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Und täglich grüßt das Murmeltier: iPad, Paid Content, Leistungsschutzrecht

Mathias Döpfners Begeisterung für das iPad ist bekannt. „Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet“, verkündete der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG im April des Jahres. Auch Wolfgang Fürstner, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), erkennt in mobilen Endgeräten der neueren Generation das Potenzial für eine heraufziehende Zukunft von Paid Content-Modellen im digitalen Journalismus. Doch teilt er die Euphorie Döpfners für Apples jüngstes Technologie-Gadget nicht. Er erblickt im iPad „mehr als einen Pferdefuß“ und plädiert stattdessen für „Alternativen mit offener Systemarchitektur“.

Fürstners Beitrag trägt die Überschrift „Chancen nutzen“ und findet sich in der aktuellen Ausgabe des Magazins der Zeitschriftenverleger Print & More (2/2010). Seine dort gestellte Diagnose lautet: In den vergangenen 15 Jahren haben die Bemühungen zur Etablierung von Bezahlmodellen „viel Rauch und wenig Feuer“ entfacht, die Zeitschriftenverleger wurden von dem Gefühl beschlichen, dass sich die „Diskussionen im Kreis drehten – täglich grüßte das Murmeltier“, nun aber bieten sich mit der neuen Geräteklasse der Tablets neue Chancen. Um diese Möglichkeiten zu nutzen allerdings, dürfen sich die Verlage mit der Monetarisierung ihrer Inhalte nicht einseitig in die Abhängigkeit des Monopolisten Apple begeben. Als Nachteile des mit dem iPad verbundenen Geschäftsmodells werden benannt:

> Apple behält die Hoheit über den direkten Kundenkontakt.

> Die Verlage geben die Produkthoheit an Apple ab und laufen so Gefahr, dass Inhalte zensiert werden.

> Die Apple-Welt ist ein geschlossenes System, es gibt keine Kompatibilität mit anderen Software- und Hardware-Umgebungen.

> Das iPad besitzt einen integrierten Internetzugang, die Apps der Verlage konkurrieren auf dem iPad also mit den Gratisinhalten im Web.

> Der derzeit hohe Preis des iPad ist ein Hindernis im Massenmarkt – aufwendige Multimedia-Magazine rechnen sich aber erst bei hoher Reichweite.

Fürstners Bedenken sind keineswegs unbegründet. Doch weshalb ausgerechnet mobile Endgeräte mit offener Systemarchitektur in Alternative zum iPad keinen integrierten Internetzugang zu den aus Verlegersicht maledeiten Gratisinhalten im Web bieten sollten, bleibt dieser Logik zufolge vollkommen schleierhaft. Offene Architekturen schließlich sichern nichts anderes als Interoperabilität, Portabilität und Erweiterbarkeit durch offene Schnittstellen und Spezifikationen in der prinzipiell offenen Betriebsumgebung Internet. Und das mobile Internet setzt nun einmal auf dem stationären auf, es ist dessen Fortführung auf Basis der Nutzung mobiler Endgeräte.

Komplementär zur dargebrachten Marktlogik der Zeitschriftenverleger steht daher ein fehlendes Verbindungsglied. Paid Content-Modelle – ob auf geschlossenen oder offenen Architekturen basierend – erweisen sich solange als unsinnig, wie die Verleger aus freien Stücken ihre Inhalte selbst kostenfrei ins Netz stellen. Mehr noch: Das gleichzeitig geforderte Leistungsschutzrecht für die Presse steht einer erfolgversprechenden Implementierung von Bezahlmodellen geradezu diametral entgegen. Weder gewerbliche noch nicht-gewerbliche Nutzer würden veranlaßt, künftig für Zeitungs- und Zeitschrifteninhalte im Netz via mobile Endgeräte unmittelbar zu zahlen. Erstere nicht, weil sie grundsätzlich gezwungen wären, Leistungsschutztantieme für kostenfrei ins Netz gestellte Inhalte zu zahlen – letztere nicht, weil für sie kostenfrei ins Netz gestellte Inhalte weiterhin kostenfrei blieben.

So bleibt zu konstatieren: Die Zeitschriftenverleger sitzen trotz neuer Chancen weiterhin in einer Zeitschleife fest. In ihrem Ringen mit den Herausforderungen der Digitalisierung durchleben sie wieder und wieder denselben Tag. Täglich wird sie auch künftig das Murmeltier grüßen. Welche Erklärung für solcherart irrationales Verhalten bietet sich an?

Möglicherweise folgende: Die fehlende Konsistenz in der Digitalstrategie der Verleger ist keine Frage von Räsonnement und Logik, sondern schlicht die Resultante eines anarchisch unverhohlenen Profitstrebens, das sich als kumuliertes Einzelinteresse fröhlich in den Verbandsstrukturen Bahn bricht.

Man darf gespannt sein, ob und wann erste Verleger in Deutschland diesem dilatorischen Spiel zu entfliehen suchen und in Alternative zum Leistungsschutzrecht sowie unausgegorenen Paid Content-Modellen auf eine Open Platform-Strategie nach dem Vorbild des Guardian (wir berichteten) umschwenken.

Ein Kommentar zu “Und täglich grüßt das Murmeltier: iPad, Paid Content, Leistungsschutzrecht”

  1. […] Döpfners Begeisterung für das iPad war hier bereits Thema. Nun wird er in einer Rede auf der Kölner Marketing- und Media-Konferenz dmexco mit […]