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Leipziger Erklärung zum Schutz des geistigen Eigentums

Der Verband deutscher Schriftsteller  in ver.di hat im Vorfeld der Leipziger Buchmesse eine Erklärung zum Schutz des geistigen Eigentums abgegeben. In dieser nehmen namhafte Autorinnen und Autoren wie Günter Grass, Günter Kunert oder Christa Wolf die Nominierung von Helene Hegemann zum Anlass, um gegen die Verlodderung der Sitten im Literaturbetrieb zu protestieren:

Wenn ein Plagiat als preiswürdig erachtet wird, wenn geistiger Diebstahl und Verfälschungen als Kunst hingenommen werden, demonstriert diese Einstellung eine fahrlässige Akzeptanz von Rechtsverstößen im etablierten Literaturbetrieb.

Und nach dieser Kritik am „eigenen Laden“ folgt der Rundumschlag:

Die Möglichkeiten neuer Medien, auch die des Internets, ändern nichts an der Tatsache, dass der Schutz geistigen Eigentums, die Wahrung der Rechte von Urheberinnen und Urhebern, nach wie vor uneingeschränkt Geltung und Priorität genießen.

[…]

Missachtung, Aushöhlung und sträfliche Verletzung des Urheberrechts führt zur Entwertung, Aufgabe und schließlich zum Verlust jedweder eigenständigen intellektuellen und künstlerischen Leistung.

Kopieren ohne Einwilligung und Nennung des geistigen Schöpfers wird in der jüngeren Generation, auch auf Grund von Unkenntnis über den Wert kreativer Leistungen, gelegentlich als Kavaliersdelikt angesehen. Es ist aber eindeutig sträflich – ebenso wie die Unterstützung eines solchen »Kunstverständnisses«. Wer die Verletzung der Urheberrechte, u. a. in Form von Plagiaten, als Originalität begreift, gefährdet letztendlich die geistige und materielle Basis allen kreativen Schaffens.

Man kann und soll an Hegemanns Verlag, an den eventuellen MitautorInnen usw., vielleicht auch an Hegemann selbst Kritik üben, auch wenn einige Feuilletonisten (wie wir hier kommentiert haben) dabei ein Opfer ihrer eigenen eigenartigen Prämissen und Vorstellungen geworden sind. Warum jedoch muss dieser Debatte von Seiten der Leipziger Erklärer so viel Kulturpessimismus hinzugefügt werden? Der Verweis der Leipziger Erklärung auf die Verrohung der Sitten der „jüngeren Generation“ hat beinah sokratischen Charakter (falls das berühmte Zitat von Sokrates nicht auch ein Plagiat ist).

Warum ist mal wieder das Internet verantwortlich? Plagiate gab es lange vor dem Internet, schon immer wurde aus Büchern abgeschrieben. Durch die semantischen Suchmöglichkeiten sind geklaute Sätze und Satzteile heute eher besser als schlechter auffindbar, die Gefahr aufzufliegen ist deutlich gestiegen. Andere, wie die von Hegemann verehrte Kathy Acker, haben das Abschreiben aus Büchern zur Kunstform erhoben.

Und: warum muss die Erklärung sich zum Geistigen Eigentum bekennen und ständig die Einhaltung des Urheberrechts anmahnen, obwohl der Vorstoß streng genommen eher in Richtung eines moralischen Kodex des Literaturbetriebs zielt? Da scheint, wie schon beim Heidelberger Appell, einiges durcheinander zu gehen. Lothar Müller weist in der Süddeutschen Zeitung darauf hin, dass das Urheberrecht die Verwendung von Werken zur Erstellung neuer Werke sogar ausdrücklich vorsieht. 90 Prozent aller Klagen auf Plagiate werden abgelehnt. Die meisten werden wohl aus wirtschaftlichen Gründen angestrengt, wobei das amerikanische Copyright diese Komponente viel stärker betont.

Also: schade, dass mit einem Untergang der Kultur gedroht wird, die man augenscheinlich vorrangig bei sich selbst angesiedelt sieht. Schade, dass nicht der Versuch eines Dialogs kultureller Generationen gemacht wird. Schade, dass der Verband deutscher Schriftsteller keinen progressiveren Weg zum Umgang mit einer neuen Kulturszene findet. Und: schade, dass durch die früher gesellschaftspolitisch engagierten Altrecken so eine Eitelkeits- und Besitzstandsdebatte bedient wird, anstatt die inhaltliche Belanglosigkeit des Hegemann-Buches zu kritisieren.

Der Leiziger Buchpreis geht übrigens an Georg Klein.

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