DIGITALE LINKE
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Die Interessenlage hinter der Forderung nach „Hadopi light“ durch den Privatrundfunkverband

Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) hat mit Datum 28. Januar 2010 ein 2-seitiges Hintergrundpapier mit Forderungen zur Bekämpfung der Internetpiraterie vorgelegt. Vermeintlicher Anlass bildet die Bedrohung des Geschäftsmodells einheimischer Sendeunternehmen durch ausländische Contentprovider, die „urheberrechtlich geschützte Filme oder leistungsschutzrechtlich geschützte Sendeausschnitte (z. B. Liveberichterstattung im Sport) anbieten.“

Um damit einhergehenden Urheberrechtsverletzungen auf Nutzerseite entgegenzutreten, fordert der Privatrundfunkverband von der Politik einen Weg einzuschlagen, wie er bereits in Frankreich und England beschritten wird:

„Der VPRT regt nachdrücklich an, dass die Politik – ähnlich wie in England oder Frankreich – im Rahmen der anstehenden Urheberrechtsnovelle eine Studie zur Notwendigkeit zum Schutz der Kreativschaffenden in der digitalen Welt und zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Onlinepiraterie auf die Zukunftsfähigkeit der beteiligten Marktteilnehmer durchführt, um den Handlungsbedarf zu bestimmen. Parallel sollte eine erleichterte Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen durch Schaffung eines angemessenen Auskunftsanspruchs gegen Internet Service Provider als Zugangsvermittler (Access Provider) ermöglicht und ein Verwarnund Sanktionssystems bei Rechtsverstößen etabliert werden.“ [Herv. i. Orig.]

Internet Service Provider sollen demnach in die Pflicht genommen werden, um bei Urheberrechtsverstößen aktiv zu werden und im Wiederholungsfalle Kunden beispielsweise den Netzzugang über eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu kappen.

Robin Meyer-Lucht hat diese Forderungen auf Carta ganz richtig als „Hadopi light“ bezeichnet. Hadopi bezeichnet in Frankreich die „Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des Droits sur Internet“ – eine Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesetzesregelung, mit der wiederholte Urheberrechtsverstöße nach zweimaliger Verwarnung mit bis zu einjähriger Sperrung des Internetzugangs geahndet werden. Im weiteren Sinne steht Hadopi zugleich modellhaft für eine Interessenkonstellation zum Schutz von Verwertungsrechten im Internet, wie sie in immer mehr europäischen Ländern als Bündnis aus Musik-, Fernseh-, Film- und Verlagsindustrie zum Tragen kommt.

Auf die hiesigen Geschäftsmodelle im Rundfunk bezogen stellt sich allerdings die Frage, wer im Verband der privaten Fernseh- und Hörfunksendeunternehmen ein vorrangiges Interesse daran besitzt, eine solche Konstellation für Deutschland zu schmieden? Der Verweis auf die deutschen Free-TV-Unternehmen vermag nicht zu überzeugen, es sei denn, sie planten Pay-TV als zusätzliches Erlösmodell aufzubauen, um über Einnahmen durch Abonnementgebühren rückläufige Werbeeinnahmen zu kompensieren. Das aber ist in jüngster Zeit immer öfter von Sendebetreibern zu vernehmen. Und dies sowie die Federführung des in Deutschland maßgebenden Pay-TV-Betreibers Sky Deutschland (vormals Premiere) sind es, die die Urheberrechtsdebatte in restriktiver Richtung forcieren.

Von dem im VPRT-Hintergrundpapier ausdrücklich genannten illegalen Online-Angebot der in Tonga registrierten Domain www.kino.to dürfte Sky Deutschland denn auch – im Unterschied zu reinen Free-TV-Geschäftsmodellen – unmittelbar betroffen sein. Schließlich sind die Erlöse in der nachgelagerten Filmauswertung im Pay-TV-Markt auf Direkteinnahmen von Konsumentenseite bezogen. Geschwächt wird das Geschäftsmodell von Sky Deutschland darüber hinaus durch Umgehung der Bundesliga-Pay-TV-Übertragungen via ligastream et al. Hier allerdings mit dem Unterschied, dass über diese Portale das originäre, von Sky Deutschland vorproduzierte Bildsignal (einschließlich Stadionatmo) verbreitet wird – mithin möglicherweise ein Leck in der eigenen Verwertungskette besteht.

Warum es nicht gelingt, diese Angebote vom Netz nehmen zu lassen, darüber erfährt man von Sky Deutschland und vom VPRT kaum etwas. Der Verband hat sich statt dessen allem Anschein nach darauf verlegt, Sky Deutschland die Federführung in der Vertretung von Urheberrechtsbelangen zu überlassen. Das war bereits im August 2009 so (wir berichteten), als eine Vertreterin von Sky Deutschland an dem vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Wirtschaftsdialog zum Thema „Kooperation bei der Bekämpfung der Internetpiraterie“ teilnahm. [Das seinerzeit geleakte Protokoll der Veranstaltung ist, nachdem die Whistleblower Website Wikileaks.org diesen Monat mangels Spenden in ausreichender Zahl vom Netz ging, noch via Google docs abrufbar.]

Und das ist laut Geschäftsbericht 2008/2009 des VPRT auch weiterhin der Fall. Wie heißt es dort (S. 144) so schön, „der VPRT bzw. Sky Deutschland ist“ (sic!) in allen drei, Ende 2009 eingerichteten Arbeitsgruppen, in denen die Marktteilnehmer unter Moderation der Bundesregierung (BMWi, BKM, BMJ) in den kommenden Wochen Lösungen zur Bekämpfung der Internetpiraterie erzielen wollen, „präsent“.

Die Sky Deutschland AG übrigens wird von der News Adelaide Holdings B. V. kontrolliert, eine 100-prozentige indirekte Tochtergesellschaft der News Corporation von Medientycoon Rupert Murdoch. Dessen Firmenkonglomerat besteht aus einer Vielzahl von Medienunternehmen. Darunter: Buchverlage, Zeitungen, Magazine, Musikproduktionen, Sportveranstalter, Filmstudios, Free- und Pay-TV-Sender, Internet-Contentanbieter etc. Demnach schließt sich hier der Kreis …

Ein Kommentar zu “Die Interessenlage hinter der Forderung nach „Hadopi light“ durch den Privatrundfunkverband”

  1. […] – wir berichteten – war Sky Deutschland insbesondere durch die Federführung in der Vertretung von repressiven […]