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Siegfried Kauder plädiert jetzt für Two-Strikes – Three-Strikes bleibt Option

Was ist eigentlich aus Siegfried Kauders (CDU) Gesetzesinitiative für Three-Strikes geworden? Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag hatte im Herbst letzten Jahres angekündigt, noch vor Weihnachten einen Gesetzentwurf zu Warnhinweisen einschließlich Internet-Entzug vorzulegen (wir berichteten). Dazu und zu weiteren Planungen ist nun in einem Interview mit Kauder in der April-Ausgabe der Zeitschrift promedia (nur offline) erhellendes zu lesen:

„Ich bin nach vorn geprescht, habe ein Three-Strikes-Modell vorgestellt, mit der Internetsperre als letzte Stufe, um die Debatte zu beginnen. Ich fand die Reaktionen spannend: Es gab einen wilden Aufschrei. Einige meinten, mich als Außenseiter separieren zu müssen. Ich weiss, dass die Internetsperre gegenwärtig nicht durchsetzbar ist. Dann setzen wir eben ein Two-Strikes Modell um. Das zweistufige Warnmodell ist nichts anderes als eine kostenlose Abmahnung. Man zahlt bisher für Abmahnungen Anwaltskosten in einer Größenordnung von 1.000 bis 2.000 Euro für den geringfügigsten Verstoß. Das Justizministerium sucht einen anderen Weg, die Abmahnkosten generell für alle Bereiche zu senken. Da werden sicher bald die Anwälte protestieren. Deswegen ist das Two-Strikes-Modell noch immer der bessere Weg.“

Somit schließt sich Kauder den Forderungen der Rechteinhaber nach einem sanktionierten Aufklärungs- und Warnhinweismodell an. Nach dem im Rahmen des Wirtschaftsdialogs im Bundeswirtschaftsministerium präsentierten Modell (pdf) sollen die Provider auf Grundlage von zuvor durch die Rechteinhaber ermittelten IP-Adressen Warnhinweise verschicken. Nutzerinnen und Nutzer droht im Wiederholungsfall eine ernstzunehmende Sanktion – auch technischer Art.

Das Modell wurde durch ein vom Ministerium in Auftrag gegebenes Gutachten im Januar des Jahres als europa- und verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt. Kauder allerdings betrachtet auch Internetaussperrungen als verfassungsrechtlich möglich:

„Natürlich darf man jemanden aus dem Internet aussperren, das ist aber politisch nicht umsetzbar und vielleicht auch nicht effektiv. Man geht hier aber den Netzpolitikern immer mehr auf den Leim. Aber wenn man A sagt, muss man auch B sagen. Das Zweistufenmodell kann nicht bedeuten, dass man zwei Stufen zündet und dann alles im Sande verlaufen lässt. Dann müssen Anzeigen auch konsequent verfolgt werden.“

Die geforderte Inpflichtnahme der Zugangsanbieter bildet nur einen ersten Schritt in einem Reigen weiterer Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung. Schließlich könnten die Rechteinhaber, wenn sie es denn wollten, schon heute Warnhinweise selbsttätig verschicken, anstatt die von ihnen durch beauftragte Dritte ermittelten IP-Adressen für Abmahnschreiben zu nutzen. Das Aufklärungs- und Warnhinweismodell ist denn auch dem Umstand geschuldet, dass nach dem Scheitern des Zugangserschwerungsgesetzes Internetsperren hierzulande gegenwärtig nicht durchsetzbar sind.

Auch ist das Modell ausschließlich auf die Bekämpfung von P2P-Filesharing beschränkt. Dessen Anteil an der Gesamtheit aller Rechtsverletzungen soll in Deutschland bei etwa 20 % liegen. Naheliegend wäre es aus Sicht und Interessenkonstellation der Rechteinhaber daher, eine flächendeckendere Lösung anzustreben und schon bald die Ausweitung in der Bekämpfung von Rechtsverletzungen auf die übrigen 80 % – beispielsweise Sharehoster oder Streaming-Anbieter – einzufordern.

Das öffentlich auszusprechen halten die Rechteinhaber gegenwärtig nicht für opportun. Kauder prescht auch hier schon einmal vor:

„Man muss die Finanzströme austrocknen. Mit illegalen Plattformen verdient man sehr viel Geld, das man beschlagnahmen muss. Das geht nicht auf nationaler Ebene, sondern nur auf europäischer Ebene. Das muss der nächste Schritt sein.“

Und:

„Es gibt auch das Argument, dass die Nutzer besser aufgeklärt werden müssten. Die Diskussion ist schon nahezu abstrus. Die Aufklärung nützt nichts, denn der Mensch denkt ökonomisch klug. Wenn er etwas kostenlos bekommt und die Gefahr von Sanktionen relativ gering ist, nimmt er es sich. Auf Vernunft zu bauen, wird nichts bringen. Wir müssen staatlich reagieren.“

Kauder will die Provider noch im April an einen Tisch holen, um mit ihnen die Möglichkeiten durchzugehen, „ob und wie man Plattformen sperren kann und was und wie gelöscht werden kann.“ Auch ruft er die Rechteinhaber auf, den Druck in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Den Netzpolitikern müsse klar gemacht werden, „dass es kein exklusives politisches Feld für sie ist.“ Spätestens bis zum Jahresende müssten Rechtsverschärfungen „eingetütet“ sein. Danach sei es für diese Legislaturperiode ob des beginnenden Bundestagswahlkampfs zu spät.

