DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Stadelmeiers Idee für die neue Rundfunkgebühr spült ARD und ZDF viel Geld in die Kasse und entlastet gleichzeitig die Unternehmen

Allein, wenn die Rundfunkgebühr für die 2,3 Mio. ausschließlichen Radionutzer auf 17,98 Euro steigt, macht dies 337 Mio. Euro aus. Wenn zudem alle diejenigen, die bisher keine Rundfunkgebühr zahlen, „erfasst“ werden, könnten die GEZ ein Plus von über 1,17 Mrd. Euro verbuchen. Ein Teil davon wird dazu dienen, die Unternehmen von der Rundfunkgebühr zu entlasten. Ein anderer wird mit der Werbefreiheit von ARD und ZDF gegengerechnet werden.

Derzeit werden noch zwei Rundfunkgebührenmodelle diskutiert. Bei der „Haushaltsabgabe“ müsste man zahlen, unabhängig davon, ob man überhaupt den Rundfunk nutzt. Die Gebührenpflicht würde von jeglicher Mediennutzung abgekoppelt. Jeder Haushalt müsste die Rundfunkgebühr bezahlen, unabhängig davon, ob man ein Gerät besitzt. Allerdings soll es weiterhin eine Befreiung aus sozialen Gründen geben.

Bei der „modifizierten Geräteabgabe“ soll man in Zukunft auch zahlen, wenn man nur ein Gerät besitzt, dass auch Rundfunk empfangen kann. Das kann auch ein Handy oder ein PC sein. Zudem soll die Beweislast umgekehrt werden: Man müsste nachweisen, dass man keines der Geräte besitzt, wenn man keine Rundfunkgebühr bezahlen will. Doch wie soll man nachweisen, dass man etwas nicht hat?

Einige Politiker gehen wie die Intendanten davon aus, das „eigentlich“ jeder ein Rundfunkempfangsgerät hat. Schließlich kann man mit immer mehr Geräten Rundfunk empfangen. Zudem ist die Demokratie ohne Rundfunk undenkbar und die Rundfunkgebühr damit eine Demokratieabgabe. (Niemand wäre in den 50er oder 60er Jahren auf diese Idee gekommen.) Doch geht es ihnen um die Demokratie oder wollen sie nur die „die Differenz“ aus der Zahl der  Gesamthaushalte und der Zahl der privat angemeldeten Geräte „heben“, um zusätzliche Gebührenzahler zu gewinnen? Im Jahre 2008 gab es in Deutschland laut Bundesamt für Statistik 40,1 Mio. Haushalte. Bei der Gebühreneinzugszentrale sind 32,2 Mio. „private“ Gebührenzahler registriert. (Darunter fallen auch diejenigen mit Zweitwohnsitz bzw. Garten) Wenn man nun eine Haushaltsgebühr einführen würde, hätte man 7,9 Millionen zusätzliche private Gebührenzahler. Doch stimmt es, dass jeder Rundfunk nutzt? Kann es nicht sein, dass sich diese Bürgerinnen und Bürger bewusst gegen Fernseher und Radio entschieden haben, so wie sich auch immerhin 2,3 Mio. Bürgerinnen und Bürger zwar für ein Radio, aber gegen einen Fernseher entschieden haben?

Ab 1. Januar 2013 soll die neue Gebühr eine einheitliche Höhe haben. Die Grundgebühr, die derzeit bei 5,76 Euro im Monat liegt, wird abgeschafft. So sagte Martin Stadelmaier gegenüber carta.info: „Wir streben an, dass die neue Gebühr wiederum die Höhe von 17,98 Euro haben wird.“ Diese Gebühr sollen dann alle zahlen, auch wenn sie nur einen Laptop oder auch ein Radio, aber keinen Fernseher haben. Für diese steigt dann die Rundfunkgebühr um über 200 Prozent. Und das sind nicht wenige. Zum 30.9.2009 zahlten über 2,4 Mio. Gebührenzahler nur die Grundgebühr. Darunter sind gerade einmal 102.000 Gebührenzahlerinnen und –zahlern, die nur neuartige Rundfunkempfangsgeräte nutzen.  Somit wird deutlich, dass in Zukunft vor allem diejenigen, die bisher nur Radio gehört haben, zusätzlich belastet werden. Und dies ohne dass sie eine zusätzliche Leistung nutzen. Werden die Ideen der Ministerpräsidenten so umgesetzt, steigen die Gesamteinnahmen allein bei der modifizierten Rundfunkgebühr um über 351 Mio. Euro – die Radionutzer tragen über 337 Mio. Euro bei, die Nutzer neuer Rundfunkempfangsgeräte über 14,6 Mio. Euro. .

