DIGITALE LINKE
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Heute keine Urheberrechtsreform – Ist das auch gut so? Ein Kommentar zur Positionierung der Bundesjustizministerin in Sachen Urheberrecht.

Seit Anfang des Jahres tobt die mediale Schlacht um die Zukunft des Urheberrechts als stünde der Untergang des Abendlandes mal wieder bevor. Bis heute allerdings schwieg die Person, deren oberstes Zuständigkeitsgebiet die Neuregelung von Gesetzen ist: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger.
Und auch wenn sie sich in ihrem heutigen FAZ-Artikel einseitige Schuldzuweisungen und Belehrungen über angebliche Naivitäten bezüglich des Wesens des Internets nicht verkneifen kann, sie schlägt sich nicht billig auf eine Seite und kennzeichnet die deutschen Copyright Wars als das, was sie in ihrer Heftigkeit sind: eine mediale Inszenierung.

Andererseits ist es ja auch nicht so, das alles in Butter wäre beim Urheberrecht. Vor allem hat Leutheusser- Schnarrenbergers Ministerium seit mindestens 2009 die Hausaufgaben in diesem Bereich nicht erledigt.

Diejenigen, die sich aus beruflichen oder fachlichen Gründen schon länger mit dem Urheberrecht befassen, warten seit Jahren auf die Gesetzesnovellen des sogenannten dritten Korbes. Hierfür gab es schon im Herbst 2010(!) Gespräche des Ministeriums mit verschiedenen Interessensvertretungen. Da ging es um Belange von Bildung und Wissenschaft bei Zugangs- und Nutzungsfreiheiten von Wissen. Es ging um das Problem der verwaisten Werke. Um die Frage, wie das ist mit der Live-Ausstrahlung von Fernsehbildern in Kneipen und auf öffentlichen Plätzen und damit Geld verdienen so läuft. Wie die Pauschalabgaben auf kopierfähige Geräte neu berechnet werden können etc. pp.

Aber damit nicht genug: Kenner des Koalitionsvertrages der aktuellen Regierung und die Verleger warten auf ein Leistungsschutzrecht. Das Urhebervertragsrecht ist in seiner aktuellen Fassung nicht in der Lage, Urheberinnen in der Breite zu unterstützen. Netzaktivisten, Verbraucherschützer und Opposition beklagen die Einschränkung von Nutzungsfreiheiten im digitalen Raum. Alles Dinge (und es gäbe mehr), die in einer Urheberrechtsnovellierung angepackt werden könnten.

Doch während die Opposition in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder Anträge und Gesetzentwürfe präsentierten (vgl. für die LINKE bpsw. hier) kamen aus dem Justizministerium maximal Gerüchte, wann den die Regierung vorlegen würde. Leutheusser-Schnarrenbergers Artikel lässt sich durchaus dahingehend interpretieren, dass von ihr und ihrem Ministerium abgesehen vom bereits veröffentlichten Gesetzentwurf zum Abmahn-Unwesen nichts mehr kommen wird.

Kein Wort schreibt sie im heutigen Artikel über weitere eigene Initiativen. Nachdem schon die Kanzlerin auf der CDU-Media-Night vergangene Woche so über das angedrohte Leistungsschutzrecht sprach, dass es manche (fälschlicherweise?) auch als Beerdigung desselben verstanden haben, dämpft nun die Justizministerin die Erwartungen:

„Die Verschränkung der Akteure erlaubt im Moment keinen großen Wurf und kein Superreformgesetz.“

Dagegen macht Leutheusser-Schnarrenberger deutlich, dass die Dinge europäisch geregelt werden müssen.

Das ist beispielsweise je nach Lösungsvorschlag für das Problem der verwaisten Werke zutreffend, vor allem aber bei „Fair use“ unbestritten richtig. Allein, dass die Ministerin sich im Artikel ausführlich mit diesem Thema auseinandersetzt und Pro und Contra eines solchen Nutzungsrechts abwägt, zeigt, dass sie es mit dem auch von ihr explizit erwähnten Interessensausgleichs zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern irgendwie ernst meint.

Einen Schlag ins Gesicht der Urheberrechts-Hardliner aus den Reihen der Medienindustrie und ihrer Regierungskollegen von der CDU stellen darüberhinaus einige klare Ansagen dar:
Sie erteilt der Mär von den schädlichen Raubkopieren und der bösen Umsonstkultur, mit der auch in den vergangenen Wochen massiv gegen Nutzerinteressen zu Felde gezogen wurde, zumindest für das Hier und Heute eine klare Absage. Sie ist gegen Netzsperren, Deep Packet Inspection und ähnlichen Überwachungswahn. Sie spricht sich für den Erhalt des durch Pauschalabgaben finanzierten Rechts auf Privatkopie aus. Und wer will, kann zwischen den Zeilen auch lesen, dass sie sich dieses Recht auch wieder durchsetzungsstark vorstellen kann. Die derzeit rechtlich erlaubte Einschränkung der Privatkopie durch Kopierschutzmechanismen beschreibt sie eher kritisch. Vielleicht würde sie diese Einschränkung wieder zurücknehmen?

All das ist weit entfernt von linken Diskussionen um Wissens- und Informationsallmende und FDP-treu sehr marktorientiert argumentiert, liest sich allerdings dennoch im Widerspruch zur Propaganda der Verwertungsindustrie.

Aber: Die oben aufgezählten (und dort unvollständig wiedergegebenen) Fehlkonstruktionen des Urheberrechts ließen sich in vielen Punkten sehr wohl national regeln. Insbesondere die von Leutheusser-Schnarrenberger im Artikel selbst angesprochene prekäre Vergütungslage der Urheber. Die LINKE hat dazu jüngst konkrete Vorschläge gemacht.

Genauso könnte die Ministerin die Erkenntnis, dass es europäische Regelungen braucht, auch Initiativen auf europäischer Ebene folgen lassen. Nichts dergleichen lässt sich erkennen.

Vielleicht auch, weil ihre für schwarzgelbe Verhältnisse progressiven Positionen bei CDU, CSU und FDP mal wieder nicht mehrheitsfähig sind. Würden sie und ihr Ministerium Vorschläge vorlegen, müssten diese in die Kompromissmaschine mit den Positionen der Hardlinerpositionen von Männern wie Kauder, Krings, Heveling, Keese, Gorny und Co. Vielleicht verhindert Leutheusser-Schnarrenberger durch Nichtstun Schlimmeres.

2 Kommentare zu “Heute keine Urheberrechtsreform – Ist das auch gut so? Ein Kommentar zur Positionierung der Bundesjustizministerin in Sachen Urheberrecht.”

  1. […] Jörg Braun verweist am Blog der Digitalen Linken auf die Vorschläge der Linksfraktion zur Urheberrechtsreform um zu illustrieren, dass viele der […]

  2. I wonder! DUMM Bevölkerung ! sagt:

    ACTA etc ist Gefährdung der individuellen Meinungsfreiheit (wo westl. Demokratien doch wert drauf legen) ! Wichtiger ist aber Frankreich ! Sollte allen (wie Schweden) ein Vorbild sein ! SOZIAL-Staat – Gewerkschaften etc ! Und wenn nicht oder nicht mehr – dann Generalstreik und Revolution! „Die Liebenden und die Toten“ aus FR zeigen wie es läuft und wie man sich wehrt ! (läuft auf Arte) Wer sich alles gefallen läßt wie die verblödete Masse in D heutzutage sollte sich nicht wundern !