DIGITALE LINKE
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SPD kokettiert mit Totalüberwachung im Netz

Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, Fluggastdatenaustausch mit den USA sowie zahlreiche andere Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte und nun das: Nur zwei Tage vor der Berliner Großdemonstration gegen staatliche Überwachungsmaßnahmen „Freiheit statt Angst“ – siehe unseren Hinweis – hat niemand geringeres als Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) noch eine Schüppe draufgelegt.

In einem längeren Interview mit der taz reicht sie zunächst eine Apologetik („Und es ist ja nicht so, dass wir nicht mit den Kritikern der Internetsperren geredet hätten. Ihre Argumente sind berücksichtigt worden …“) zu dem von der SPD mitbeschlossenen Internetsperrgesetz dar – gepaart mit viel Widersprüchlichem („Das Gesetz ist notwendig geworden, weil die Kollegin von der Leyen angefangen hat …“) und groben Ungereimtheiten („… ich musste vielmehr zur Kenntnis nehmen, dass die Provider bereit waren, diese Verträge abzuschließen. Und um in dieser Situation Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen, ging kein Weg an der gesetzlichen Regelung vorbei …“).

Dann allerdings folgt der Paukenschlag! Vordergründig Bezug nehmend auf das unzulängliche Politikangebot der Piratenpatei äußert Frau Zypries kurzerhand Sympathien für eine Totalüberwachung mittels Identifizierung (ID) des personalen IP-Verkehrs. Doch hören wie sie im Wortlaut:

„[taz:] Über was müssten die Piraten denn Ihrer Meinung nach diskutieren?
[Zypries:] Das müssen sie schon selbst wissen, ein Teil dessen, den ich für diskussionswürdig halte, habe ich ja beschrieben. Die technische Entwicklung geht mit Rasanz voran, wer weiß, ob wir nicht in fünf Jahren eine neue Generation des Internets haben. Vielleicht hat dann jeder Mensch eine individuelle IP-Adresse, die so unverwechselbar ist wie seine Telefonnummer? Was hieße das denn für die Anonymität des Netzes? Aber von solchen Entwicklungen wissen viele Piraten offenbar gar nichts – jedenfalls diskutieren sie nicht darüber.

[taz:] Was heißt das?
[Zypries:] Nun, wenn sich das Internet so entwickelte, hätten wir zum Beispiel viele Probleme bei der Verfolgung von Straftaten im Internet nicht mehr, weil die IP-Adresse wie ein Fingerabdruck zum Aufspüren von Kriminellen genutzt werden könnte. Wahrscheinlich gefällt das den Piraten nicht. Aber man muss sich doch trotzdem der Diskussion und den Problemen stellen und dabei Konzepte für die Zukunft entwickeln.“

Der Vergleich ist natürlich völlig windschief. Weder existiert eine staatlich registrierte, persönliche Telefon-ID, noch lassen sich IP-Adressen – darin in Übereinstimmung zu einem Telefonanschluß – nicht zu ihren Nutzern nachverfolgen. Gefordert wird also nicht mehr und nicht weniger als der jederzeit identifizierbare digitale Fingerabdruck zur anlaßunabhängigen Überwachung aller Bewegungen im Netz. Worte sind manchmal eben doch verräterisch.

Ein Kommentar zu “SPD kokettiert mit Totalüberwachung im Netz”

  1. […] Ex-Justizministerin Zypries (SPD), schon in ihrer Amtszeit eher durch Inkonsistenz in Sachen Netzpolitik aufgefallen, fordert ein Internetgesetzbuch. In einem Interview mit der FAZ (nicht kostenfrei […]