DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Niemand hat die Absicht …

… die bei der Erhebung der LKW-Maut anfallenden Daten für andere Zwecke als die Abrechnung der LKW-Maut zu nutzen. So hieß es bei der Einführung der LKW-Maut. Streng zweckgebunden sollte alles sein und deshalb wurde die Zweckbindung auch in das Gesetz geschrieben. Die Beruhigungsstrategie half.

Nun meldet Spiegel Online, dass Noch-Innenminister Friedrich die Sicherheitsbehörden auf die Datensätze aus dem Mautsystem zugreifen lassen möchte. Wer Friedrich kennt, der wird wenig überrascht sein. Friedrich spricht aus, was seit Einführung der LKW-Maut immer wieder gefordert wurde.

Die Begründung für den gewünschten Zugriff ist so einfach wie bescheuert. Durch den fehlenden Zugriff auf die Datensätze aus dem Mautsystem „haben Sicherheitsbehörden auch zur Aufklärung von Kapitalverbrechen oder zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben keinen Zugriff.“

Do you remember? Diese Begründung muss immer herhalten, wenn neue Überwachungssysteme nach der Devise: „was technisch möglich ist, wollen wir auch machen“, eingesetzt werden sollen. Die Argumentation mit den Kapitalverbrechen kennen wir schon aus der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung. Angesichts der Tatsache, dass die Maut derzeit nur für LKW gilt, muss die Forderung nach Einführung einer PKW-Maut auch noch einmal unter dem Überwachsungs-Aspekt gesehen werden.

Der Grundgedanke von Friedrich und (vielleicht) auch Oppermann ist, dass mit all den schönen neuen technischen Systemen mehr Sicherheit gewährleistet werden kann. Vermutlich träumen sie immer noch von absoluter Sicherheit. Dabei müssten sie wissen, dass es diese nicht geben kann. Aber um Sicherheit zu suggerieren, opfern sie Bürgerrechte. Eine Totalüberwachung der Bevölkerung – bislang nur der LKW-Fahrer/innen – und der Generalverdacht der Begehung von Straftaten sind die Folge ihrer Überlegungen. Datenschutz interessiert nur, wenn sich über „die Amerikaner“ aufgeregt werden kann. Dabei wird vergessen, dass Geheimdienste das Problem sind und nicht einzelne Staaten.

Aber wie war das bei der Einführung der Maut? War die Entwicklung hin zu Zugriffswünschen der Sicherheitsbehörden nicht absehbar?

Die LKW-Maut wurde zum 1. Januar 2005 eingeführt. Bereits am 31.10.2003 meldete heise.de, dass Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die bei der Mauterfassung anfallenden Daten wollen. Am 26.01.2006 forderte nach einer Meldung des Tagesspiegel der damalige Generalbundesanwalt Kay Nehm den Zugriff auf die Mautdaten. Nach einer weiteren Meldung vom 04.08.2006 sprachen sich auch der seinerzeitige Innenminister Schäuble und der damalige stellvertretende Vorsitzende der GdP Witthaut für die Aufhebung der Zweckbindung der Mautdaten aus. Diese Liste könnte noch eine Weile weitergeführt werden.

Dass die LKW-Maut das Potential zur Totalüberwachung hat, darauf wies Petra Pau im Jahr 2006 hin.

Und der Gesetzgeber? Am 01.10.2001 legte die damalige rosa-grüne Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen“ (BT-Drs. 14/7013) vor. Dieser Gesetzesentwurf sah ausdrücklich vor: „Daten, die im Rahmen der Mauterhebung und der Kontrolle der Einhaltung der Mautpflicht erhoben bzw. übermittelt werden, dürfen ausschließlich für diese Zwecke genutzt werden.“

Dies wurde in § 7 Abs. 2 des Gesetzesentwurfes auch verankert. Im Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (BFStrMG) wurde dann in § 7 Abs. 2 verankert, dass folgende Daten erhoben werden:

  • Bild des Fahrzeugs,
  • Name der Person, die das Motorahrzeug führt,
  • Ort und Zeit der mautpflichtigen Benutzung mautpflichtiger Straßen,
  • Kennzeichen des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination,
  • für die Mauthöhe maßgebliche Merkmale des Fahrzeugs oder der Fahrzugkombination.

Einen Satz weiter heißt es dann: „Diese Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.“

Soweit ersichtlich hat im Hinblick auf die Einführung der LKW-Maut keine im Bundestag vertretene Partei datenschutzrechtliche Bedenken hinsichtlich eines Wunsches nach Zugriff der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden auf die Mautdaten geltend gemacht. Die Fraktion der PDS hat zwar einen Änderungsantrag gestellt (BT-Drs. 14/7846), der allerdings keinerlei Anmerkungen zum Datenschutz enthielt. In der 15. Wahlperiode (die PDS war im Bundestag nur noch mit 2 Abgeordneten vertreten) stellte die FDP eine Kleine Anfrage zum Thema Datenschutz und LKW-Maut. Die Bundesregierung verwies in ihrer Antwort (BT-Drs. 15/2127) auf die Zweckbindung der Datenerhebung.

War es naiv zu glauben, dass eine gesetzliche Verankerung, wie in § 7 Abs. 2 BFStrMG festgeschrieben, unangetastet bleiben würde? Ich denke, mindestens das war es. Denn es ist sonnenklar, mit entsprechendem politischem Druck ist es ein Leichtes, genau diesen Satz mit vorhandenen parlamentarischen Mehrheiten zu streichen, und schon ist der Zugriff auf die Maut-Daten für Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden möglich. Es ist auch nicht wirklich überraschend, dass das, was technisch möglich ist, Begehrlichkeiten weckt. Insofern wäre der Gesetzgeber von damals wohl klug beraten gewesen, ganz auf eine technische Erfassung der Daten zu verzichten. Das Prinzip der Datenvermeidung war und ist schon immer der bessere Datenschutz gewesen.

Ein Kommentar zu “Niemand hat die Absicht …”