Kommt die Haushaltsabgabe steigen die Einnahmen noch stärker. Das Statistische Bundesamt rechnet für 2010 mit über 40 Mio. Privathaushalten. Wenn wir annehmen, dass davon – wie bisher – ca. 10% befreit sind, müssen immerhin noch 36 Mio. Haushalte die Abgabe bezahlen. Zum 30.9.2009 gab es 32,2 Mio. „private“ Gebührenzahler (davon zahlten 2,4 Mio. nur die Grundgebühr), 2,9 Mio. Gebührenzahler waren befreit. So spülte man durch die Verbreitung der Basis um 3,8 Mio. Gebührenzahler fast 820 Mio. Euro zusätzlich ins System. Da zudem die bisherigen Grundgebührzahler auch die volle Gebühr zahlen würden, hätte man so auf einen Schlag  über 1.171  Mio. Euro „gewonnen“. Nun, ARD, ZDF und Deutschlandradio würden sicher nur zum Teil davon profitieren, da ein Teil der Summe dazu genutzt wird, die Unternehmen zu entlasten. Derzeit gibt es über 7 Mio. „nicht-private“ Gebührenzahler. Einen anderen Teil werden die Ministerpräsidenten dazu nutzen, die behaupteten Mindereinnahmen durch die Werbefreiheit (bisher wird nicht berücksichtigt, dass das Werberahmenprogramm teuer ist und bei Werbefreiheit nicht nur anders, sondern auch preiswerter sein könnte) zu kompensieren.

Nur um die Unternehmen zu entlasten und um ein mit 7,5 Mrd. Euro subventioniertes Programm auch werbefrei zu erhalten: dafür sollen dann alle Haushalte voll – also mehr –  zahlen? Dafür sollen dann die 2,3 Mio. mehr als dreimal soviel zahlen, die bisher nur das Radio nutzen und keinen Fernseher wie auch keinen Live-Stream wollen? Dafür sollen dann auch all diejenigen, die sich bisher bewusst gegen Radio und Fernsehen entschieden haben?

Wenn immer mehr Geräte es auch ermöglichen, Rundfunk zu empfangen, dann hat man ja gar keine Möglichkeit mehr, der Gebührenpflicht zu entgehen. Damit wird die Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren nicht eingeschränkt, jedoch in eine bestimmte Richtung gelenkt. Ja, welchen politischen Sinn macht es, Geräte und Medien, die erklärtermaßen “hauptsächlich einem anderen Zweck” als der Rundfunknutzung dienen, voll abgabenpflichtig zu machen? Doch nur den, die Nutzer zuallererst den öffentlich-rechtlichen Angebote „zuzuführen“ bzw. ihn von anderen Angeboten abzuhalten. Ja, manche werden angesichts der Grundgebühren für das Handy, den Kabelfernsehanschluss und die Rundfunkgebühr kaum noch Geld für weitere  – zu bezahlende – Angebote haben. Indem man den Rundfunk zur Grundlage der Demokratie erklärt und gleichzeitig alle Bürgerinnen und Bürger faktisch als Rundfunknutzer definiert, umgeht man die Gefahr, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger nachweisen können, dass sie die etablierten Rundfunksender Deutschlands nicht mehr nutzen und somit auch keine Rundfunkgebühr bezahlen müssten.

Allerdings steht dann die Frage, wenn eine solche einheitliche, nutzungsunabhängige Medienabgabe eingeführt wird, warum dann daraus nicht auch Zeitungen sowie Online- und mobile Angebote Dritter mit aus der Gebühr finanziert werden?

