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GlüStV: Verwirrung in Hamburg?

Eine Antwort des neuen SPD-regierten Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage (Drs. 20/223) von Kersten Artus (DIE LINKE) zu den in der geplanten Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) vorgesehenen Netzsperren – wir berichteten – sorgt für Verwirrung. Demnach habe der Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg, Olaf Scholz (SPD), den auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. April 2011 vorgestellten Eckpunkten zum GlüStV zwar zugestimmt, jener selbst jedoch enthalte in der Neufassung keine Internetsperren als Sanktionsmittel gegen künftig nicht konzessionierte Glücksspielangebote:

1. Welche Position hat der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg zum Staatsvertrag deutlich gemacht? Hat er Zustimmung signalisiert?

Der Erste Bürgermeister hat den in der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. April 2011 vorgestellten Eckpunkten zugestimmt.

2. Sind im Entwurf zum Glücksspielstaatsvertrag Internetsperren als Sanktionsmittel enthalten, wie eine jetzt im Internet bekannt gewordene Fassung des GlüStV vom Oktober 2010 zeigt?

Nein.

3. In der Fassung vom 3. Oktober 2010 wird auf eine Grundrechtseinschränkung im Rahmen von Telekommunikationsvorgängen verwiesen. Ist damit an eine anlasslose Überwachung der Inhalte des Netzverkehrs gedacht, um in Deutschland nicht konzessionierte Glücksspielangebote zu unterbinden?

Eine anlasslose Überwachung der Inhalte des Netzverkehrs ist damit nicht beabsichtigt.

Artus‘ hatte sich zwar auf eine im Internet bekannt gewordene Fassung vom 3. Oktober 2010 berufen, womit wahrscheinlich jene vom 3. Dezember 2010 gemeint war. Doch enthält, wie Jörg-Olaf Schäfers gestern auf Netzpolitik berichtete, die aktuell zwischen 15 Bundesländern abgestimmte Fassung weiterhin einen Passus zu Sperrverfügungen.

Laut Auskunft der in dieser Angelegenheit federführenden Staatskanzlei Sachsen-Anhalt sei die Entwurfsfassung vom 14. April 2011 die abgestimmt gültige, wie sie kürzlich auch der EU-Kommission zur Notifizierung (120110188DE.DOC) vorgelegt wurde. Sie gibt in § 9 Abs. 1 Nr. 5 den zuständigen Aufsichtsbehörden die Befugnis, Access-Providern die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten zu untersagen. Dort heißt es, die Glücksspielaufsicht kann:

Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Hierdurch sind Telekommunikationsvorgänge im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen.

Der Hinweis auf das verfassungsrechtliche Zitiergebot bei Grundrechtseinschränkungen könnte, worauf Ansgar Koreng auf Legal Tribune Online verweist, auch Sperrmethoden legalisieren, „die eine Kenntnisnahme von Inhaltsdaten erfordern wie beispielsweise die besonders gefürchtete „Deep Packet Inspection“ (DPI) oder auch der Einsatz so genannter transparenter Proxy-Server“ – und darin die bisherigen Anläufe zur Einführung von Netzsperren bei weitem noch übersteigen.

Was steckt also hinter den Wirrnissen aus Hamburg: Absicht und Desinformation oder Überforderung und Unkenntnis?

Ein Kommentar zu “GlüStV: Verwirrung in Hamburg?”

  1. […] Zur Begründung heißt es dort: Im Entwurf des Änderungsstaatsvertrages ist vorgesehen, Dienstanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten zu untersagen (§ 9 Satz 3 Nr. 5). Ob dies der Versuch einer Netzsperre für die Teilnahme an illegalen Glücksspielen im Internet darstellen soll, ist unklar. Auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE in der Bürgerschaft von Hamburg wurde dies von der Landesregierung (Senat) verneint. [Siehe unseren Bericht.] […]