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Second-Hand-Dateien: Debatte zu linkem Gesetzentwurf

Filme, Musikstücke und E-Books gebraucht weiterverkaufen – warum soll das nicht möglich sein? Der von der Linken am Donnerstag letzter Woche im Bundestagsplenum vorgestellte Gesetzentwurf hat Anlass zu kontroversen Diskussionen gegeben. Grund genug, einige Missverständnisse aufzuklären, die in der Debatte ans Licht traten. Ein Wortprotokoll findet sich hier, die Diskussion wird auf S. 185-189 wiedergegeben.

Für Irritationen sorgt zunächst die Frage, um welche Art von Vertrag es sich eigentlich handelt, wenn man Filme, Musik oder Texte legal aus dem Netz herunterlädt. Handelt es sich dann um Kaufverträge oder um Lizenzverträge? Das ist eine entscheidende Frage, denn betrachtet man diese Verträge als Lizenzverträge, so gilt Urheberrecht. Dann kann der Rechteinhaber den Weiterverkauf in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen erlauben oder verbieten. Es sei denn, ein Gericht käme zu dem Schluss, damit würden die Nutzer unangemessen benachteiligt. Ein letztinstanzliches Urteil dazu gibt es bislang noch nicht.

Um was für ein Rechtsgeschäft es sich handelt, hängt von dem Zweck ab, zu dem der Vertrag geschlossen wird. Verbraucher kaufen Dateien, um die Inhalte zu konsumieren: Sie wollen Musik hören, Filme gucken oder Texte lesen. Dafür benötigen sie keine Verwertungsrechte, denn der bloße „Werkgenuss“ ist urheberrechtsfrei. Es gibt also gute Gründe zu argumentieren, dass es sich bei solchen Verträgen dem Vertragszweck nach um Kaufverträge handelt.

So sieht es auch der Bundesgerichtshof, der bereits 1989 darüber entscheiden musste, ob man ein Eigentum an der Datei erwirbt, die man nur auf den eigenen PC „überspielt“. Er urteilte (BGH, Urteil vom 18.10.1989 – VIII ZR 325/88), ein Datenträger diene lediglich dazu, „das erworbene Programm anschließend durch  Überspielen auf die Festplatte im Computer des Käufers zu installieren und es dadurch für diesen nutzbar zu machen. Erst hierin liegt nach den Vorstellungen der Parteien der eigentliche Endzweck des Kaufvertrages […] immerhin verschafft auch hier der Verkäufer dem Käufer den Besitz an der in einem Datenträger […]verkörperten Programmkopie. […] Jedenfalls rechtfertigt diese nur auf den fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten beruhende unmittelbare Installierung der gekauften Standard-Software im Computer des Käufers als Endanwender bei gleichem wirtschaftlichem Endzweck des Geschäfts die entsprechende Anwendung der Vorschriften jenes Gesetzes.“ Einfacher gesagt: Der BGH betrachtet solche Verträge durchaus als Kaufverträge.

In seinem Gutachten für den Bundesverband Verbraucherzentrale folgert der Urheberrechtsexperte Till Kreutzer: „Der rechtliche Schwerpunkt bei Geschäften über den Erwerb von urheberrechtlich geschützten Vervielfältigungsstücken liegt […] auf der dauerhaften Überlassung der jeweiligen Kopie. Der Umstand, dass die ‚Nutzungsbedingungen‘ unkörperlich überlassener Computerprogramme, Musik oder Filme stets auch Lizenzklauseln enthalten, macht aus solchen Verträgen keine ‚Lizenzverträge‘.“

Dies ignoriert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der sich mittlerweile bei iRights.info mit einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat. Ebenso ignoriert es Ansgar Heveling von der CDU, der Urheberrecht und Second-Hand-Handel sogar für grundsätzlich unvereinbar hält. Der Urheber sei darauf angewiesen, argumentiert Heveling in der Bundestagsdebatte, „seine Werke verkaufen zu können, und er kalkuliert den Preis dafür auf der Grundlage der angenommenen Verkaufszahlen. Ein Weiterveräußerungsrecht würde eine angemessene Preiskalkulation erschweren und so möglicherweise zu deutlich höheren Preisen führen.“ Folgte man dieser Argumentation, müsste auch der Weiterverkauf von gedruckten Büchern und CDs verboten sein.

Ein weiteres Missverständnis hängt mit dem sogenannten Erschöpfungsgrundsatz zusammen. Darunter versteht man die Regel, dass Waren, die in der Europäischen Union einmal in Verkehr gebracht wurden, unendlich weiterverkauft werden dürfen, so lange sich ein Abnehmer dafür findet. Juristisch ausgedrückt: Das Recht, die Verbreitung zu kontrollieren, hat sich mit dem erstmaligen „Inverkehrbringen“ „erschöpft“. Stephan Thomae von der FDP unterstellt in der Bundestagsdebatte nun, die LINKE wolle diese Grundregel auch auf unkörperliche Werkexemplare anwenden, also auf Dateien. Das wäre aber europarechtlich gar nicht möglich. Vielmehr hat die LINKE ausdrücklich vorgeschlagen, die Erlaubnis zur Weiterveräußerung unabhängig von allen Verwertungsrechten festzuschreiben, also als eine Art „Verbrauchergrundrecht“, unabhängig davon, in welcher Weise die betreffende Ware auf dem Markt angeboten wird. Daher der Vorschlag einer Übermittlung der betreffenden Dateien per E-Mail. Da es sich um eine elektronische Punkt-zu-Punkt-Übertragung handeln würde, wäre es im juristischen Sinne keine „Verbreitung“ und schon gar keine „öffentliche Zugänglichmachung“. Insofern wäre das Urheberrecht in keiner Weise tangiert.

Last, not least wird in der Debatte mehrfach der Vorwurf erhoben, es sei ja gar nicht kontrollierbar, ob verkaufte Dateien am Ende tatsächlich vom eigenen Rechner gelöscht würden. Die naheliegendste Entgegnung hierauf wäre natürlich: Auch heute ist nicht kontrollierbar, ob ein Nutzer, der eine CD gebraucht verkauft, sich nicht vorher eine Kopie gebrannt hat. Und trotzdem ist der Gebrauchthandel mit CDs nicht verboten. Vor allem aber hat der Rechteinhaber auch heute schon die Möglichkeit, einen Kopierschutz einzubauen. Dass umgekehrt der Nutzer kein Recht hat, einen solchen Kopierschutz zu umgehen, um private Kopien anzufertigen, wird von Burkhard Lischka (SPD) in der Bundestagsdebatte zu Recht in Erinnerung gerufen. Das ist bei der letzten Urheberrechtsreform 2008 leider verbockt worden. Europarechtlich wäre es durchaus möglich gewesen, ein solches Recht zu schaffen.

Wie diese Debatte wohl weitergeht? Konstantin von Notz (Grüne) weist in seiner Rede darauf hin, dass man eigentlich viel grundlegender an eine Reform des Urheberrechts herangehen müsste. Da hat er recht. Aber geht es in der Demokratie nicht immer um das Machbare? So lange sich die Mehrheit der Koalitionspolitiker den typischen Urheber vorstellt wie den Cardillac im „Fräulein von Scuderi“, kommt man über kleine Schritte ja leider kaum hinaus.

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