Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele hat sich, wie tageschau.de berichtet, in Moskau mit Edward Snowden getroffen. Thema des Gesprächs war ein möglicher Untersuchungsausschuss des Bundestags zur NSA-Abhöraffäre. Ströbele schilderte Snowden demnach auch die Möglichkeiten, unter freiem Geleit nach Deutschland kommen zu können. Zuletzt hatte in diesem Zusammenhang Die Welt über ein von der Linksfraktion – richtig: von einem Abgeordneten der Fraktion – in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages berichtet, nach dem dies grundsätzlich möglich wäre.
Snowden allerdings hat bei der Zusammenkunft allem Anschein nach kein großes Interesse daran gezeigt, nach Deutschland zu reisen. Davon dürfte ihm auch dringend abzuraten sein. Erinnert sei nur an die Vorkommnisse im Rahmen der Flugreise von Boliviens Präsident Evo Morales Anfang Juli 2013. Auf dem Rückflug von Moskau nach La Paz wurde dessen Maschine unter dem von US-Behörden geäußerten Verdacht, Snowden sei an Bord, von mehreren europäischen Ländern die Überflugrechte verweigert. Zu einer Landung in Wien gezwungen, soll es dort dann mehr oder minder freiwillig zu einer Durchsuchung der Maschine gekommen sein.
Doch müsste es zu einem solchen möglicherweise für Snowden lebensbedrohlichen Ereignis erst gar nicht kommen. Stattdessen könnte ein Untersuchungsausschuss des Bundestags auch selbst nach Moskau reisen und den Zeugen vor Ort befragen. Alternativ ist ebenfalls eine Vernehmung per Videokonferenz grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Dazu jedoch müsste zuvor im Ältestenrat des Bundestags ein politisches Einvernehmen hergestellt werden und anschließend die technischen Voraussetzungen durch die Bundestagsverwaltung geschaffen werden. Beides wären Varianten, die Snowden sehr viel mehr Sicherheit böten als freies Geleit.
Davon abgesehen sonnt sich Ströbele medial in Snowdens Licht, ohne seine eigene Rolle bei der Ausweitung der Kontrollbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) unter der seinerzeit von SPD und Grünen gestellten Bundesregierung zu beleuchten. Markus Beckedahl kommentiert auf netzpolitik.org zwar zu Recht, dass es dem Grünen-Bundestagabgeordneten trotz aller offiziös vorgetragenen Widrigkeiten und im Unterschied zu Generalbundesanwalt Harald Range – Originalton des höchsten Strafverfolgers des Bundes: „Ich weiß auch nicht, ob er ohne Cash mit uns redet“ – gelang, eine Zusammenkunft mit Snowden zu vereinbaren. Doch ist der Überwachungsskandal kein rein US-amerikanischer.
Die – europäischen – Auslandsgeheimdienste Großbritanniens, Frankreichs, Schwedens und Deutschlands verfahren kaum anders. Sie sind in ihren quantitativen Kontrollphantasien und -praktiken lediglich begrenzt durch geringere Budgets. Selbst als die Zeitläufte noch günstiger schienen, wurden ihnen keine Grenzen gesetzt. In Deutschland ist dazu exemplarisch die Novellierung des G 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 – also noch vor den für weitere Gesetzesverschärfungen folgenreichen Ereignissen vom 11. September – zu nennen. Seinerzeit wurde nicht nur der vollkommen unkontrolliert erfolgenden Überwachung der Ausland-Ausland-Telekommunikation durch den BND keine Grenzen gesetzt, sondern auch eine enorme Ausweitung der Überwachung von internationalen Telekommunikationsverkehren, die von oder nach Deutschland geführt werden, ermöglicht.
Ströbeles Rolle war es damals, das nach außen hin als unproblematisch zu verkaufen. Bei Verabschiedung der Gesetzesnovelle sprach er:
Durch dieses Gesetz wird die Überwachung von Telefon und Internet nicht erheblich ausgedehnt. Die gleichen Gespräche und die gleichen Sendungen wie bisher können überwacht werden. Der Unterschied besteht allein darin, dass sie jetzt auf einem anderen technischen Weg übertragen werden, nämlich über Lichtleitungen – in Zukunft wird das fast ausschließlich so sein – und nicht mehr über Satellit. Um einen Vergleich zu ziehen: Man kontrolliert dieselben Briefe, die allerdings statt mit der Postkutsche mit dem ICE oder mit dem Flugzeug transportiert worden sind. (BT-PlPr. 14/168, S. 54 [16480])
Tatsächlich fand eine qualitative wie quantitative Ausweitung der Kontrollbefugnisse des BND auf die Überwachung von E-Mails und sämtlicher elektronischer Kommunikation statt. Qualitativ, indem nicht länger nur die nicht leitungsgebundene Kommunikation (Richtfunk und Satellit) überwacht werden konnte, sondern auch die leitungsgebundene (Glasfaser und Koaxialkabel) hinzutrat – quantitativ, indem die Überwachung in der geheimdienstlichen Praxis nicht länger auf 10 Prozent der nicht leitungsgebunden Kommunikation beschränkt blieb, sondern rechtlich auf 20 Prozent der gesamten elektronischen Kommunikation ausgedehnt wurde.
Das sollte nicht nur auf Zeitreisen berücksichtigt werden.
Ich hoffe, das sich der Snodon nicht auf so ein Abeteuer einlaesst. Er wuerde sicher eine unfall haben oder einem Herzschlag erliegen. Die Geier warten ueberall.
Gruss Otto aus Kanada