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Netzneutralität im Interregnum: Wie sich die Bundesregierung zum Kommissionsvorschlag einer EU-Verordnung verhält

Die Europäische Kommission hat am 11.09.2013 den Entwurf einer Verordnung über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents vorgelegt. Mit Artikel 23 der Verordnung würde die Netzneutralität faktisch abgeschafft, ein Zwei-Klassen-Internet zugunsten priorisierter Spezialdienste etabliert und sogar Netzsperren wären möglich. Da eine Verordnung, anders als eine Richtlinie, unmittelbare Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten entfaltet und von diesen nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden muss, lautet eine der wesentlichen Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wie sich die Bundesregierung zum Verordnungsvorschlag der Kommission verhält.

Wenig bekannt war bislang, dass die Ständige Vertretung Deutschlands bei der EU bereits am 27.08.2013 in einem sogenannten Frühwarnbericht auf den immensen Zeitdruck hingewiesen hatte und darauf, dass das Vorhaben nach Vorstellung der Kommission bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments (Ende Mai 2014) verabschiedet werden solle. Daher müsse die deutsche Seite entscheiden, so heißt es in dem Bericht weiter, ob sie der aktuellen Kommission durch einen raschen Abschluss der Vorschläge entgegen kommt oder aber einer vertieften Diskussion über Änderungen des Rechtsrahmens mit der neuen Kommission den Vorzug gibt.

Halina Wawzyniak hat diese Frage unlängst zum Anlass genommen, sie in schriftlicher Form an die Bundesregierung weiterzureichen. Die Antwort ist auch insofern von Bedeutung, da nach der konstituierenden Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am 22.10.2013 ein Interregnum droht. Voraussichtlich bleibt die bestehende Bundesregierung aufgrund ungewisser Regierungsmehrheiten und nicht abgeschlossener Koalitionsverhandlungen zunächst geschäftsführend im Amt. Ferner ist bis auf weiteres völlig unklar, wann sich die Ausschüsse des Bundestages konstituieren.

Die Fachausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und auf Beschluss des Bundestages für die Dauer der gesamten Wahlperiode gebildet. Von wenigen Abweichungen abgesehen folgen sie der Organisation der Bundesregierung in Bundesministerien. Fristvorgaben zur Konstituierung allerdings bestehen selbst für nach dem Grundgesetz zwingend einzusetzende Ausschüsse – wie jenem für die Angelegenheiten der Europäischen Union – nicht. Das Interregnum einer geschäftsführenden Regierung wäre demzufolge mit einer eingeschränkten Handlungsfähigkeit des Parlaments verbunden.

Die Antwort der Bundesregierung (Vorabversion) liegt nun vor. In ihr bestätigt das federführende Bundeswirtschaftsministerium noch einmal den Wunsch der Kommission, das Vorhaben bis spätestens Ende Mai 2014 abzuschließen, bezeichnet den Zeitpunkt der avisierten Finalisierung zugleich als „ambitioniert“ und bekundet, sich in den Prozess „konstruktiv“ einbringen zu wollen. Auch seien Konsultationen der Ressorts und der betroffenen Verbände bereits in die Wege geleitet bzw. liegen solche – genannt wird das Datum Anfang Oktober – bereits vor.

Die insgesamt lavierende und in Hinsicht auf die Ausgangsfrage ausweichende Antwort legt nahe, dass die Bundesregierung keinen nennenswerten Widerstand gegen die Abschaffung der Netzneutralität via Europa zu leisten bereit ist. Das käme ihrer bisherigen Disposition entgegen. Zwei Entwürfe zu einer Netzneutralitätsverordnung wurden im Sommer des Jahres durch das Wirtschaftsministerium zunächst vorgelegt und dann wieder zurückgezogen, eine für den 28. August vorgesehene Anhörung im Wirtschaftsausschuss abgesagt. Die Verlagerung des Gegenstands auf die Ebene der EU zeichnete sich damals bereits ab.

Wie ein Blick auf den Tagungskalender der Organe der EU zeigt, könnten entscheidende politische Weichenstellungen jenseits einer Beteiligung des Parlaments schon beim nächsten Treffen des Europäischen Rats am 24./25.10.2013 in Brüssel vorgenommen werden. Auf der Agenda für die Gipfeltagung der Staats- und Regierungschefs der EU steht unter anderem der Themenbereich „Digitale Wirtschaft, Innovation und Dienstleistungen“. Auf der Ebene der Fachminister würden nach diesem informellen Szenario anschließend die weiteren Einzelheiten im Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie festgelegt. Das nächste Treffen des Gremiums findet zwar bereits am 10.10.2013 statt, doch wird dieses nach vorliegenden Plänen ausschließlich Verkehrsthemen gewidmet sein  (Background, 03.10.2013). Zum zweitägigen Folgetermin sollen internen Informationen zufolge am 05.12.2013 erneut Verkehr und am 06.12.2013 Telekommunikationsangelegenheiten verhandelt werden.

Da bis zu diesem Zeitpunkt (Nikolaus) der Bundestag kaum handlungsfähig sein wird, bliebe noch der ebenfalls zu befassende Bundesrat. Diesem ist vor der Festlegung der Verhandlungsposition zu einem Vorhaben der EU Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Kann zwischen Bund und Ländern kein Einvernehmen hergestellt werden, müsste der Bundesrat allerdings in einem weiteren Schritt sein negatives Votum mit Zwei-Drittel-Mehrheit erneuern, um sich durchzusetzen (§ 5 Abs. 2. EUZBLG) – eine nach der bestehenden Zusammensetzung nahezu auszuschließende Variante.

Demnach dürfte sich alles auf das Europäische Parlament fokussieren. Dessen kritische, die Netzneutralität bewahrende Haltung ist aus zwei Resolutionen

aus dem Jahr 2012 bekannt, kann bei Abstimmungen über ein Gesamtpaket jedoch nicht umstandslos vorausgesetzt werden. Keine einfache Konstellation also für parlamentarische wie außerparlamentarische Akteure, die Neutralität des Netzes zu bewahren. Von einer Bunderegierung im Interregnum jedenfalls ist ein entsprechender Vorstoß nicht zu erwarten.

Ein Kommentar zu “Netzneutralität im Interregnum: Wie sich die Bundesregierung zum Kommissionsvorschlag einer EU-Verordnung verhält”

  1. Duckhome sagt:

    Aufgelesen und kommentiert 2013-10-08

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