DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

freischreiber für Pilotprojekte zur Urhebervergütung

Wir dokumentieren hier im Wortlaut das Statement, das Wolfgang Michal vom Journalistenverband freischreiber auf der Konferenz „Kreatives Schaffen in der digitalen Welt“ am 7. Mai in Berlin gehalten hat.

Ich möchte ein paar Dinge vorausschicken:

Der Verein freischreiber ist ein junger Berufsverband für hauptberuflich tätige freie Journalisten. Wir haben uns vor 4 Jahren gegründet und vertreten derzeit etwa 500 Kollegen. Die Mitgliedschaft ist sehr heterogen.

Obwohl das Durchschnittseinkommen der freien Journalisten extrem niedrig ist (das zeigen alle einschlägigen Untersuchungen), ist die Ablehnung von Pauschalvergütungssystemen gerade unter freien Journalisten sehr groß. Freie Journalisten beharren auf individueller Freiheit, obwohl sie (manche würden vielleicht sagen: weil sie) ihre individuelle Freiheit im realen Wirtschaftsleben nur selten realisieren können. Egal, wie mickrig das Honorar auch ist, egal, wie schlecht ein freier Autor behandelt wird, er scheut die pauschalisierte Zuweisung durch anonyme Gremien wie der Teufel das Weihwasser. Hier müssen die Befürworter pauschaler Vergütungsmodelle noch sehr viel Aufklärungsarbeit leisten. Diese Tagung ist vielleicht ein Anfang.

Pauschale Vergütungsmodelle sind für freie Journalisten nur im Hinblick auf die zu erlösenden Tantiemen interessant (das heißt, es geht uns nur um die pauschale Abgeltung von Zweitverwertungen). Als Honorarersatz lehnen wir pauschale Vergütungsmodelle ab.

Aufgrund der digitalen Realität (d.h. der massenhaften Anfertigung von Privatkopien) vertreten wir die Auffassung, dass auch der Anteil der Tantiemen (die von so genannten Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet werden) steigen muss. Individuell ausgehandelte Honorare bleiben für uns das Einkommen der Wahl, aber Tantiemen werden als ergänzendes Einkommen immer wichtiger.

Im Urheberrecht ist die Vergütungspflicht für Privatkopien in § 54 UrhG geregelt. Die dort formulierte Leermedienabgabe könnte unseres Erachtens erweitert werden, etwa durch eine Providerabgabe. Der Grundgedanke ist sehr einfach: Steigt der Anteil der Privatkopien, muss auch der Tantiemenanteil für Kreative steigen.

Wir sind uns aber vollkommen im Klaren darüber, dass journalistische Beiträge für Netz-Nutzer nicht so attraktiv sind wie Musik oder Filme. Unser Problem mit so genannten Raubkopien ist also relativ klein.

Unser Hauptanliegen ist deshalb auch nicht die Abgeltung der Privatkopie, sondern die durchgreifende Reform des Urhebervertragsrechts. Das Verhältnis zwischen Journalisten und Verlagen muss neu gestaltet werden. Hier sind wir für eine zeitliche Begrenzung der exklusiven Verwerterrechte. Nur so kann die ärgerliche Praxis der Buyout-Verträge beendet oder abgemildert werden.

Doch nun zu den vorgestellten Vergütungsmodellen:

 

Modell 1: Die Tauschlizenz (Volker Grassmuck)

Die Tauschlizenz, die Volker Grassmuck vorgeschlagen hat, scheint mir das durchdachteste der vier Modelle zu sein. Grassmuck kennt die Materie, und er ist Realist genug, die Erfahrungen der bereits existierenden Verwertungsgesellschaften für die angestrebte Privatkopievergütung zu nutzen. Auch die Frage der Verteilungsgerechtigkeit löst er elegant über eine repräsentative Haushaltsbefragung nach dem Muster der GfK (die ja die Zuschauerquoten für die Rundfunksender ermittelt). Das vorgeschlagene Pilotprojekt, das die Praxistauglichkeit der Tauschlizenz in einem Feldversuch erproben soll, wäre der nächste folgerichtige Schritt.  

Nicht ganz so klar ist, wie sich Grassmuck die geforderte Reform der Verwertungsgesellschaften konkret vorstellt. Wer soll z.B. darüber bestimmen, welcher Anteil der Einnahmen an wen aufgrund welcher Kriterien „solidarisch“ umverteilt wird. Diese Fragen, die vor allem die Skeptiker umtreiben, könnte ein Pilotprojekt beantworten.

 

Modell 2: Die Kulturwertmark (CCC)

Als ich vom Konzept der Kulturwertmark das erste Mal hörte, dachte ich, es ist eine Satire. Schon der Name erinnert an den berühmten „Hebdrehwähler“ oder an die „Jahresendflügelpuppe“.

