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Zugangserschwerungsgesetz: Wie geht’s weiter?

Das Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz – ZugErschwG) soll bekanntermaßen ausgesetzt werden. So weit, so gut. Bei näherem Hinsehen jedoch treten Fragen hervor, die es in sich haben.

Bislang völlig ungeklärt ist insbesondere die verfahrensrechtliche Seite. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP (wir berichteten) steht dazu nichts. Die Presse kolportiert, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wollten den Vollzug des Gesetzes beim Bundeskriminalamt (BKA) per Erlass aussetzen.

Juristisch einwandfrei scheint das nicht, grenzte es doch an Rechtsbeugung, ein von Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetz nicht anzuwenden. Auch wäre es auf diese Weise Netzbetreibern und Seitenanbietern verwehrt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Sie können das nur – worauf die Wirtschaftswoche hinweist –, wenn sie betroffen sind. Bei einer einjährigen Nichtanwendung mit anschließend möglicher Inkraftsetzung wären sie das nicht.

Hinzu kommt, dass ein Gesetz, das zwar beschlossen wurde, vom Bundespräsidenten bislang aber noch nicht unterzeichnet wurde, formalrechtlich nicht existent ist. Doch ist wohl kaum anzunehmen, dass sich Horst Köhler in seiner zweiten Amtsperiode zum Büttel der Bundesregierung machen ließe, indem er seinen Prüfauftrag ein Jahr lang hinzöge. Darauf deutet schon der – letztes Wochenende via Spiegel Online bekannt gewordene – Umstand, dass er von der Bundesregierung „ergänzende Informationen“ zum Vorgang erbeten hat.

Bislang völlig ungeklärt ist darüber hinaus, wie nach dem Koalitionsvertrag der zuvor verschmähte Grundsatz schnellstmöglich zu löschen statt zu sperren praktisch umgesetzt werden soll. Werden den Polizeibehörden und den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft zusätzliche Personal- und Sachmittel für die ihnen zugedachten Aufgaben bereitgestellt? In welcher Form wird das BKA deutsche und ausländische Server-Betreiber kontaktieren, um im Falle von kinderpornographischen Angeboten ein schnellstmögliches Löschen zu erreichen? Von wem und in welcher Ressortzuständigkeit wird die Evaluierung der getroffenen Maßnahmen in Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit nach der einjährigen Aussetzungsphase vorgenommen? Auf welcher Datenbasis und anhand welcher Evaluationskriterien – insbesondere in Hinsicht auf die Ausgangslage – soll die Evaluierung erfolgen?

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat aus diesen Gründen eine Kleine Anfrage „Aussetzung bzw. Nichtanwendung des Zugangserschwerungsgesetzes“ an die Bundesregierung gestellt. Sie wurde am Mittwoch der Bundestagsverwaltung überstellt und damit in das parlamentarische Verfahren eingespeist. (Hier nachzulesen in einer Vorabversion.)

Inwieweit die Bundesregierung unsere Fragen beantwortet, wird sich erweisen. Aufklärung darüber werden wir an dieser Stelle geben, sobald die Antworten vorliegen.

4 Kommentare zu “Zugangserschwerungsgesetz: Wie geht’s weiter?”

  1. […] auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE zum Zugangserschwerungsgesetz (wir berichteten) liegen vor. Sie sind überaus nichtssagend. In sieben von vierzehn Fällen heißt es lapidar: […]

  2. […] ist unabhängig von der konkreten Entscheidung des Bundespräsidenten. (Siehe dazu auch hier.) Handelt es sich also um eine Nachlässigkeit der Justizministerin in der Formulierung oder plant […]

  3. […] dass der jetzt zurückgetretene Bundespräsident zunächst wochenlang nicht unterschrieb (wir berichteten) und dessen Fortexistenz immer noch ungeklärt ist? Sieht so „Verfassungsfestigkeit“ […]

  4. […] dem Zugangserschwerungsgesetz 2009, dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger 2013 ist es 2017 das NetzDG, das nicht von […]