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[UPDATE III:] Es sieht leider gut aus fürs Leistungsschutzrecht

Am Freitag (22.03.) steht das vom Bundestag am 01.03. beschlossene Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf der Tagesordnung des Bundesrats und von unterschiedlichster Seite werden derzeit die Länder angefleht, das unsinnige Gesetz zu stoppen.

Gestern forderte der DJV ein Nein aus dem Bundesrat. Heute macht ein offener Brief von 42, meist SPD-nahen, AktivistInnen an die MinisterpräsidentInnen die Runde, morgen stehen mindestens in den Landtagen von Thüringen und Sachsen-Anhalt Anträge der LINKEN auf der Tagesordnung, die zum Ziel haben, die dortigen schwarzroten Landesregierungen dazu zu bringen, im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ob das gelingt? Die Chancen stehen derzeit schlecht.

Das Gesetz benötigt keine Zustimmung durch den Bundesrat. Der Bundesrat kann allerdings einen Beschluss fassen, der zur Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag führt. Sollte der Vermittlungsausschuss am Freitag angerufen werden und dann leider bis zur Bundestagswahl im September mit seiner Arbeit nicht fertig werden, wäre das Gesetz nach dem Diskontinuitätsprinzip hinfällig.

Für Freitag steht bisher zwar der durch die Piraten initiierte und von der rotgrünen Landesregierung übernommene Antrag auf Ablehnung des Leistungsschutzrechtes aus Schleswig-Holstein auf dem Programm. Der zeigt zwar klare Kante, doch genau das könnte ironischerweise das Problem sein: Es gibt Einschätzungen, die sagen, dass eine Ablehnung eines Gesetzes, zu dem der Bundesrat nicht zustimmen muss, gar nicht zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führt. Eine andere Lesart ist, dass eine Ablehnung im Gegensatz zu umfänglichen Änderungswünschen lediglich eine minimale Verzögerung bedeutet, da sich der Vermittlungsausschuss nur kurz damit befassen müsste und so das Diskontinuitätsprinzip nicht greife.

Unseren Informationen nach liegt derzeit im Bundesrat selbst noch kein Antrag vor, der explizit die Anrufung des Vermittlungsausschusses inklusive einem umfänglichen Arbeitsauftrag zum Inhalt hat.

Darüber wird in den SPD-geführten Ländern heftigst diskutiert, ob es dafür aber eine Mehrheit gibt, ist derzeit fraglich. Es heißt, der Einfluss der Verlage in Nordrhein-Westfalen und Hamburg sei sehr groß…

Ebenfalls diskutiert werden wohl auch Varianten, die entweder auf dem Alternativvorschlag der rotgrünen Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vom Oktober 2012 beruhen oder die Empfehlung des Bundesrats von damals wieder aufnehmen, die Einräumung und Bezahlung der durchs Leistungsschutzrecht notwendig werdenden Lizenzen zwingend durch eine Verwertungsgesellschaft zu organisieren (vgl. Punkt 2 hier). Eine Empfehlung ist aber kein Einspruch und wird somit garantiert nicht zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führen.

Noch ist allerdings nichts entschieden. Die SPD-geführten Länder werden morgen Abend in der sogenannten Kraft-Runde ihr Vorgehen für Freitag beschließen, bis dahin ist noch Zeit, die SPD zu überzeugen…

In Brandenburg ist die Position der mitregierenden LINKEN, eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu unterstützen. Wie sich die dortige SPD entscheiden wird, hängt vom Ergebnis der Kraft-Runde ab.

 

UPDATE I, 21.03.2013, 13:27 Uhr

Die Indizien verdichten sich, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage könnte morgen den Bundesrat passieren. So fragte heute Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, seinen Kollegen von der SPD auf Twitter:


Hintergrund bildet Steinbrücks vor zwei Wochen auf der CeBIT getätigte Aussage: „Ich will digitale Freiheit. Das Leistungsschutzrecht ist schlichter Unfug.“ Und: „Ich denke, die SPD ist gut beraten, dieses Leistungsschutzgesetz im Bundesrat zu kippen.“

Ebenfalls heute teilte der DJV per Pressmitteilung mit, dass nach seinen Informationen das SPD-regierte Hamburg beabsichtige, dem Leistungsschutzrecht im Bundesrat zuzustimmen. Und die Jusos NRW erklärten – in der Nuancierung durchaus interessant (dazu unten) – die Erwartung, die nordrhein-westfälische Landesregierung möge „in der morgigen Sitzung des Bundesrats ein deutliches Zeichen gegen das im Bundestag verabschiedete Leistungsschutzrecht“ setzen.

Bislang liegt dem Bundesrat lediglich ein Antrag aus Schleswig-Holstein vor. Er sieht vor, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einzuberufen, den Gesetzesbeschluss des Bundestags aufzuheben. Aussicht auf eine Mehrheit dazu besteht nicht. Und selbst wenn eine solche bestünde, würde er mit nur einer (!) Sitzung des Vermittlungsausschusses abgeräumt. (Zum Verfahren im Bunderat siehe hier.) Um die Möglichkeit auf Diskontinuität zu eröffnen, bedürfte es der Forderung nach grundlegender Überarbeitung des Leistungsschutzrechtes und somit Aussicht auf mehr als eine Sitzung des Vermittlungsausschusses.

