DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Konferenz „Kreatives Schaffen“: Doku Urheber/Nutzer-Panel

Am 7. Mai 2012 fand in Berlin die Konferenz „Kreatives Schaffen in der digitalen Welt“ statt, veranstaltet von der GUE/NGL, der LINKEN Bundestagsfraktion, dem Chaos Computer Club, der AG DOK und der Digitalen Gesellschaft. Kern der Konferenz war die Auseinandersetzung mit vier Modellen für die Vergütung kreativer Arbeit: der Tauschlizenz, der Kulturwertmark, des AG-DOK-Modells sowie der Europäischen Contentflatrate. Wir dokumentieren hier die Paneldiskussion mit Urheberinnen und Nutzern.

 

Jan Engelmann, Wikimedia Deutschland

 

 

… betrachtet die Befriedung der Copyright-Wars als die Leitidee hinter den Pauschalvergütungssystemen. Er stellt drei Prämissen auf:
1. Die Modelle sollten freies Wissen nicht behindern, um überkommene Geschäftsmodelle zu retten
2. Vorzugswürdig sind Modelle, die wettbewerbliche Anreize beinhalten.
3. Mit neuen Modellen sollten keine Subventionstatbestände im Sinne einer gesicherten Vergütung geschaffen werden.

Bei der Tauschlizenz stellen sich Engelmann zahlreiche Fragen. Wie sollen die Gelder verteilt werden? Was geschieht mit Werken, die erst im Nachhinein erfolgreich sind? Wer entscheidet, wie vergütet wird? Als größtes Problem betrachtet er jedoch die Beschränkung auf nicht-kommerzielle Nutzungen, da er hier Probleme der definitorischen Abgrenzung etwa zu Blogs mit Werbung und gemeinnützigen Projekten mit privater Teil-Finanzierung sieht. Auch das Tauschen in sozialen Netzwerken finde in einem kommerziellen Kontext statt. Und schließlich: Sinnvoll wäre eine Tauschlizenz nur auf europäischer Ebene.

Bei der Kulturwertmark bemängelt Engelmann  eine systematische Unklarheit des Wissensallmende-Begriffs. Seiner Vorstellung von Wissensallmende entspreche es nicht, wenn Werke lediglich zur nicht-kommerziellen Nutzung freigegeben werden sollten. Im Gegenteil hält er die kommerzielle Verwertung solcher Werke ausdrücklich für sinnvoll. Die angestrebte vollständige Abschaffung der Schutzfristen hält er zudem für realpolitisch nicht umsetzbar

Bei dem Modell der Haushaltsabgabe (AG DOK) ist Engelmann vor allem die Verteilung der Mittel unklar, und er befürchtet, dass hier eine ähnliche Gemengelage der Interessen entstehen könne wie in den Gremien der Rundfunkanstalten. Zur Vermeidung von Vetternwirtschaft müsse es einen Code of Conduct geben. Er begrüßt jedoch die Idee der Werkfreigabe.

Die Europäische Content-Flatrate ist für Engelmann noch zu unklar konturiert. Auch sei die Beschränkung des legalen Dateitauschs auf 50 Freunde nur schwer zu überwachen.

 

Thomas Frickel, Filmregisseur, Filmproduzent, Vorsitzender der AG Dokumentarfilm

… spricht aus Sicht der Dokumentarfilmer und weist darauf hin, dass Filme hohe Vorinvestitionen benötigen. Ein Kinofilm koste im Schnitt 4 Millionen Euro, ein Dokumentarfilm 200-300.000 Euro. Gerade Dokumentarfilme seien keine Quotenbringer, aber dennoch ohne Förderung schwer zu finanzieren. „Ich möchte nicht, dass meine Filme nach denselben Kriterien bewertet werden, nach denen der Werbechef von McDonalds seine Werbeanzeigen schaltet“, fordert Frickel. Er räumt jedoch auch ein, dass das öffentlich-rechtliche System in dieser Hinsicht versage. Der Dokumentarfilm werde zunehmend durch Talkshows verdrängt und komme  nur noch in Nischen vor.

Das AG-DOK-Modell der Haushaltsabgabe könne hier Abhilfe schaffen, so Frickel. Die Umstellung der GEZ-Gebühren auf die Haushaltsabgabe sei eine Chance der Rückkehr zum Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Medien und somit eine Art „Lebensversicherung“ für dieses Modell. Zugleich sei es aber auch ein erster Schritt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ganz neu zu denken.

