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Verwaiste Werke: Europäische Schrankenregelung schlägt deutsches Verbändemodell

Die Organe der Europäischen Union haben sich nach langem Tauziehen auf eine Regelung zu den Verwaisten Werken verständigt. Diese steht hier (pdf) online. Rat und Parlament müssen formell noch zustimmen, der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird noch in diesem Jahr erwartet.

Das Justizministerium will nun schnellstmöglich eine nationale Regelung vorschlagen, die im Einklang mit der kommenden europäischen Richtlinie steht. Die entsprechenden beteiligten Akteure wurden aus dem BMJ in diesen Tagen um ihre Position und Meinung zu der Einigung konsultiert. Interessant ist, dass trotz massiven Lobbyings gegen den Ursprungsvorschlag der Kommission trotzdem wie auch im ersten Entwurf eine Schrankenregelung vorgeschlagen wird. Damit wäre, auch nach Einschätzung des BMJ, die u.a. vom Kulturrat, dem Börsenverein, der Deutschen Literaturkonferenz und den Verwertungsgesellschaften geschlossene informelle Einigung  („Verbändemodell“), die von der SPD in Gesetzesform in den Bundestag eingebracht wurde, nicht mehr EU-rechtskonform umsetzbar. Öffentliche Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollen nach einer sorgfältigen Suche nach möglichen Rechteinhabern digital zur Verfügung gestellt werden dürfen. Vergütung sollen nicht präventiv zur Haftungsfreistellung gezahlt werden, sondern erst, wenn ein Rechtsinhaber tatsächlich bekannt wird. Unter diesen Rahmenbedingungen wäre hierzulande eine Umsetzung des Gesetzentwurfesmöglich, die die Linksfraktion bereits auf der Grundlage der alten EU-Urheberrechtsrichtlinie in das Parlament eingebracht hatte. Dieser würde Bibliotheken und ähnlichen  Einrichtungen eine deutlich höhere Rechtssicherheit für die Digitalisierung bei aufwandsangemessenen Kosten für die Vergütung bringen. 

Das BMJ verweist in der Konsultation auf Gestaltungsspielräume des nationalen Gesetzgebers, die in der kommenden, zweijährigen Umsetzungsperiode zu regeln sind.

1. Zukünftig sollen auch Werke unter die Regeln fallen, die nicht verbreitet oder gesendet wurden, die aber etwa durch öffentliche Kultureinrichtungen und Archive der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Der Gesetzgeber könnte diese Geltung bis zum Stichtag der Umsetzungsfrist der neuen Richtlinie beschränken.

2. Die Verschärfung der Kriterien für eine „sorgfältige Suche“ liegen ebenfalls im Entscheidungsbereich der nationalen Parlamente, u.a. die Erweiterung der zur Suche heranzuziehenden Kataloge und Verzeichnisse. Nach dem Vorschlag der LINKEN sollte es auf jeden Fall um eine standardisierte Suchvorgänge gehen.

3. Die öffentlichen Bibliotheken und Kultureinrichtungen können ggf. Verwertungsgesellschaften oder andere Auftragnehmer mit der umsetzung der sorgfältigen Suche beauftragen. Hier wird zu problematisieren sein, welche (Auschluss-)Rechte Verwertungsgesellschaften damit bekommen.

4. Die Höhe der Vergütung und der Zeitpunkt, ab wann solche für bekannt gewordene Rechteinhaber zu zahlen ist, obliegen ebenfalls der Entscheidung auf nationaler Ebene. Das „Verbändemodell“ sah hier Gebührensätze von 0,50 bis etwa acht Euro vor. Hier sollte eine transparente Debatte geführt werden, die vor dem Hintergrund, dass diese Sätze nun nicht mehr präventiv für alle digitalisierten Werke zu zahlen sind, etwas entspannter zu sehen ist.

Insgesamt dürfte die EU-Richtlinie einen ordentlichen Schritt nach vorn für europäische Digitalisierungsinitiativen, die Europeana und auch die DDB bedeuten. Derverrückten Idee der Vewertungsgesellschaften, sich Vergütungen für Werke zu sichern, an denen sie keinerlei Rechte besitzen, wird ein Riegel vorgeschoben. Aber auch die auf nationaler Ebene zu fällenden Entscheidungen tragen genug Potenzial in sich, die gute EU-Regelung in der Umsetzung zum echten Hemmnis für die Digitalisierung verwaister Werke und des kulturellen Erbes insgesamt zu entwickeln.

2 Kommentare zu “Verwaiste Werke: Europäische Schrankenregelung schlägt deutsches Verbändemodell”

  1. […] zugänglich zu machen. Eigentlich eine gute Sache, doch leider ist die Richtlinie nach einem guten ersten Aufschlag der Kommission beim Lauf durch die Instanzen verschlimmbessert worden. So richtig zufrieden ist […]

  2. […] 3.: Eine entgeltfreie Schranke zur Nutzung verwaister Werke hatte auch die LINKE vorgeschlagen. Schön, dass das BMJ diesem Vorschlag folgt. Entsprechend der europäischen Richtlinie […]