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Presse: Open Platform-Strategie als Alternative zum Leistungsschutzrecht

Die deutschen Presseverleger haben sich bekanntlich in der Imagination, mit ihren Inhalten im Digitalzeitalter zwischen Skylla und Charybdis in Seenot zu geraten, dazu entschieden, die Meerenge nicht zu durchfahren und statt dessen die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht – sprich: eine Urheberechtsverschärfung – zu erheben. In einer Situation, in der sich einerseits Zeitschrifteninhalte im Netz über Bezahlsysteme ganz offenkundig nicht unmittelbar monetarisieren lassen, andererseits monetarisierbare und nicht-monetarisierbare Zugriffe auf ihre entgeltfreien Online-Angebote via Dritte kaum zu kontrollieren sind, wird auf diese Weise eine Lösung zu Lasten Dritter in Form einer Verlegerabgabe auf den Internetzugang angestrebt.

Künftig (wir berichteten) sollen Suchmaschinenbetreiber, Social-Media-Aggregatoren, generell alle Unternehmen, die ihren Angestellten Zugang zum Internet gewähren, sowie Blogger über eine Verwertungsgesellschaft Presse Leistungsschutztantieme für die von den Verlegern aus freien Stücken kostenfrei ins Netz gestellten Angebote abführen. Dass es auch anders gehen kann und einer Sozialisierungsleistung zugunsten der Presseunternehmen nicht bedarf, zeigt nun die britische Tageszeitung The Guardian.

Nach einer Betaphase startete die Zeitung letzte Woche ihre sogenannte Open Platform auch in der kommerziellen Version (siehe Pressemitteilung vom 20.05.2010). Drittanbieter, ob kommerzieller oder nicht-kommerzieller Art, können nun über offene Schnittstellen (API) auf Nachrichtenangebote und sonstige Inhalte des Guardian seit 1999 zugreifen. Dazu kommen drei Zugriffsmodelle zum Einsatz, die – darin durchaus der Intention von Creative Commons-Lizenzen ähnelnd – Alternativen zur bestehenden Lizenzierungspraxis eröffnen.

Martin Weigert hat sich auf Netzwertig.com die drei Zugriffsmodelle näher angeschaut und die Frage, welche Anreize die Briten haben, ihre Inhalte Dritten zur Verfügung zu stellen, wie folgt beantwortet:

1. In der simpelsten Variante, für die kein vom Guardian auf Anfrage verteilter API-Schlüssel notwendig ist, lassen sich Überschriften und Meta-Daten zu Artikeln beziehen. Das bringt der Zeitung eingehende Links, die anschließend zu Werbeeinnahmen und anderweitiger, indirekter Monetarisierung führen (z.B. Print-Abo).

2. In der mittleren Variante liefert die Guardian-API komplette Inhalte, die mit Anzeigen versehen werden. Hier generiert das Blatt direkte Werbeumsätze. […]

3. Die dritte Variante bietet einen werbefreien API-Zugriff und sorgt für direkte Umsätze, da Angebote, die diese Option nutzen möchten, dafür mit dem Guardian eine geschäftliche Vereinbarung abschließen und bezahlen.

Tatsächlich spricht nichts dagegen, dass sich mit einer Open Platform-Strategie Reichweite und Vermarktungsmöglichkeiten der Online-Ausgaben von Zeitungen erheblich erhöhen liessen. Zugleich würden die Presseverleger nicht nur die kulturellen Rahmenbedingungen von Social Media im Netz endlich anerkennen, sondern auch ein konsistentes Verständnis für die eigene Rolle und Marke im Digitalzeitalter setzen. Der Kultur und Logik des Netzes jedenfalls wäre auf diesem Weg mehr entsprochen als mit einer verkappten Kulturflatrate Presse in Form eines Leistungsschutzrechtes.

Voraussetzung dazu allerdings wäre das Eingeständnis, Aufgabe und Funktion von Suchmaschinen sowie Aggregatoren in der Aufmerksamkeitsökonomie Internet anzuerkennen. Das muss keineswegs in Form einer Subordination der Presseverleger erfolgen, erforderlich ist allenfalls Verstand.

Ein Kommentar zu “Presse: Open Platform-Strategie als Alternative zum Leistungsschutzrecht”

  1. […] Paid Content-Modellen auf eine Open Platform-Strategie nach dem Vorbild des Guardian (wir berichteten) […]