Andrea Goetzke, all2gethernow

… stellt, aus dem Musikbereich kommend, die Frage, welche Anforderungen Kollektivvergütungsmodelle erfüllen sollten, um sowohl für die Kreativschaffenden als auch für die Gesellschaft einen Fortschritt darzustellen. Um diese Frage zu beantworten, müsse man langfristig denken, so Goetzke. Die Modelle sollten für technische Änderungen gewappnet, für unterschiedliche Urheber geeigne, und für Nutzer und Kreative nicht zu komplex sein. Grundsätzlich sei es dabei sinnvoll, an eine kollektiven Rechtewahrnehmung zu denken. Würden jedoch Abgaben pro Internetanschluss erhoben, trage man den Einkommensunterschieden der Nutzer nicht hinreichend Rechnung. Möglicherweise sei daher eine steuerliche Lösung der bessere Ansatz. Sie könne sich zudem vorstellen, nicht nur die Nutzer, sondern auch die Internet-Service-Provider zur Kasse zu bitten.

Die Europäische Content-Flatrate hält Goetzke für zu kompliziert. Auch sei es unpraktikabel, die Nutzung auf eine bestimmte Teilnehmerzahl, ein bestimmtes Volumen oder einen bestimmten Zeitraum beschränken zu wollen. Weder sei dadurch das Filesharing legalisiert, noch sei den Urhebern geholfen.

Für praktikabler hält sie die Tauschlizenz. Goetzke begrüßt auch die Idee eines Pilotprojekts, bei dem verschiedene Modi der Verteilung ausprobiert werden könnten. Unklar sei allerdings, welche Werke von einem solchen Modell betroffen sein sollten. Es müsse gewährleistet sein, dass auch tatsächlich jeder kulturelle Beitrag im Netz vergütet werden könne.

Positiv an der Kulturwertmark ist aus Sicht Goetzkes, dass diese auf der Wertschätzung der Musik und der Künstler basiere. Auch funktioniere das Modell erfreulicherweise unabhängig von bestimmten Medien, Formaten und Technologien. Skeptisch ist sie jedoch im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Modells mit dem bestehenden Rechtssystem, und sie wendet auch ein, dass Künstler im Erfolgsfall nicht von zusätzlichen Vergütungen ausgeschlossen werden sollten.

Insgesamt plädiert sie dafür, die diskutierten Modelle als zusätzliche Einkommensquellen zu betrachten, nicht als GEMA-Ersatz. Es könne schließlich auch keinen Anspruch auf Alimentierung der Künstler durch die Gesellschaft geben.

Dr. Astrid Herbold, freie Autorin und Journalistin

… weist darauf hin, dass die Urheberrechtsdiskussion meist sehr musikbezogen geführt werde. Es sei problematisch, das Leitbild des Musikers und des Musikkonsumenten auf andere Branchen zu übertragen. Auch werde bisweilen zu Unrecht Stimmung gegen die Verwerter gemacht. Wenn etwa im Buchmarkt nur 10 Prozent des Buchumsatzes beim Urheber landeten, bedeute dies nicht, dass der Rest vollständig beim Verlag verbleibe. „Die Verlage sind sicher nicht die bösen Verwerter, die uns Urheber auspressen.“ Andererseits lebe die Piraterie-Diskussion zu großen Teilen von Stimmungsmache. Die Zahl der illegalen Downloads sei rückläufig, während legale Abonemment-Angebote zunehmend genutzt würden. Die Nutzer wollten nicht kostenlosen, sondern schnellen und unkomplizierten Zugang.

Der Aufbau von Plattformen sei auf dem Buchmarkt aber schwieriger als im Musikbereich, weil es nicht nur drei große Labels als Rechteinhaber, sondern hunderttausende Verlage gebe. „Das dauert und ist mühsam. Mir geht das auch nicht schnell genug. Ich hätte auch gern eine E-Book-Plattform, wo ich für gefühlt 20 Euro meine E-Books bekomme.“ Aber es gebe mittlerweile erste Angebote. Bei der Diskussion um neue Pauschalvergütungsmodelle müsse man sich also fragen, ob man diese aufkeimenden legalen Märkte zerstören wolle.

