DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Chavez und Merkel – Vorbilder?

Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag, hat kürzlich via Tagesspiegel von den Eindrücken seiner Lateinamerikareise berichtet. Es gebe  interessante Projekte dort, sagte er. Auf Europa seien viele der gewählten politischen Ansätze nicht übertragbar:

Ein Vorbild habe ich nicht gefunden.

Nun erscheint auf SPON die Meldung, dass Venezuelas Präsident Chavez die Freiheit des Internets einschränken wolle. Golem berichtet schon differenzierter, dass Chavez gegen eine bestimmte Internetseite, nämlich das rechtsgerichtete Nachrichtenportal Noticiero digital staatsanwaltliche Ermittlungen einleiten wolle, da dieses Portal bewusst Falschmeldungen über tödliche Attentate auf linksgerichtete Politiker und Journalisten sowie Putschaufrufe verbreite. Chavez habe sich mit der Position, das Internet sei kein rechtsfreier Raum auf Angela Merkel bezogen, die kürzlich in ihrem Podcast ebenfalls vor den Gefahren eines „rechtsfreien Raumes Internet“ warnte. So schnell kann es gehen, dass eine konservative Kanzlerin für einen vermeintlichen Despoten zitierfähig wird. 

André Scheer kommentierte in der jungen Welt :

Wenn ein linker Präsident einfordert, daß presserechtliche Verantwortlichkeit auch im Internet zu gelten habe, ist das Diktatur. Wenn die deutsche Kanzlerin dasselbe fordert, beweist sie damit Verantwortungsbewußtsein. Wenn in Venezuela eine faschistoide Seite (hoffentlich bald) geschlossen wird, die immer wieder Menschen zum Abschuß freigibt, dann ist das Zensur. Wenn die Dresdner Staatsanwaltschaft hingegen die Homepage gegen den Naziaufmarsch vom 13. Februar sperren läßt, ist das den »freien Stimmen der freien Welt« kaum eine Zeile wert.

Es ist richtig, dass der Medienmainstream mit zweierlei Maß misst. Das ist jedoch nicht neu und weiterhin zu kritisieren. Müssten jedoch nicht auch die folgenden Fragen gestellt werden: Was heißt: „Seite geschlossen“ ? Nach einem rechtsstaatlichen Verfahren? Auf Grund welcher Rechtsgrundsätze? Sollte man sich nicht auch fragen, warum der Präsident ein Verfahren gegen die Betreiber des Nachrichtendienstes ankündigt und nicht die Geschädigten selbst?

Scheer findet hingegen, dass Chavez schon viel zu lange mit dem Vorgehen gegen die Seite gewartet hat.

Daß Chávez den Aufruf zur Ermordung seiner beiden Mitstreiter – um nichts anderes handelt es sich letztlich – nicht schweigend hingenommen hat, spricht für ihn. Zu kritisieren wäre höchstens, daß er erst jetzt reagiert hat, denn die Seite ist seit Jahren für ihre üble Hetze bekannt.

Nach all den Debatten um eine präzise Abgrenzung von „Sperren“ oder  „Löschen“, um Richtervorbehalt und BKA-Sperrliste hierzulande ist möglicherweise eine gewisse Trennschärfe in der Debatte angebracht. Auch wenn die politische Situation in Venezuela mit einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft und der andauernden Gefahr von Putschen gegen einen gewählten Präsidenten eine andere ist als hierzulande.

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