Aus mehreren, unterschiedlichen Quellen wurde uns gegenüber hingegen berichtet, für die morgige Bundesratssitzung kursiere ein Entschließungsantrag in der Entwurfsfassung. Initiatoren seien mehrere Presse-Standortländer. Gefordert werde, in der nächsten (!) Legislaturperiode gemeinsam mit allen Beteiligten eine Lösung zu erarbeiten, die die unberechtigte systematische Verwertung von Presseprodukten unterbindet, ohne dadurch die Auffindbarkeit von Information sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu unterbinden.

Damit sind die Aussichten für einen Antrag auf grundlegende Überarbeitung des Leistungsschutzrechts und eine mögliche Diskontinuität denkbar gering. Zwar entscheiden die (SPD-geführten) A-Länder erst heute Abend in der sogenannten Kraft-Runde. Doch dürfte die Disposition insbesondere von NRW und Hamburg für eine weitgehend unverbindliche Verschiebung des Problems in die nächste Legislaturperiode bereits eine Vorentscheidung darstellen.

 

UPDATE II, 21.03.2013, 15:55 Uhr

Jetzt ist es offiziell: Die SPD lässt das Leistungsschutzrecht morgen im Bundesrat passieren. Nachdem heute Mittag zunächst die nordrhein-westfälische Ministerin für Bundes- und Europa-Angelegenheiten sowie Medien, Angelika Schwall-Düren (SPD), gegenüber Süddeutsche.de erklärte, dass SPD und Grüne in NRW einer Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen werden, hat am Nachmittag auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nachgezogen. In einer Pressemitteilung erklärte er, das Gesetz könne „angesichts der noch bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag jetzt nicht aufgehalten werden. Es gibt deshalb keine Aussichten auf ein erfolgreiches Vermittlungsverfahren.“

Das steht zwar gegen Steinbrücks Aussage auf der CeBIT noch vor zwei Wochen – hier in der Version der WAZ: «Ich denke, die SPD ist gut beraten, dieses Leistungsschutzgesetz im Bundesrat zu kippen.» Doch scheint ihm das egal: Das Leistungsschutzrecht wird nun kurzerhand zum 100-Tage-Programm einer neuen, ominösen Bundesregierung aus SPD und Grünen erklärt. Steinbrück im Original:

Ein neues, taugliches Gesetz wird zu den ersten Maßnahmen einer neuen rot-grünen Regierung gehören. Das Ziel muss sein, einen fairen Ausgleich zu finden zwischen den Schöpfern der Inhalte – also Journalisten oder Künstlern -, den berechtigten Interessen der Verlage und den ebenso berechtigten Interessen der neuen digitalen Dienste sowie den Ansprüchen der Internet-User auf Informationsfreiheit.

Das aber ist nichts anderes als die Linie des oben erwähnten Entschließungsantrags, der uns inzwischen vorliegt, und in dem es heißt:

Der Bundesrat hält es für notwendig, unter Einbeziehung aller Akteure einen Vorschlag zu entwickeln, der die Möglichkeiten der Presseverleger zur Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf bereits bestehende (ggf. abgeleitete) Urheberrechte stärkt, dabei die Interessen der Urheber (hier insbesondere Journalistinnen und Journalisten) vollständig wahrt und den Grundsatz der Informationsfreiheit gewährleistet. […]

Eine solche Regelung wird die Unterstützung des Bundesrates finden. Angesichts der wenigen Zeit, die in der aktuellen Legislaturperiode des Bundestages verbleibt, sollte sie nunmehr im Konsens und im Hinblick auf die nächste Legislaturperiode gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitet werden.

Das Leistungsschutzrecht tritt damit in Kraft. Eine mögliche Mehrheit im Bundesrat gegen das Gesetz und jegliche Aussichten auf Diskontinuität sind vereitelt.

 

UPDATE III, 21.03.2013, 17:18 Uhr

Neue Wendung: Der Bundesratsantrag aus Schleswig-Holstein wurde geändert. Aufgerufen wird nun dazu, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einzuberufen, den Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten. Die Dysfunktionalität des ursprünglichen Antrags (UPDATE I) wurde entsprechend aufgehoben. Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der A-Länder (i.e. mit SPD-Regierungsmehrheit) haben somit in der sogenannten Kraft-Runde heute Abend die – wohl allerletzte – Möglichkeit, dass Inkrafttreten des Leistungsschutzrechts doch noch hinauszuzögern und mit dem Ziel der Diskontinuität eventuell gänzlich zu verhindern. Ob die Vorfestlegungen von Schwall-Düren und Steinbrück (UPDATE II) dazu allerdings hilfreich waren und nicht das gerade Gegenteil bewirken, muss sich erweisen.

3 Kommentare zu “[UPDATE III:] Es sieht leider gut aus fürs Leistungsschutzrecht”

  1. In Thüringen hat die Mehrheit von CDU und SPD eben die Dringlichkeit unseres Antrags zum LSR abgelehnt. Dadurch wird der Antrag morgen nicht mehr behandelt werden, frühestens am Freitag. Auf die Bundesratsentscheidung haben wir also keine Einflussmöglichkeit mehr.

  2. JoernPL sagt:

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    sorry, aber der ganze Artikel strotzt nur so von Speukationen, das ich jetzt gar nicht erst anfange, einzelne Passagen zu kommentieren. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das alles höchst spekulativ, wir kriegen stündlich neue Meldungen rein etc.

    Nur soviel: Wer jetzt schon aufgibt, gibt zu früh auf!

    Viele Grüße
    JoernPL

  3. […] Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat und die Möglichkeit auf Diskontinuität hintertrieben (Update I). Vertreter der Stamokap-Theorie hätten an solch zweckmäßigem Verwachsen der staatlichen Organe […]