Bei der Kulturwertmark hält Herbold die Anforderung an die Interaktivität der Nutzer für zu groß. Diese wollten vermutlich nicht ständig darüber nachdenken, wem sie ihre Wertmark zuweisen wollten. Scharfe Kritik äußert sie an dem Schwellenwert, ab dem die Werke in die Public Domain eingehen sollen: „Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum ich als Urheber, der unter großen Mühen und finanziellen Einbußen ein Buch schreibt, das ein Bestseller wird, von einer Stiftung gesagt bekomme: Nach 20.000 Euro Einnahmen für Dich gehen die Rechte auf die Allgemeinheit über. Das heißt doch: Ich trage das unternehmerische Risiko, und wenn ich Erfolg habe, deckelt die Gesellschaft meine Einnahmen. Das müsste dann für alle Bereiche gelte, Software, Pharmazie und  so weiter.“

Insgesamt plädiert Herbold dafür, lieber auf private Angebote zu setzen als auf staatliche Regulierung.

Peter Klöss, Literaturübersetzer, Mitglied Honorarkommission VdÜ

… macht darauf aufmerksam, dass das durchschnittliche Einkommen eines Literaturübersetzers etwa 1000 Euro Netto im Monat betrage. 90 Prozent davon speisten sich aus einem Pauschalhonorar, etwa 10 Prozent aus Beteiligungen am Absatz sowie aus Lizenzerlösen der übersetzten Bücher. Letzteres sei im geltenden Urheberrecht mit dem Anspruch auf „angemessene Vergütung“ garantiert. „Mein Interesse als Übersetzer ist, für jedes einzelne Exemplar honoriert zu werden, auch bei E-Books“, so Klöss.“ Deswegen bin ich Flatrates gegenüber sehr skeptisch.“

Wenn von 1,5 Milliarden Euro Einnahmen aus einer Kulturflatrate etwa 10 Prozent an die 400.000 Autoren und Übersetzer in Deutschland gehe, also 150 Millionen Euro, kämen im Schnitt 400 Euro pro Kopf im Jahr heraus – zum Leben zu wenig.  „Ich sympathisiere mit allen Modellen, die mir meine Rechte als Urheber lassen, die Schutzfristen nicht verkürzen, pragmatisch an den bestehenden Modellen wie den Verwertungsgesellschaften orientiert sin, und die eingenommenen Gelder umverteilen“, so Klöss‘ Fazit.

 Wolfgang Michal, freier Journalist, Vorstand freischreiber, Berufsverband freier Journalisten

… glaubt, dass freie Journalisten Pauschalvergütungsmodelle, ihrem geringen Einkommen zum Trotz, mehrheitlich ablehnen. Sie sähen dabei ihre wirtschaftliche Freiheit gefährdet. Auch Michal selbst kann sich Pauschalvergütungen nicht als Honorarersatz vorstellen, sondern lediglich als Kompensation für Zweitverwertungen, also etwa für private Kopien bereits publizierter und bezahlter Arbeiten. Er könne sich aber auch einen Beitrag der Provider zu einer solchen Leermedienabgabe  vorstellen.

Bei der Tauschlizenz wäre nach Michals Ansicht ein Pilotprojekt der geeignete Schritt. Dringend müssten zudem die Verwertungsgesellschaften reformiert werden. Die Kulturwertmark stimmt Michal hingegen eher nachdenklich: Wozu benötige man ein solches Kunstgeld? Wer entscheide bei Konflikten? Wer sei wahrnehmungsberechtigt? Wer sitze in den Gremien? Michal befürchtet, dass auf diese Weise ein zweiter Arbeitsmarkt für „Hartz IV“-Kunst geschaffen werde, dass das Modell also vor allem für jene Künstler attraktiv sei, die aus eigener Kraft nicht auf dem Markt überleben könnten. Zudem stoße es viele Urheber vor den Kopf, indem es eine planwirtschaftliche Kulturauffassung offenbare.

Bei dem Modell der Haushaltsabgabe (AG Dok) sieht Michal vor allem die Gefahr einer mangelenden Transparenz der Gremien, und die Europäische Content-Flatrate erfordere gerade jenes Überwachungsregime, das man eigentlich verhindern wolle.

