür erbracht. Es gibt nur einen Ausweg: Medien- und Telekom-Unternehmen müssen gemeinsam Angebote entwickeln, für die Nutzer wieder freiwillig zahlen. Das wird schwer und manchmal unmöglich sein, aber anders wird es nicht gehen.“

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