„Das System der Verwertungsgesellschaften umfassend reformieren“ – so lautete der Titel eines Antrags der Linksfraktion, den der Deutsche Bundestag am vergangenen Freitag mit den Stimmen einer großen Koalition aus CDU, FDP und SPD abgelehnt hat, bei Enthaltung der Grünen. Mehr Transparenz, eine bessere staatliche Aufsicht, gerechtere Verteilungspläne und vor allem eine Stärkung der Binnendemokratie – all dies ist nach Ansicht der Mehrheit überflüssig. Der Verlauf der Debatte kann jetzt im Plenarprotokoll nachgelesen werden, ab S. 133.
Beim Lesen des linken Antrags entstehe der Eindruck, so CDU-Vertreter Ansgar Heveling, die Fraktion wolle „das Urheberrecht nahezu vollständig aushebeln“. Obwohl DIE LINKE Systeme kollektiver Organisation doch eigentlich gutheißen müsse. Aber sie begnüge sich „wieder einmal“ damit, „auf den Populismuszug aufzuspringen“. Außer solcher Polemik hat Heveling noch allerlei Phrasen über Verwertungsgesellschaften als „unverzichtbaren und integralen Bestandteil eines modernen funktionierenden Urheberrechts“ zu bieten, aber wenig Inhaltliches.
Burkhard Lischka von der SPD setzt sich mit den linken Vorschlägen immerhin auseinander, lehnt sie jedoch „bei allem Verständnis für das Anliegen, das wir im Grundsatz unterstützen“, allesamt als zu weitgehend ab. So etwa die Forderung nach einer verbesserten Aufsicht, oder wie Lischka es formuliert: „nach einer umfassenden Staatsaufsicht mit nahezu unbegrenzten Eingriffsbefugnissen“. Damit meint er den Vorschlag, dass die Aufsicht die Tarife der Verwertungsgesellschaften, bevor sie in Kraft treten, auf ihre Angemessenheit hin überprüfen soll. Stattdessen rechtfertigt Lischka die im Rahmen der Reform von 2008 neu eingeführte Regelung, dass Verwertungsgesellschaften und Nutzervereinigungen sich in Verhandlungen auf gemeinsame Tarife verständigen sollen. „Dieses Ziel gilt es weiterzuverfolgen“, so Lischka. „Der Staat sollte sich aus den Verhandlungen der Beteiligten heraushalten.“
Fakt ist: Seit 2008 zahlt die Geräteindustrie für die Privatkopie so gut wie keine Vergütungen mehr und verwickelt die Verwertungsgesellschafte in zahlreiche Prozesse. Nach Angaben der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) geht es mittlerweile um etwa 300 Millionen Euro, die die Gerätehersteller nicht zahlen wollen. Mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über diese Zahlungspflichten ist frühestens 2014/15 zu rechnen. Anders ausgedrückt: Die Reform von 2008 hat das System der Privatkopieabgabe in eine schwere Krise gestürzt. Aus Sicht der SPD kann offenbar trotzdem alles bleiben, wie es ist.
Noch einfacher stellen sich die Dinge für Stephan Thomae von der FDP dar. „Das Urheberrecht soll die Urheber schützen; das wird schon anhand des Namens deutlich.“ Mehr noch, ein Urheberrecht macht nach Meinung der FDP „nur Sinn, wenn es primär die Rechte der Kreativen schützt.“ Darüber hinaus setzt Thomae sich in seiner Rede hauptsächlich mit dem linken Vorschlag auseinander, Kindertagesstätten im Rahmen einer Schrankenregelung von einer Vergütungspflicht für das Kopieren von Noten zu befreien. Er lehnt diesen Vorschlag ab, weil das vergütungsfreie Kopieren von Noten in Kindertagesstätten „eine allzu große Beeinträchtigung der Verlagsprodukte“ darstelle.
Einzig Konstantin von Notz (Grüne) lässt eine gewisse, wenn auch sorgfältig dosierte, Sympathie für die linken Ideen erkennen. „Es darf keine Denkverbote hinsichtlich eines Infragestellens des bestehenden gesetzlichen Rahmens für Verwertungsgesellschaften geben“, so Notz, „weil sowohl deren treuhänderische Funktionen als auch deren durch den Gesetzgeber selbst zugewiesene Verteilungsaufgaben zu einer ständigen Überprüfung der Gerechtigkeitsmaßstäbe bei den internen Verfahrens-, Entscheidungs- und Verteilungsmechanismen zwingen.“
In der Tat: Das Grundproblem mit den deutschen Verwertungsgesellschaften besteht darin, dass sie sich im Hinblick auf ihre Verteilungspläne, ihre Tarife und ihre binnendemokratischen Strukturen jeder Reform widersetzen und dies mit jahrzehntelanger Gewohnheit rechtfertigen, auch wenn diese Gewohnheit schon längst nicht mehr den gesetzlichen Rahmenbedingungen entspricht, wie unlängst auch der Europäische Gerichtshof feststellte
Die Politiker von CDU, FDP und SPD begnügen sich indessen mit schönen Worten über die kulturelle Bedeutung der Verwertungsgesellschaften, statt mit Nachdruck dringend notwendige Reformen einzufordern. Dass diese Reformen letztlich trotzdem kommen werden, nämlich auf Druck der EU-Kommission, ist dabei ein schwacher Trost.