Die Bundesregierung hat in einer Antwort (pdf) auf eine Kleine Anfrage von Halina Wawzyniak, Petra Sitte und der Bundestagsfraktion DIE LINKE die Teilnehmer am „Wirtschaftsdialog zur Bekämpfung der Internetpiraterie“ benannt. Unter dieser Bezeichnung firmiert ein vom Bundeswirtschaftsministerium einberufener fester Kreis von Unternehmen und Verbänden der Rechteinhaber- und der Providerseite, die seit Beginn des Dialogs im Jahr 2008 zusammenkommen. Am 15. März 2012 soll im Wirtschaftsdialog die vom Ministerium in Auftrag gegebene Warnhinweisstudie behandelt werden.
Die Studie propagiert ein sogenanntes vorgerichtliches Warnhinweismodell: Demnach wird im Falle einer Urheberrechtsverletzung dem Anschlussinhaber vom Zugangsanbieter zunächst ein Warnhinweis geschickt und bei wiederholtem Verstoß sodann dem Rechteinhaber für weitere Sanktionen Auskunft über den Anschlussinhaber erteilt. Insgesamt nehmen 36 Verbände und Unternehmen am Wirtschaftsdialog und der Diskussion der Studie teil. Davon sind 10 der Providerseite und 26 den Rechteinhabern zuzuordnen. Im Einzelnen sind das:
- Deutscher Komponistenverband e.V.
- G.A.M.E. Bundesverband der Entwickler von Computerspielen e.V.
- Sky Deutschland GmbH & Co. KG
- Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V. (VUT)
- Deutscher Journalisten-Verband e.V.
- Deutscher Textdichter-Verband e.V.
- Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW)
- Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT)
- Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (vatm)
- GEMA Hauptstadtbüro Berlin
- Markenverband
- Verband der Filmverleiher e.V. (VDF)
- Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU)
- ANGA Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V.
- Bundesverband Musikindustrie e.V.
- Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. (BITKOM)
- Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco)
- Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
- Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen
- Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V.
- Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO)
- Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
- Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU)
- Unitymedia Group
- Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL)
- Universal Music Entertainment GmbH
- Deutsche Telekom AG
- Microsoft Deutschland GmbH
- Intellectual Property and Media Law
- Vodafone D2 GmbH
- OESTERLINCOM
- Telefónica o2 Germany GmbH & Co. OHG
- Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ)
- Motion Picture Association
- Constantin Medien
- 1 & 1 Internet AG
Auf Seite der Rechteinhaber liest sich die Liste wie ein ultimatives „Who is Who“ der Befürworter von Online-Überwachung und Netzsperren in Deutschland. Nahezu alle Verbände und Unternehmen der beteiligten Content-Industrie haben sich – wir berichteten – im Vorfeld für Warnhinweise ausgesprochen. Ominös erscheint eine bislang unbekannte Organisation oder Rechtsanwaltskanzlei mit Namen „Intellectual Property and Media Law”.
Bei OESTERLINCOM schließlich handelt es sich offenbar um ein Ein-Mann-Unternehmen für Beratung und Projektmanagement im Bereich Kino, Film, Theater und Event. Firmeninhaber Jan Oesterlin verantwortete – seinerzeit noch als Geschäftsführer der Zukunft Kino Marketing GmbH – die Kampagnen der deutschen Filmwirtschaft „RESPE©T COPYRIGHTS“ und „Raubkopierer sind Verbrecher“.
Die Antipiraterie-Kampagne „RESPE©T COPYRIGHTS“ wurde 2005 ins Leben gerufen und später unter dem Titel „Raubkopierer sind Verbrecher“ modifiziert, um sich, so das strategische Ziel, in Deutschland für eine abgemilderte Version zum umstrittenen „Three Strikes“ einzusetzen. Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), erklärte dazu im Jahr 2008: Anders als in Frankreich und Großbritannien plädiere die deutsche Filmwirtschaft nicht dafür, den Nutzern „den Saft abzudrehen“. Statt dessen sollten hierzulande Warnmails, die Internetprovider an auffällig gewordene Kunden verschicken, im Vordergrund stehen.
