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Börsenverein: LINKE soll sich bei Libri.de für Gesetzentwurf entschuldigen

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, also die Lobby-Organisation der Buchverleger, hat sich mit einem Beschwerdebrief an Jens Petermann gewandt, den rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Er stört sich an einem Gesetzesvorschlag mit dem etwas sperrigen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung der privaten Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare“. DIE LINKE möchte gesetzlich klarstellen, dass der private Weiterverkauf von Mediendateien, also etwa von e-Books, .mp3-Dateien oder digitalen Filmdownloads, grundsätzlich erlaubt ist. Der Gesetzentwurf steht am Donnerstag, den 7. März für die erste Lesung im Bundestag auf der Tagesordnung, allerdings ohne Debatte. Online-Händler sollen Verbrauchern diese Freiheit nicht mehr wegnehmen dürfen, indem sie entsprechende Verbote in ihre „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ hineinschreiben.

Das schmeckt dem Börsenverein nicht, und er fragt, „wie innovative Geschäftsmodelle für das Internet entwickelt werden sollen, wenn die hierfür notwendige rechtliche Basis entzogen wird“. Denn das Geschäft der E-Book-Plattformen hätte sich schnell erledigt, wenn die angebotenen E-Books „in gleicher Qualität rasend schnell einer unüberschaubar großen Menge von Verbrauchern kostenlos privat oder billiger auf dem parallel existierenden privaten ‚Gebrauchtwarenmarkt‘ zugänglich“ seien. Auch verlangt das von der Leiterin des Berliner Büros unterzeichnete Schreiben von der LINKEN eine „wahrnehmbare Klarstellung der Behauptungen über die Vertragspraxis von Libri.de“.

Tatsächlich werden in der Begründung des Gesetzentwurfs die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Libri zitiert, in denen es unter anderem heißt: „Libri.de verschafft dem Kunden an eBooks und Audiodateien kein Eigentum. Der Kunde erwirbt ein einfaches, nicht übertragbares vor vollständiger Zahlung der Lizenzgebühr widerrufliches Recht zur Nutzung des angebotenen Titels für den persönlichen Gebrauch.“

Ein Buchhändler, der seinem Kunden kein Eigentum verschafft? Was verkauft der denn dann? Ein Nutzungsrecht? Das braucht man überhaupt nicht, denn Bücher zu lesen, Filme zu sehen oder Musik zu hören, hat mit Urheberrecht nichts zu tun. Wie der Jurist Gerhard Schricker in seinem Urheberrechtskommentar schreibt: „Die Benutzung durch den Endverbraucher wird als solche […] von den Verwertungsrechten grundsätzlich nicht erfasst“. Fürs Lesen, Filmegucken oder Musikhören braucht man also keine Genehmigung. Allenfalls die Erlaubnis zum Kopieren müsste man einholen, aber auch nur dann, wenn es nicht von der Privatkopieregelung abgedeckt ist.

Das sieht der Börsenverein anders. Es handele sich nicht „um einen Kauf im üblichen Sinne, sondern um eine Lizenzierung im Sinne des Urheberrechts“. Deshalb sei der „Erschöpfungsgrundsatz“ nicht anwendbar, also dürfe auch kein Weiterverkauf stattfinden. Besonders gründlich hat man beim Börsenverein den Gesetzentwurf offenbar nicht gelesen. Sonst hätte man festgestellt, dass die vorgeschlagene Regelung die Rechte des Urhebers überhaupt nicht berührt. Weder das „Verbreitungsrecht“ (das Recht, körperliche Vervielfältigungsstücke auf den Markt zu bringen), noch das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“ (das Recht, eine Datei zum Download anzubieten) wäre betroffen. Es geht lediglich um die Festschreibung einer allgemeinen Erlaubnis, rechtmäßig erworbene Güter gebraucht weiterzuverkaufen. Anders als der Börsenverein glaubt, ginge damit auch keineswegs die Erlaubnis einher, „Privatkopien“ in unbegrenzter Anzahl zu verkaufen. Im Gegenteil müsste der Verkäufer die betreffende Datei auf dem eigenen PC unverzüglich löschen. Aber offenbar möchte der Börsenverein grundsätzlich keinen Gebrauchtmarkt für Bücher.

Das Schreiben des Börsenvereins können wir an dieser Stelle nicht ohne dessen Erlaubnis veröffentlichen. Wir dokumentieren hier aber die gemeinsame Antwort der MdB Jens Petermann, Petra Sitte und Halina Wawzyniak.

Berlin, 27.02.2012

Ihr Schreiben vom 6. Februar 2012 zu unserem Gesetzentwurf

 Sehr geehrte Frau Reuß,

vielen Dank für Ihr Schreiben zu unserem Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung der privaten Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare.

