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Kleingärtner protestieren gegen doppelte Rundfunkabgaben

Im Osten der Republik protestieren die Kleingärtner – siehe die Berichterstattung hier, hier und hier – gegen die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung. Bekanntlich beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder im Juli des vergangenen Jahres, diese von einer gerätebezogenen Gebühr in eine für alle verpflichtende Haushaltsabgabe umzuwandeln – unabhängig davon, ob ein Empfangsgerät bereitgehalten wird oder nicht. Für Kleingartenbesitzer mit Lauben hat das zur Folge, dass sie ab 2013 doppelt zur Rundfunkabgabe herangezogen werden, sofern ihre Laube eine Grundfläche von 24 qm überschreitet. Wie kam es dazu?

Zunächst berücksichtigten frühe Entwurfsversionen zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (15. RÄStV) – mit diesem wird die Rundfunkfinanzierung auf die Haushaltsabgabe umgestellt – die Problematik der Kleingärten überhaupt nicht. Sowohl in der Version vom 31.03.2010 (pdf) als auch in jener vom 17.08.2010 (pdf) wurden Lauben nicht erwähnt. In Verbindung mit dem im Übergang zur Haushaltsabgabe verwendeten Begriff der Wohnung allerdings hatte das zur Konsequenz, dass nahezu alle Kleingärtner doppelt abgabepflichtig wurden. Da sich eine Wohnungseigenschaft nach der Neuregelung unabhängig von der Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit des Bewohnens begründet, wären alle Lauben wie reguläre Wohnungen zu behandeln gewesen.

Nach Protesten der Kleingartenverbände – in ganz Deutschland existieren 1,2 Mio. Kleingärten, etwa 1 Mio. davon sind im Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. organisiert – schritten die Ministerpräsidenten ein. Sie ergänzten den Staatsvertrag in der finalen Version (pdf) um eine Ausnahmeregelung. In § 3 Abs. 1 wurde der Satz eingefügt:

Nicht als Wohnung gelten Bauten nach § 3 des Bundeskleingartengesetzes.

§ 3 Bundeskleingartengesetz (BKleingG) allerdings definiert Lauben als Bauten mit einer Grundfläche (einschließlich überdachtem Freisitz) von höchstens 24 Quadratmetern. Vor Erlass des BKleingG im Jahr 1983 bestand eine solch Normierung nicht. Folglich erließ der Gesetzgeber seinerzeit Überleitungsvorschriften. Vor Inkrafttreten des Gesetzes errichtete größere Lauben wurden in § 18 BKleingG jenen mit 24 qm Grundfläche gleichgestellt.

Nach der Wiedervereinigung verfuhr der Gesetzgeber ähnlich. Die Situation im Osten war vergleichbar jener im Westen vor 1983. In der DDR durften Lauben in der Regel bis zu einer Größe von 25 qm errichtet werden, in begründeten Ausnahmefällen – nach Familiengröße oder räumlicher Entfernung eines Kleingärtnerhaushaltes – bis zu 30 qm, ab Mitte Juli 1989 grundsätzlich sogar bis zu 40 qm (Neue Justiz 6/2005, pdf). Entsprechend berücksichtigt wurden diese größeren Lauben im Osten in eigenen Überleitungsregelungen nach § 20a Nr. 7 u. 8 BKleingG.

Warum aber erfasst der 15. RÄStV in der abschließenden Version lediglich die Bestimmungen für 24 qm-Lauben nach dem BKleingG, nicht auch die Überleitungsvorschriften für größere Lauben? Antworten auf diese Frage liegen bislang nicht vor. Klar aber ist, dass die Ministerpräsidenten nicht fahrlässig oder leichtfertig fehlerhaft handelten. Im Gegenteil, sie entschieden sich bewusst dafür, größere Lauben nicht von der Abgabenpflicht auszunehmen. Das lässt sich unzweifelhaft der Begründung (pdf) zum 15. RÄStV entnehmen. Dort heißt es in Erläuterung zu dem in § 3 Abs. 1 eingefügten Satz:

Vor diesem Hintergrund umfasst der Ausnahmetatbestand ausschließlich Bauten, die im Rahmen der Maßgaben des § 3 des Bundeskleingartengesetzes zulässig errichtet worden sind, nicht hingegen aufgrund von Überleitungsvorschriften wie etwa §§ 18, 20a Nr. 7 und 8 des Bundeskleingartengesetzes gleichgestellte oder geduldete Bauten.