Interessant ist ferner, dass die Interessen der US-amerikanischen Filmindustrie im Wirtschaftsdialog unmittelbar vertreten sind. Mit der Motion Picture Association (MPA) nimmt der internationale Arm der Motion Picture Association of America (MPAA) am Verhandlungstisch Platz. Die MPA wird oft als „Außenministerium“ der MPAA bezeichnet und vertritt die Intereressen der US-Studios in über 150 Ländern.
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch, dass die MPAA auf ihrer Webseite die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) als deutschen Vertreter ihrer Interessen ausweist und die GVU selbst wiederum in ihrem „Jahresbericht 2010“ (pdf) die MPA als Mitgliedsverband aufführt.
Die Content-Industrie vertritt demnach im Wirtschaftsdialog mehrfach sich selbst. Das gilt nicht nur für die Filmindustrie, sondern auch für die Musik- (GEMA, BVMI, etc.) und die TV-Industrie (VPRT, Sky Deutschland, etc.). Von Dialog zu sprechen, fällt bereits aufgrund des unausgewogenen Verhältnisses (26:10) zwischen Rechteinhabern und Providern schwer. Doch fehlt eine Interessenslage vollständig.
Auf die Frage, ob auch Akteure der Zivilgesellschaft, die sich gegen Online-Überwachung und Warnhinweismodelle wenden, zur Diskussion der Warnhinweisstudie am 15. März eingeladen werden, gab es keine Antwort von der Bundesregierung.
Wenigstens die Politiker, die das UrhG stärken wollen, halten sich ans UrhG – will man meinen. Tun sie aber nicht. Im Netend-Wiki (http://de.netend.wikia.com/wiki/Netend_Wiki) sind einige solcher Urheberrechtsverletzungen dokumentiert. Politiker predigen Wasser und trinken den von der Content-Industrie bezahlten Wein.
[…] Und auch die Antwort auf die Kleine Anfrage der LINKEN zu ACTA, IPRED und Warnhinweisen liegt mittlerweile vor. Darin heißt es u.a., dass es “keine geheimen Protokolle oder Vereinbarungen zur Auslegung des Abkommens, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden” gibt. Im Hinblick auf die Enforcement-Richtlinie wird wiederholt, dass Änderungen an der Richtlinie aus deutscher Sicht nicht veranlasst sind. Im Hinblick auf die Warnhinweisstudie empfiehlt sich in jedem Fall anzusehen, wer zur Debatte derselben am 15. März 2012 eingeladen wurde. Sehr schön zusammengefasst und bewertet wurde die im übrigen hier. […]
[…] einige Vertreter von Urheberorganisationen und die Internetprovider. Die Teilnehmerliste hat eine Anfrage der Fraktion Die Linke ans Tageslicht gebracht. Nicht dabei sind Verbraucher- und Datenschützer, sowie digitale Bürgerrechtler. An uns […]
[…] einige Vertreter von Urheberorganisationen und die Internetprovider. Die Teilnehmerliste hat eine Anfrage der Fraktion Die Linke ans Tageslicht gebracht. Nicht dabei sind Verbraucher- und Datenschützer, sowie digitale Bürgerrechtler. […]
Aufgelesen und kommentiert 2012-03-14…
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[…] nach einem sanktionierten Aufklärungs- und Warnhinweismodell an. Nach dem im Rahmen des Wirtschaftsdialogs im Bundeswirtschaftsministerium präsentierten Modell (pdf) sollen die Provider auf Grundlage von […]
[…] und Verbraucherschützern geführt. Moment mal: Das BMWi schreibt Verbraucherschützer??? Laut den Linken sind die Teilnehmer am Wirtschaftsdialog ausschließlich Rechteinhaber und Dienstean…. In der Liste, die das BMWi aufgrund einer kleinen Anfrage der Linken offenlegte, findet sich kein […]