Ihre Kritik können wir leider nicht ganz nachvollziehen. Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 1989 einen ähnlichen Sachverhalt entschieden. Gegenstand des Urteils vom 18.10.1989 (VIII ZR 325/88) war zwar kein Download, sondern ein vergleichbarer Verkauf eines Datenträgers. Ausdrücklich heißt es: „immerhin verschafft auch hier der Verkäufer dem Käufer den Besitz an der in einem Datenträger, nämlich der Festplatte eines Computers, verkörperten Programmkopie“. Und: „Jedenfalls rechtfertigt diese nur auf den fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten beruhende unmittelbare Installierung der gekauften Standard-Software im Computer des Käufers als Endanwender bei gleichem wirtschaftlichen Endzweck des Geschäfts die entsprechende Anwendung der Vorschriften jenes Gesetzes“. Damit behandelt der BGH solche Rechtsgeschäfte als Kaufverträge.

Auch das von Ihnen angeführte BGH-Urteil I ZR 178/08 untersagt durchaus nicht den Weiterverkauf unkörperlicher Werkexemplare. Vielmehr stellt der BGH in diesem Urteil ausdrücklich fest: „Soweit die von der Beklagten in Verkehr gebrachte DVD-Rom ein urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm verkörpert, stehen der Weiterveräußerung dieses Programms urheberrechtliche Befugnisse der Beklagten nicht entgegen“. Das Gericht hatte in diesem Fall lediglich über die Frage zu entscheiden, ob die Nutzbarkeit des Programms an ein Online-Konto gekoppelt werden darf, welches nicht übertragen werden kann. Sicher ist Ihnen auch bekannt, dass der BGH sich im Fall used soft mit Rückfragen an den Europäischen Gerichtshof gewandt hat.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für sehr problematisch, dass Anbieter Verträge, mit denen unkörperliche Werkexemplare verkauft werden, nicht als Kaufverträge, sondern als Lizenzverträge ausgestalten. Letzteres ist als sachliche Feststellung im Übrigen kaum zu bestreiten. Wir haben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters Libri zitiert: „Libri.de verschafft dem Kunden an eBooks und Audiodateien kein Eigentum. Der Kunde erwirbt ein einfaches, nicht übertragbares, vor vollständiger Zahlung der Lizenzgebühr widerrufliches Recht zur Nutzung des angebotenen Titel für den persönlichen Gebrauch.“

Sie schreiben, wir hätten den Eindruck erweckt, dass sich Online-Händler und namentlich Libri.de „einer unlauteren Vertragspraxis bedienten und ihren Kunden angeblich mit dem Download erworbene Verwertungsrechte vorenthielten“. Dies sei „in der Sache falsch und in höchstem Maße unredlich“.

Doch ganz im Gegenteil haben wir in der Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Verwertungsrechte des Urhebers durch unseren Gesetzentwurf in keiner Weise tangiert sind. Weder das Recht der Verbreitung, auf das allein der Erschöpfungsgrundsatz zu beziehen ist, noch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung wären von der Einführung einer ausdrücklichen, unabdingbaren Weiterveräußerungsbefugnis für unkörperliche Werkexemplare berührt. Wir schlagen vor, dass Verbraucher ein unabdingbares Recht erhalten sollen, Werkexemplare, die sie legal gekauft haben, weiterzuverkaufen – unabhängig davon auf welchem Wege sie in den Besitz dieser Exemplare gelangt sind. Weder das Recht ein Buch zu drucken und erstmalig in Verkehr zu bringen, noch das Recht ein Buch online zugänglich zu machen, sind davon berührt. Wir stellen lediglich klar, dass Waren als gebraucht weiterverkauft werden dürfen, auch wenn es sich um unkörperliche Waren handelt.

Anders als Sie unterstellen, führt die Umsetzung unseres Vorschlags auch keineswegs dazu, dass „heruntergeladene E-Books, Hörbücher etc. vom Endverbraucher beliebig kopiert, weitergegeben und sogar weiterverkauft werden“ dürften, wodurch diese Dateien „rasend schnell einer unüberschaubar großen Menge von Verbrauchern kostenlos privat oder billiger auf dem parallel existierenden ‚Gebrauchtwarenmarkt‘ zur Verfügung stünden“. Vielmehr ist das private Kopieren nach wie vor nur im Rahmen der dafür bereits bestehenden Schranken möglich. Die Herstellung von „Privatkopien“ für den Weiterverkauf ist schon auf Grund des Widerspruchs zur Definition von „Privatkopie“ nicht legal. Auch eine Vermehrung der in Verkehr gebrachten Exemplare ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Vielmehr sieht unser Entwurf vor, dass der Verkäufer keine Kopie der einmal weiterverkauften Datei bei sich zurückbehalten darf.

Uns geht es darum, einen Gebrauchtgütermarkt für E-Books, Musik und Filme zu ermöglichen. Sie fragen, wie vor diesem Hintergrund „innovative Geschäftsmodelle für das Internet entwickelt werden sollen“. Gern würden wir zurückfragen, welche innovativen Geschäftsmodelle für das Internet die Verlagsbranche in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat, in denen es einen solchen Gebrauchtgütermarkt nicht gegeben hat.

 

Mit freundlichen Grüßen

Jens Petermann, Petra Sitte, Halina Wawzyniak

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