Die Kulturwertmark ist trotzdem interessant, weil sie zum Nachdenken zwingt. Sie argumentiert radikal aus der Perspektive des Nutzers. Der Nutzer und eine noch etwas im Nebel bleibende staatlich alimentierte Superstiftung sollen darüber bestimmen, was ein Kulturschaffender monatlich an Einkommen überwiesen bekommt.

Leider verliert dieser genossenschaftliche Grundgedanke ein wenig von seinem Zauber, wenn man den Beipackzettel mit den Durchführungsbestimmungen liest. Warum braucht es überhaupt ein Kunstgeld (wegen der Kunst?)? Wer legt die Obergrenzen für die Honorare fest? Wer entscheidet bei Konflikten? Wer beschließt die Quoten? Wer ist überhaupt wahrnehmungsberechtigt? Wer sitzt in den Gremien?

Das Modell des CCC stößt viele Urheber vor den Kopf. Es offenbart eine rein quantitative, ja planwirtschaftliche Kultur-Auffassung. Dieses Denken scheint Programmierern offenbar leichter zu fallen als anderen Kreativen.

Wer aber in der Praxis schon mal erlebt hat, wie schwer es z.B. Zeitungsverlegern und Journalisten-Gewerkschaften fällt, bei der Aushandlung „angemessener“ Vergütungsregeln sinnvolle Text- und Bewertungs-Kategorien für unterschiedlichste Darstellungsformen und Inhalte festzulegen, kann sich vorstellen, wie unermesslich die Aufgabe wäre, die auf eine „Kulturwertmark-Stiftung“ hereinbräche. Kafkas Bürokratie ist nichts dagegen.

 

Modell 3: Öffentlich-Rechtliches Internet als dritte Säule neben ARD und ZDF (AG Dokumentarfilm)

Das Modell der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) ist im Grunde gar kein pauschales Vergütungsmodell. Es ist ein Umverteilungsmodell. 10 Prozent der Rundfunkgebühren sollen für unabhängigen Internet-Rundfunk abgezweigt werden. Das ist schon deshalb begrüßenswert, weil endlich mal jemand den Mut hat, ein öffentlich-rechtliches Internetangebot unabhängig von ARD und ZDF zu fordern.

Auch die AG-DOK setzt – wie Grassmuck – auf bestehende Strukturen, um das Geld einigermaßen gerecht verteilen zu können. Genannt werden hier die Landesmedienanstalten und die Filmförderungseinrichtungen.

Allerdings sind gerade diese Institute in der Vergangenheit nicht durch besondere Transparenz aufgefallen. Ähnlich wie beim Tauschlizenz-Modell fehlen mir konkrete Vorschläge, wie man die notwendige Dezentralität und Transparenz der Entscheidungsgremien sicherstellen kann, vor allem: wie man Entscheidungen solcher Gremien auch infrage stellen kann, ohne hinterher befürchten zu müssen, von der weiteren Mittelvergabe ausgeschlossen zu werden. Die Gefahren des Opportunismus und der Seilschaftenbildung könnten bei diesem „Rundfunk-Modell“ systemimmanent sein.

 

Modell 4: Die Content-Flatrate (Ausschuss für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments)

Die Content-Flatrate des Ausschusses für Kultur und Bildung ist eine  abgespeckte Variante der Tauschlizenz. Man presst den Deckel auf den Topf Privatkopie, weil man Angst hat, dass er überkocht.

Eine festzulegende Obergrenze für Downloadmengen, die Beachtung von Sperrfristen und die Begrenzung der Zahl der Tauschpartner erfordert m.E. aber genau das Überwachungsregime und die Strafverfolgung, die man durch das Pauschalvergütungsmodell gerade verhindern möchte. Insofern ergibt sich keine signifikante Verbesserung.

Die Content-Flatrate enthält so viele Restriktionen, dass man sie kaum noch als Flatrate bezeichnen kann. Es handelt sich mehr um ein Abo-Modell, doch leider wird die zentrale Frage der gerechten Verteilung der eingenommenen Gelder verschämt ausgeklammert. Überhaupt bleibt in diesem Modell so viel unbeantwortet, dass man es eigentlich nicht ernsthaft diskutieren kann.

 

Fazit: Wir Freischreiber halten die Durchführung von aussagekräftigen Pilotprojekten zur Ermittlung geeigneter Pauschalvergütungsmodelle für vordringlich und wünschenswert. Nur so können die vielen offenen Fragen beantwortet und die Bedenken der Urheber zerstreut werden.

Ein Kommentar zu “freischreiber für Pilotprojekte zur Urhebervergütung”

  1. […] Ilja Braun dokumentiert auf Digitale Linke ein Statement von Wolfgang Michal vom Journalistenverband freischreiber auf der Konferenz “Kreatives Schaffen in der digitalen Welt” am 7. Mai in Berlin. Sharen mit:TwitterFacebookFlattrE-MailGefällt mir:Gefällt mirSei der Erste, dem diese(r) Artikel gefällt. […]