Und was wurde nun aus Kauders Gesetzesinitiative? Dazu der Vorsitzende des Rechtsausschusses:

„Der Gesetzentwurf liegt in der Schublade. Ich warte ab, was die Regierung tut. Das Wirtschaftsministerium kommt in die Gänge, mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger werde ich sprechen, mit den Mitgliedern meiner Fraktion habe ich schon gesprochen. Wenn ich der Meinung bin, es ist umsetzbar, präsentiere ich den Entwurf.“

Wer A sagt, muss auch B sagen. Three-Strikes bleibt für Kauder eine Option.

Im selben Heft der promedia übrigens zieht Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), „Ein Zwischen-Résumée des Wirtschaftsdialogs“. Demnach wurde den Rechteinhabern zugesagt, dass vor der Sommerpause ein Bündel von Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung vorliegen solle.

 

tl;dr

Auf Two-Strikes folgt Three-Strikes.

9 Kommentare zu “Siegfried Kauder plädiert jetzt für Two-Strikes – Three-Strikes bleibt Option”

  1. […] Scheele: Siegfried Kauder plädiert jetzt für Two-Strikes – Three-Strikes bleibt Option – Digitale Linke „Natürlich darf man jemanden aus dem Internet aussperren, das ist aber […]

  2. Beate sagt:

    Kauder? Das war doch der, der das Urheberrecht nicht versteht:
    http://www.zeit.de/digital/internet/2011-09/kauder-urheberrecht-fotos

  3. Doc sagt:

    Vorsicht…Kauder suggeriert abermals, 2-Strikes bedeute „kostenlose Abmahnungen“. Die ergänzende zivilrechtliche Einforderung von Schadensersatzforderungen für bleibt aber m.W.n. bestehen – diese erheblichen Kosten in Höhe von mind. mehreren 100 Euro (bei P2P-Uploads) kämen also auch bei 2-Strikes zusätzlich obendrauf!!

  4. […] Siegfried Kauder plädiert jetzt für Two-Strikes – Three-Strikes bleibt Option &laquo… "Kauder will die Provider noch im April an einen Tisch holen, um mit ihnen die Möglichkeiten durchzugehen, „ob und wie man Plattformen sperren kann und was und wie gelöscht werden kann.“ Auch ruft er die Rechteinhaber auf, den Druck in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Den Netzpolitikern müsse klar gemacht werden, „dass es kein exklusives politisches Feld für sie ist.“ Spätestens bis zum Jahresende müssten Rechtsverschärfungen „eingetütet“ sein. Danach sei es für diese Legislaturperiode ob des beginnenden Bundestagswahlkampf zu spät." […]

  5. […] Medienordnung schaffen Positionspapier des Parteivorstandes « Siegfried Kauder plädiert jetzt für Two-Strikes – Three-Strikes bleibt Option […]

  6. […] Digitale Linke: Siegfried Kauder plädiert jetzt für Two-Strikes – Three-Strikes bleibt Option (via +Marcel […]

  7. […] natürlich fragt, warum man nach der Verwarnung nicht einfach auch den Internetanschluss abklemmt? Er weiß wohl, dass dies politisch derzeit wenig opportun ist, aber er ist ihnen sicher für ihre Vorarbeit […]

  8. Netzstachel sagt:

    Und was machen die User des Postbriefes z.B. bei einer Internetsperre?

    User des Postbriefes müssen regelmäßig ihr Postfach kontrollieren um keine Fristen zu verpassen. Dort eingegangene Schreiben gelten als zugestellt.

    Wenn man bei der entsprechenden Behörde erst mal als Postbriefkunde registriert ist wird man Schreiben nur noch elektronisch erhalten. Wie soll das denn funktionieren wenn einem dann das Internet abgeklemmt wird?

    Angeblich wollen doch die Behörden (siehe auch nPA) dass die Bürger immer mehr Verwaltungstätigkeiten über das Internet wahrnehmen. Da sind Internetsperren eigentlich nicht möglich.

    Und wie wird eine Internetsperre durchgesetzt?

    Bekommen die Personen dann einen UMTS-Blocker in die Wohnung?

    Was hindert jemanden daran sich eine Prepaidkarte beim Discounter zu holen und darüber wieder ins Internet zu gehen?

  9. Normaline sagt:

    Warum sind Volker und Siefried Kauder Brüder?
    Weil einer alleine gar nicht so strohdumm sein kann!