DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

„Ursula von der Leyen“ der LINKEN?

Peter Mühlbauer, Autor, verstieg sich unter der Überschrift „Kandidatin des Neofeudalismus“ anhand eines einzigen Zitats zur These, Luc Jochimsen sei eine Befürworterin restriktiven Vorgehens gegen Urheberrechtsverletzer, sie sei die „von der Leyen der Linkspartei“. Obwohl LeserInnenkommentare zeigen, dass dieses Manöver von der Zielgruppe nicht mitvollzogen wird, wollen wir doch argumentativ auf diese Vorwürfe eingehen.

Es ist nicht richtig, dass DIE LINKE sich gegen eine Bagatellklausel bei Urheberrechtsverletzungen gewandt hat. Richtig ist hingegen, dass DIE LINKE. die Bagatellklausel gefordert hat. Im Entschließungsantrag der LINKEN zur Urheberrechtsnovelle 2. Korb, federführend ausgearbeitet u.a. von Luc Jochimsen, heißt es:

 Die „Schulhöfe“ dürfen nicht kriminalisiert werden. In derartigen Fällen ist regelmäßig von einer geringen Schuld auszugehen; eine Strafe ist nicht gerechtfertigt. Um mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen, bedarf es einer allgemeinen gesetzlichen Regelung anstatt der Einstellung im Ermessen der Staatsanwaltschaft im Einzelfall. Ein Strafausschließungsgrund für Urheberrechtsverletzungen im Bagatellbereich ist zur Lösung dieses Problems angemessen. […] Die Strafbarkeit nach dem geltenden § 106 UrhG muss für den Fall, dass die Vervielfältigung nur in geringer Zahl und ausschließlich zum privaten Gebrauch erfolgt, ausgeschlossen werden.

Sie hat ihre anfangs geäußerte Position also im Verlauf der Debatte geändert, das sollte jedem und jeder zugestanden werden. Insgesamt hat sich Luc Jochimsen als Kulturpolitikerin immer dafür eingesetzt, NutzerInnen auf der einen und Kreative auf der anderen Seite zu stärken und Monopole in der Kultur- und Wissensproduktion einzugrenzen. Es ist daher absurd, ihr eine Parteinahme für die Industrie zu unterstellen. In der Rede zur Lesung des Regierungsentwurfs zum „zweiten Korb“ der Urheberrechtsnovelle sagte sie:

Mit diesen Regelungen (des Regierungsentwurfs – T.S.) wird unserer Auffassung nach ein “Systemwechsel” im Urheberrecht eingeleitet. Das Urheberrecht, das das Recht der Kreativen schützen soll, wird immer stärker den wirtschaftlichen Interessen der Kulturindustrie angepasst. Der Schutzgedanke des Urheberrechts wird aufgegeben und die Lösung des Interessenkonflikts zwischen Urhebern, Verwertern und Verbrauchern dem freien Spiel des Marktes überlassen. Dass die ökonomisch Schwächeren, die Kreativen, dabei verlieren müssen, liegt auf der Hand.

Deutlich wird diese Haltung auch in ihrem Offenen Brief an die InitiatorInnen des Heidelberger Appells. Darin schreibt Frau Jochimsen:

Uns verwundert, dass der „Heidelberger Appell“ die Interessen von Urhebern und Verwertern deckungsgleich sieht. Die Erfahrungen von kreativ Tätigen mit Total-buyout-Verträgen, mit hohen Druckkostenzuschüssen der Kreativen an Verlage und nicht zuletzt mit heftigen Auseinandersetzungen um das Urhebervertragsrecht widersprechen dieser pauschalen Annahme. Wir sehen Sinn und Zweck der Verwerter in einer Dienstleistungsfunktion gegenüber Kreativen und gegenüber Nutzern. Prinzipiell ist nur diese Leistung durch die Nutzer zu honorieren, nicht jedoch ein Extraprofit auf Grund von Monopolrechten. Wenn nun in Folge technologischen Fortschritts Funktionen dieser Dienstleister durch Nutzer und Kreative übernommen werden könnten, dann ergeben sich direktere Kommunikationswege zwischen beiden Gruppen. Aus unserer Sicht sollte dieser Fortschritt unter Beachtung des Schutzes und der Absicherung der Urheber politisch und rechtlich neu gestaltet werden. Zudem müsste dieser technologisch vorangetriebene Strukturwandel in Wissenschaft sowie Wissens- und Kulturwirtschaft sozial und kulturell begleitet werden. Der Schutz von Kreativen, sozial wie individualrechtlich, ist uns dabei ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Wissens- und Kulturwirtschaft.

Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat auf ihrer Webseite ihre Position zum Urheberrecht in der digitalen Welt veröffentlicht. Vom unterstellten Gleichklang mit der selbst ernannten „Partei des Geistigen Eigentums“ FDP, wie der Vorwurf von Peter Mühlbauer lautet, kann keine Rede sein:

In Deutschland ist die private Vervielfältigung zwar grundsätzlich erlaubt, kann aber derzeit nicht umfassend gegen technische Schutzmaßnahmen durchgesetzt werden. Durch die Anwendung und Ausweitung technischer Schutzmaßnahmen läuft so die sogenannte Privatkopieschranke weitgehend leer. Inhalte werden dementsprechend monopolisiert. Ebenso stellt sich das Problem der Kriminalisierung weiter Teile der Bevölkerung. Strafbar ist unter anderem die private Kopie unter Verwendung einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Vorlage. Im digitalen und vernetzten Umfeld begehen zunehmend auch private Endnutzerinnen und -nutzer Urheberrechtsverletzungen, und das oft unbewusst. Diese Grenzüberschreitungen auch dann zu kriminalisieren, wenn sie sich im Bagatellbereich bewegen und nur privaten Zwecken dienen, ist der Akzeptanz des Urheberrechts abträglich.

Die Vorwürfe gegen Jochimsen und die Kulturreferentin Annette Mühlberg sind nicht neu. Bereits 2007 waren sie wortwörtlich in einem Artikel von Peter Mühlbauer erhoben worden. Schon damals hatte der Text eher den Kampagnencharakter von Bild und Co.

Schade, wo doch andere Artikel zeigen, dass Herr Mühlbauer sein Handwerk beherrscht. Wäre es dem Autoren um Aufklärung in der Sache gegangen, hätte ein Beitrag zum anstehenden „dritten Korb“ der Urheberrechtsnovelle und dem notwendigen Ausgleich von NutzerInneninteressen und (Über-)lebenmöglichkeiten von Kreativen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen sicher wertvolle Hinweise geben können. Stattdessen wurden per copy & paste nur alte Vorwürfe aufgewärmt, um Stimmung zu machen.

Ein Kommentar zu “„Ursula von der Leyen“ der LINKEN?”

  1. […] verstieg er sich zu steilen Thesen über das Verhältnis Jochimsens zum Urheberrecht (wir berichteten). Heute legt er am selben Ort mit noch steileren Thesen unter dem Titel „Riskiert die […]