Zusammenfassend plädiert auch Michal für Politprojekte, um die offenen Fragen zu beantworten.

Falk Lüke, Digitale Gesellschaft, Initiative für eine bürgerrechts- und verbraucherfreundliche Netzpolitik

… plädiert für ein weniger komplexes, verständlicheres Urheberrecht. Zudem seien die Nutzer vom Rechtssystem in den letzen Jahren systematisch benachteiligt worden: „Wenn ich für 1500 Euro CDs kaufe, kann ich sie weiterverkaufen. Bei MP3s verbieten das häufig die Nutzungsbedingungen. Das ist ärgerlich.“

Am Modell der Haushaltsabgabe (AG Dok) stimmt Lüke vor allem die Qualitätsdebatte bedenklich: Wer solle darüber entscheiden, welche Werke finanziert würden? Was man für qualitativ wertvoll hält, hänge stets vom Betrachter ab. Skeptisch ist Lüke auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer angemessenen Vergütung: „Ich sehe nicht, wie die Pauschalvergütungsmodelle es lösen können, dass viele Künstler nicht das bekommen, was sie zu verdienen glauben.“ Dringlicher scheint ihm ein Mitspracherecht der Nutzer in den Verwertungsgesellschaften.

Meik Michalke, OpenMusicContest.org

… hält die Kulturwertmark für zu aufwändig, da eine Verkürzung der Schutzfristen einen schwerwiegenden Eingriff ins Urheberrecht darstelle, der im nationalen Alleingang nicht umzusetzen sei. Es sei zudem auch heute schon möglich, Werke unter freie Lizenzen zu stellen. Auch ein Micropayment-System lasse sich heute schon freiwillig realisieren. 

Das von der AG DOK vorgestellte Modell der Haushaltsabgabe ist aus Michalkes Sicht nur eine Teillösung und als solche nicht radikal genug. Öffentlich finanzierte Werke solle man vielmehr insgesamt „frei“ zur Verfügung stellen. Die Europäische Content-Flatrate sei widersprüchlich: Wie wolle man die Zahl der Nutzer beschränken, ohne die Nutzung zu überwachen?

Die Tauschlizenz ist für Michalke der „Testsieger“. Auch er plädiert hier für ein Pilotprojekt, um empirische Daten“ zu erheben.

 Alban Nikolai Herbst, Schriftsteller

… weist darauf hin, dass Collage und Montage zu den wichtigsten Kunsterrungenschaften des frühen 20. Jahrhunderts gezählt hätten. Diese Kunstformen seien von der derzeitigen, missbräuchlichen Anwendung des Urheberrechts bedroht. Besonders problematisch sei in diesem Zusammenhang das Verschwinden öffentlich-rechtlichen Materials in den Archiven der Rundfunkanstalten. Diese seien „ein riesiges Grab für Kunst“.

Als Autor sei er zwar grundsätzlich ein Freund des Urheberrechts, so Herbst. „Aus Kunstinteressen bin ich jedoch ein entschiedener Gegner dieses Urheberrechts. Es bedarf einer grundlegenden Reform, wenn nicht gar seiner Abschaffung.“

Wir stellen hier in absehbarer Zeit auch eine Videoaufzeichnung des Panels zur Verfügung.

3 Kommentare zu “Konferenz „Kreatives Schaffen“: Doku Urheber/Nutzer-Panel”

  1. […] Am 7. Mai 2012 diskutierten in Berlin Urheber und Nutzer vier Modelle für die Vergütung kreativer Arbeit: die Tauschlizenz, die Kulturwertmark, des AG-DOK-Modell sowie die Europäischen Contentflatrate. Eine Dokumentation der Paneldiskussion ist nun im Blog “Digitale Linke” erschienen. […]

  2. Glamypunk sagt:

    Wenn eine Flatrate nicht als GEMA-Ersatz dienen soll, dann haben wir nur ein Problem mehr geschaffen und keine gelöst.

    Ich halte viel von der Kulturwertmark und ähnlichen Modellen, aber eben nur, um Vergütungsprobleme zu lösen, die durch kostenloses illegales Downloaden und eine undurchsichtige GEMA entstehen.

  3. […] die zweitere These spricht, dass in den letzten Jahren viele Methoden entwickelt wurde: die Tauschlizenz, die Kulturwertmark, das Modell der AG Dok und die […]