Anscheinend ist dies ein weiterer großer Schritt, ARD und ZDF mehr Geld zukommen zu lassen. Niemand wäre in den 50er und 60er Jahren auf die Idee gekommen, von allen Bürgerinnen und Bürgern die volle Rundfunkgebühr zu verlangen, nur weil sie beim Nachbarn mit schauten. Damals hatten die Sender ja auch noch keine Finanzprobleme. Dadurch, dass es immer mehr Haushalte gab, die sich Radio oder Fernsehen anschafften, gab es auch immer mehr Gebührenzahler. Die Einnahmen stiegen ständig. Diese Zeiten sind vorbei. Somit gibt es heute nur zwei Möglichkeiten, die Einnahmen zu erhöhen. Entweder wird die Rundfunkgebühr erhöht oder die Einnahmebasis wird noch einmal kräftig erweitert. Die Einnahmebasis kann man jedoch nur letztmalig verbreitern. So gewinnt man etwas Zeit, verschärft jedoch die Diskussion um die Legitimation von ARD und ZDF. Ja, man bringt Millionen Bürgerinnen und Bürger sogar gegen ARD und ZDF auf. Und somit stellt sich verschärft die Frage, warum es nicht möglich sein soll, dass ARD und ZDF den Bürgerinnen und Bürger nicht für weniger Gebühren mehr bieten können? Warum muss insbesondere die ARD ihre Strukturen in die Zukunft fortschreiben? Warum reichen die Einnahmen nicht aus, ein guten, innovatives öffentlich-rechtliches Programm zu machen? Hat dies nicht seine Ursachen in den Sendern? Doch wenn dem so ist, dann helfen höhere Einnahmen auch nicht weiter.

Carta.info weist darauf hin, dass nach einer Einigung der Ministerpräsidenten „alle 16 Landtage über die Änderungen abstimmen. Aufgrund der bunten Koalitionen in den Ländern müssen damit alle im Bundestag vertretenen Parteien auch der neuen Gebühr zustimmen.“

Das Rundfunkänderuingsstaatsverträge einstimmig verabschiedet werden, ist eine Änderung des Rundfunkgebührenmodells also nicht ohne Zustimmung durch die LINKE möglich.

5 Kommentare zu “Stadelmeiers Idee für die neue Rundfunkgebühr spült ARD und ZDF viel Geld in die Kasse und entlastet gleichzeitig die Unternehmen”

  1. Igel-Blog sagt:

    Der Fabeldichter Martin Stadelmaier…

    Die Meldung über eine Aufstockung der PC-Gebühr um 200% hat für reichlich Wirbel gesorgt. Nun fühlt sich der rheinland-pfälzische Staatssekretär Martin Stadelmaier, dessen Äußerungen zur Meldung geführt hatten, bemüßigt, per Pressemitteilung die Woge…

  2. Knitterbart sagt:

    Unter den genannten rund 2.3 Millionen Radiohörern dürften sich viele Selbstständige und Kleinstgewerbetreibende befinden, welche für ihr Autoradio zahlen müssen.
    Warum ein Selbstständiger oder Kleinstgewerbetreibender überhaupt mehrfach zahlen muss, wäre übrigens auch eine Frage der Gerechtigkeit. Befreiungen sind nicht vorgesehen. Dabei waren im Jahr 2008 waren immerhin rund 100.000 Selbstständige ohne Krankenversicherung und dies gewiss nicht aus Leichtfertigkeit. Wir haben eine dramatische Zunahme an Firmeninsolvenzen. Viele Menschen versuchen sich durch Selbstständigkeit aus der Arbeitslosigkeit zu lösen und werden dann mit solchen widersinnigen Gebühren belastet bis ihnen die Luft aus geht. Der Sinn eines Solidarsystems wird auf den Kopf gestellt, wenn gerade die Schwächeren gleich mehrfach herangezogen werden.

  3. Heiko Hilker sagt:

    Zum 30. 9. 2009 ist ausgewiesen, dass es von den privaten Gebührenzahlern 2,42 Mio. nur die Hörfunkgebühr bezahlten. Die GEZ gab in ihrem Jahresbericht (S.39) an, dass es im Jahre 2008 für 32,6 Mio. Gebührenzahler die volle Fernsehgebühr entrichteten, 38,8 Mio. Gebührenzahler entrichteten die volle Radiogebühr. Werden allein alle Radiogebührenzahler in Zukunft mit der vollen Fernsehgebühr herangezogen, würden die GEZ über 900 Mio. Euro zusätzlich einnehmen.

  4. Altlinker sagt:

    Ja und?

    Wie entscheidet die Partei dazu letztendlich, würde mich wirklich interessieren. Problematisieren hilft nix, nur verändern. Wie sagte weiland uns Kalle in der 11. These über Feuerbach (MEW, Band 3, S. 535): „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an …“, ja auf was wohl? Auf Schöngerede können wir gerne verzichten.

    Ein Altlinker

  5. Heiko Hilker sagt:

    Das hat auch CARTA die LINKE und die anderen Parteien gefragt. Meine Antworten sind hier http://carta.info/20077/gebuehrenreform-was-sagen-die-parteien/ nachzulesen.