DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Zukunft der Arbeit

Wie die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert, ist ein beliebtes Thema. Nicht nur die Internet-Enquete hat sich in einer eigenen Projektgruppe damit beschäftigt, sondern es gab auch auf der re:publica 2013 gleich mehrere Vorträge zu diesem Thema.

Der Montag liebt dich“, hieß der von Teresa Bücker, bekannt als Fräulein Tessa. Die Entgrenzung der Arbeit lasse sich nicht mehr rückgängig machen, so Bücker, Arbeit und Freizeit seien immer schwerer zu trennen, und das werde sich wohl auch so fortsetzen. Die naheliegende Konsequenz: Wenn die Arbeit sich nicht aus dem Leben heraushalten kann, müsse das Leben sich eben in die Arbeit hineinentwickeln. Nicht eine Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben im Sinne eines Nebeneinander sei erstrebenswert, sondern die Arbeit müsse lebenswerter, attraktiver werden. Unternehmen dürften sich in Zukunft nicht mehr nur für die Arbeit ihrer Mitarbeiter interessieren, sondern müssten auch deren Gesundheit und ihre sozialen Beziehungen im Blick haben. Arbeit müsse beziehungsorientierter werden, denn Beziehungen und Freundschaften seien das Fundament von Wirtschaft und Gesellschaft.

Bücker formuliert als positive Utopie, was andere als Übergriffigkeit beschreiben: die zunehmende Indienstnahme persönlicher Beziehungen, die Unterordnung des „general intellect“, also der persönlichen Fähigkeiten und Sozialbeziehungen, unter das Primat der Unternehmensziele. Wenn man sich bei der Arbeit nicht nur selbst verwirklichen kann, sondern auch seine persönlichen Beziehungen ausleben, ja wenn man bei der Arbeit sogar seine persönlichen Ziele verwirklichen kann, dann kann die Arbeit ruhig das Leben sein. Es setzt dann allerdings voraus, dass Unternehmen sich um ihre Beschäftigten über die Arbeit hinaus kümmern. Das klingt ein bisschen neofeudal, aber der historische Bezug taucht nicht auf.

Jutta Allmendinger vom wzb Berlin entwickelt in ihrem Vortrag weniger ehrgeizige Utopien, wenngleich auch sie zu dem Schluss kommt, dass eine Neuaufstellung von Markt, Staat und Familie nötig sei. Allmendinger beschäftigt sich mit der Erwerbsbeteiligung von Frauen, was angesichts der Diskussionen um Frauenquoten in Wirtschaft und Politik ein hochaktuelles Thema scheint. Gerade die Quotierungsdebatte hält die Wissenschaftlerin jedoch für ein Ablenkungsmanöver. Zwar sei der Anteil berufstätiger Frauen im Verlauf der letzten 30 Jahre immer weiter angestiegen. Das Arbeitsvolumen von Frauen habe sich jedoch nicht verändert. Nur hätten früher mehr Frauen in Vollzeit gearbeitet, während es heute mehr Teilzeitarbeit gebe. Es handle sich also bei dem Zuwachs um eine Umverteilung, die allein unter den Frauen stattgefunden habe. Deshalb sei auch die Forderung nach gleichem Geld für gleiche Arbeit nicht ausreichend. Man müsse vielmehr darüber nachdenken, wie die Zeitkontingente egalitärer verteilt werden könnten. Schon allein, um auch unbezahlte Tätigkeiten wie Kindererziehung, Pflege oder Weiterbildung in die Rechnung einzubeziehen. Was die soziale Absicherung angehe, sei für Frauen das Heiraten immer noch attraktiver als die eigene Erwerbsarbeit. Denn von der Rente des Mannes könnten sie später im Zweifelsfall besser leben als von der eigenen.

Johannes Kleske widmete sich in seinem Beitrag der These vom Ende der Arbeit durch zunehmende Automatisierung. Wenn Babysitter-Roboter in Zukunft die Kinderbetreuung übernehmen können, Reinigungsroboter die Wohnungen und Büros putzen, unbemannte Drohnen die Soldaten überflüssig machen, selbstfahrende Autos den Beruf des Fahrers überrollen, High-Frequency-Trading-Algorithmen die Broker an der Börse verdrängen, Mustererkennungssoftware den Anwälten und Radiologen einen Teil ihrer Arbeit abnimmt und am Ende vielleicht gar 3D-Drucker den Fertigungsarbeiter in China verdrängen – kommt dann nicht die Arbeitsgesellschaft an ihr Ende? Ausgehend von dieser Diagnose entwickelt Kleske zwei Zukunftsszenarien. In dem einen dienen Maschinen dazu, die verbliebenen Arbeitenden besser zu überwachen. So können Lagerarbeitern beispielsweise heute schon Armbänder mit elektronischen Sensoren verpasst werden, die die Frequenz der einzelnen Arbeitsschritte tracken. In dem anderen, bei dem Kleske sich auf Arthur C. Clarke beruft, nehmen die Maschinen den Menschen die Arbeit ab oder erleichtern sie ihnen zumindest, sodass diese mehr Zeit für andere Dinge haben oder zumindest die Arbeit menschlicher werden kann. Wie es wirklich kommen wird, das liege an uns, meint Kleske. Das Problem sei nur, dass sich außer Technikenthusiasten kaum jemand dafür interessiere.