Wie viele Kleingärten sind durch die Nichtberücksichtigung der Überleitungsvorschriften von der Rundfunkabgabenpflicht betroffen? Exakte Zahlenangaben liegen nicht vor. Die Bundesregierung allerdings verweist in einer Antwort (pdf) auf eine Schriftliche Frage von Kathrin Senger-Schäfer, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, auf eine vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Auftrag gegebene Studie: Städtebauliche, ökologische und soziale Bedeutung des Kleingartenwesens, Berlin/Bonn 2008 (pdf):

Danach waren auf Basis einer Befragung von insgesamt 2113 Kleingartennutzern im Jahr 2007 insgesamt 19 % (alte Länder 10 %, neue Länder 27 %) der Kleingärten mit Lauben ausgestattet, die mehr als 24 qm Grundfläche aufwiesen […].

Werden diese Angaben in einer Überschlagsrechnung auf die Anzahl der Kleingärten insgesamt bezogen, so ergibt sich eine Zahl von ca. 230.000 Lauben, die größer sind als 24 qm. Mehr als zwei Drittel dieser Kleingärten liegen in den Ost-Bundesländern. Ihre Besitzer müssen ab 2013 nicht nur 17,98 Euro Rundfunkabgabe für die eigene Wohnung bezahlen, sondern den gleichen Betrag zusätzlich noch einmal für die Laube im angemieteten Kleingarten.

Für die Kleingärtner ist das, wie einer Gegenüberstellung mit den soziodemographischen Befunden der Studie zu entnehmen ist, kein unerheblicher Betrag. Betrugen die Bewirtschaftungskosten eines Kleingartens inklusive aller individuellen Ausgaben für Pflanzen, Gartengeräte etc. bislang 412 Euro im Jahr, so stiegen diese unter Einbeziehung der Rundfunkabgabe auf 628 Euro. Wird zudem berücksichtigt, dass lediglich 33 % der Kleingärtner erwerbstätig sind, 55 % der Kleingärtnerhaushalte nur über ein Monatseinkommen von 800–1800 Euro verfügen, 10 % gar mit weniger als 800 Euro im Monat auskommen müssen, tritt die soziale Schieflage dieser Doppelbelastung noch deutlicher zu Tage.

Allerdings ist es im Übergang zur Haushaltsabgabe nicht die einzige Schieflage. Für mehr als 580.000 Personen mit Behinderungen, die bislang von Rundfunkbeiträgen befreit waren, wurde der Nachteilsausgleich gestrichen. Sie zahlen künftig einen Beitrag in Höhe eines Drittels der Abgabe. Für 2,3 Mio. Nur-Hörfunk-Teilnehmer verdreifacht sich die Gebühr. Hunderttausende von Fernpendlern, die eine zweite Wohnung mieten, um Beruf und Lebensraum besser zu verbinden, sind künftig ebenfalls gezwungen, doppelte Rundfunkabgaben zu zahlen.

Ein einfacheres und gerechteres Rundfunkfinanzierungsmodell, wie es Kurt Beck (SPD) und Stefan Mappus (CDU) im Sommer des Jahres 2010 stolz und in Stellvertretung aller Länderministerpräsidenten ankündigten, sieht anders aus.

 

Zur Berechnung: Die Studie weist 1.238.600 Kleingärten in Deutschland aus, von den 97 % auch eine Laube besitzen. Folglich gilt: 1.238.600 x 97 % x 19 % = 228.274 Lauben insgesamt sind größer als 24 qm und von doppelter Rundfunkabgabe betroffen. Unter Bezugnahme auf die dort ebenfalls ausgewiesenen etwa 600.000 in den Ost-Landesverbänden des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde organisierten Kleingärten ergibt sich: 600.000 x 97 % x 27 % = 157.140.

Ein Kommentar zu “Kleingärtner protestieren gegen doppelte Rundfunkabgaben”

  1. ulrics sagt:

    Es stellt sich doch die Frage, warum überhaupt für eine Zweiwohnung welcher Art bezahlt werden muss, genauso wieso Firmen und öffentliche Einrichtungen zahlen müssen.

    Das ist Doppelabzocke und obendrauf müssen sogar noch Steuern gezahlt werden.