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Die Volte des Gerichtshofs: Ein Kommentar zum Google-Urteil des EuGH

In der Presseberichterstattung wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu personenbezogenen Daten und Suchmaschinen als Sieg der Bürgerrechte und als großer Erfolg gegenüber der Datenkrake Google gefeiert. In Wahrheit ist das Urteil zutiefst technologiefeindlich und stärkt große Suchmaschinenanbieter noch.

Was ist passiert? Der EuGH (C‑131/12) urteilt zunächst, dass Googles Geschäftstätigkeit der europäischen Gerichtsbarkeit unterliegt und die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Suchmaschinen unter die Europäische Datenschutzrichtlinie fällt. So weit, so gut!

Sodann aber dreht das Gericht eine Volte: Der Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten sei im Falle einer Suchmaschine stärker zu bewerten als die ursprüngliche Veröffentlichung durch den Herausgeber einer Internetseite, auf den der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht letztlich zurückgeht.

Im vorliegenden Fall hatte ein spanischer Staatsbürger sowohl gegen eine katalonische Tageszeitung als auch gegen Google geklagt. Die Tageszeitung hatte in ihrem Onlinearchiv unter anderen die Ausgaben vom 19. Januar und 9. März 1998 veröffentlicht, in denen in einer Anzeige der Name des Klägers im Zusammenhang mit der Versteigerung seines Grundstücks aus einer Pfändung erschien. Durch die Eingabe des Namens in die Suchmaschine von Google wurde diese Anzeige als Treffer ausgegeben und verlinkt.

Das Urteil besagt, die Veröffentlichung in der Tageszeitung darf bestehen bleiben, deren Auffindbarkeit durch die Suchmaschine nicht. Mithin ist der Zugang zur Auffindbarkeit der Veröffentlichung durch Google und andere Suchmaschinenbetreiber künftig zu sperren, jedoch gleichzeitig die für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts ursächliche Ausgangsveröffentlichung nicht zu löschen.

Der Gerichtshof unterstreicht dieses Verdikt noch, indem er feststellt, dass Ausschlussprotokolle wie „robot.txt“, „noindex“ oder „noarchive“, mit denen Inhalte von einer automatisierten Indexierung durch Suchmaschinen ausgeschlossen werden können, Suchmaschinenbetreiber nicht von ihrer Verantwortung in der Verarbeitung personenbezogener Daten befreie. Zugleich wird ein „Recht auf Vergessenwerden“ gegenüber Suchmaschinen postuliert, nicht aber gegenüber der Ausgangsveröffentlichung.

Mit dem Urteil zur Verantwortung gezogen wird eine Technologie, an deren vorherrschenden Betreiber Kritik zu üben, gegenwärtig wohlfeil ist. Künftig muss niemand mehr nach Suchmaschinenneutralität rufen, wenn – wie es das Urteil vorsieht – die Bearbeitung für den Ausschluss aus der Indexierung in den juristischen Apparat – den sich kleine und neue Anbieter erst gar nicht leisten können – der Suchmaschinenbetreiber verlegt ist. Und wer alles unter dem Begriff Suchmaschinenbetreiber zu erfassen ist, ist spätestens seit den Diskussionen um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage in Deutschland völlig offen.

Daher bildet das Urteil eine schwere Niederlage im Kampf um Informationsfreiheit im Netz und ist zugleich innovationsfeindlich. Nicht nur wird – und um nichts anderes handelt es sich – eine Nachzensur verordnet, sondern gehen mit ihm die großen Anbieter gestärkt hervor. Nur sie haben das Kapital, um entsprechende juristische Abteilungen zu unterhalten. In einer kommenden Europäischen Datenschutzverordnung sollte beides korrigiert werden!

Ein Kommentar zu “Die Volte des Gerichtshofs: Ein Kommentar zum Google-Urteil des EuGH”

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