Kleske ist auf der re:publica nicht der Einzige, der ein solches Wir beschwört, das anscheinend über fast unbegrenzte Handlungssouveränität verfügt, aber erst noch zum Nachdenken angeregt werden muss. Warum das Ende der Arbeit durch technischen Fortschritt nicht schon längst zum Nutzen aller angebrochen ist und welche systemischen Widerstände gegen eine Abkehr von der Arbeitsgesellschaft bestehen, thematisiert er leider nicht, sondern begnügt sich mit einem Seitenhieb auf die Gewerkschaften, die gedanklich im Industriezeitalter stecken geblieben seien.

Ein Stück weiter geht Trebor Scholz von der New School in New York City bei seinem Vortrag mit dem Titel „Digital labor: New opportunities, old inequalities“. Ausgehend von dem in Bangladesch eingestürzten Hochhaus und den dabei zu Tode gekommenen Textilarbeitern zieht Scholz eine Verbindungslinie von globalem Outsourcing zu digitalem Crowdsourcing. Die als innovativ gepriesenen neuen Geschäftsmodelle der digitalen Welt seien im Begriff, die Errungenschaften der letzten einhundert Jahre im Kampf um die Rechte von Arbeitenden mit einem Schlag zunichte zu machen. Crowdgesourcte Designwettbewerbe beruhten zumeist auf dem Prinzip, dass eine große Zahl der Teilnehmenden unbezahlt arbeite, weil am Ende nur das Design des Gewinners von dem Unternehmen prämiert werde. Unbezahlte Arbeit für ein Unternehmen sei jedoch Ausbeutung, in welcher rechtlichen Form auch immer sie daherkomme. Ähnlich hart fällt Scholz‘ Urteil über Amazons „Mechanical Turk“-Service aus. Viele, die sich dort registrierten, täten dies nicht freiwillig, sondern weil sie angesichts mangelnder sozialer Absicherung das Geld dringend benötigten, und sei es noch so wenig. Tatsächlich seien die bisweilen euphemistisch als „cloud worker“ bezeichneten, anonym bleibenden Arbeitskräfte eine Art digitales Lumpenproletariat. Die Unternehmen profitierten davon, dass die üblichen arbeitsrechtlichen Regularien in diesem Bereich zum Teil nicht gelten, zum Teil schlicht nicht durchgesetzt werden. Entsprechend plädiert Scholz für eine stärkere Verrechtlichung des unregulierten Raums der digitalen Arbeitswelten. Arbeiterrechte aus der Offline-Welt müssten auch für Services wie „Mechanical Turk“ gelten und zur Not juristisch eingefordert werden.

Wie ein zusammenfassender Abschluss der Panels zur Zukunft der Arbeit wirkt schließlich Matthias Spielkamps Vortrag zum bedingungslosen Grundeinkommen. Unter Berufung auf Andre Gorz und Philippe Van Parijs argumentiert der Journalist und Autor wiederum mit den enormen Produktivitätsfortschritten, kommt aber zu dem Schluss, dass darauf mit einer neuen Art der Einkommensverteilung reagiert werden müsse. Wenn immaterielle Arbeit, wie Gorz formuliert habe, das „Herz der Wertschöpfung“ sei, immaterielle Arbeit aber überall geleistet werde, nicht nur am Arbeitsplatz, dann sei auch ein Grundeinkommen begründbar, das bedingungslos, also ohne konkrete Gegenleistung, ausgezahlt wird.

Spielkamp räumt am Ende freimütig ein, hauptsächlich den theoretischen Hintergrund der Grundeinkommensdebatte zusammengefasst zu haben. Er habe jedoch das Gefühl, die Diskussion sei in der Netzcommunity noch nicht richtig angekommen. Da könnte er recht haben. Mit ihren Panels zur Zukunft der Arbeit ist es der re:publica 2013 gelungen, einen Überblick über allerlei Phänomene und Entwicklungen zu geben, die außerhalb der digitalen Welt mitunter wenig wahrgenommen werden. Umgekehrt scheinen jedoch manche Vortragende die Debatten zum Thema, die außerhalb des Netzes seit dreißig Jahren mitunter auf hohem Niveau geführt werden, kaum zur Kenntnis zu nehmen. Würde sich das ändern, würde vielleicht auch der in letzter Zeit oft eingeforderte Brückenschlag der Netzcommunity zum Rest der Gesellschaft leichter.

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