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Der grüne Copy-Paste-Gesetzentwurf zum Abmahnwahn

Die Grünen haben auf ihrer Webseite unlängst ihre Vorschläge für ein „zeitgemäßes Urheberrecht“ vorgestellt. Man habe „über ein Jahr gearbeitet“, zitiert heise den rechtspolitischen Fraktionssprecher, Jerzy Montag, um auf der „Riesenbaustelle Urheberrecht“ die „wichtigsten und tagesaktuell drängenden Aufgaben zu identifizieren“.
Zumindest ihren „Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens“ vom 04.03.2013 (Drucksache als PDF) haben die Grünen aber zu großen Teilen abgeschrieben, nämlich aus dem „Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken“, Bearbeitungsstand 12.03.2012, aus dem Bundesjustizministerium.

Zum Beispiel ist der § 97a, bei dem es um die Streitwertbegrenzung bei Abmahnungen geht, wortgleich aus dem BMJ-Entwurf übernommen. Hier ist die wesentliche Neuigkeit gegenüber der derzeitigen Gesetzeslage, dass ein Nutzer, der unberechtigt wegen Urheberrechtsverstößen abgemahnt wird, einen Anspruch auf „Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen“ kann. Dies hatte auch die LINKE schon in ihrem „Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung und der Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen“ vorgeschlagen. Bedauerlich ist, dass der Grüne Vorschlag für diesen Paragraphen hinter dem zurückbleibt, was das BMJ mittlerweile selbst anvisiert. Im neuesten „Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens“ (Bearbeitungsstand 19.02.2013) sind über diesen Erstattungsanspruch hinaus noch weitere Verbesserungen zugunsten unberechtigt Abgemahnter vorgesehen. Diese Version, auf die die Bundesregierung sich kürzlich geeinigt hat, haben die Grünen sich anscheinend nicht mehr angesehen.

Der §101 enthält Änderungen, die den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch betreffen, also die Herausgabe von IP-Adressen durch die Provider an die Rechteinhaber. Ist dafür bislang die Voraussetzung, dass die Rechtsverletzung „in gewerblichem Ausmaß“ begangen wird, soll zukünftig gelten, dass sie „im geschäftlichen Verkehr“ begangen worden sein muss. Was ist der Unterschied? Es geht darum zu verhindern, dass Gerichte von einem „gewerblichen Ausmaß“ schon dann ausgehen, wenn ein user z.B. nur wenige Songs in einer Tauschbörse zugänglich macht. Die LINKE hatte dafür „in Ausübung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Tätigkeit“ vorgeschlagen (nach BGB), die Grünen schreiben: „im geschäftlichen Verkehr“ (nach §16 UWG). Klar ist: Die „Ausmaß“-Formulierung muss weg, und das funktioniert hier gut.

Mit dem neu vorgeschlagenen §105a wollen die Grünen den „fliegenden Gerichtsstand“ bekämpfen, also den Umstand, dass die Musikindustrie immer dort vor Gericht zieht, wo sie sich die besten Chancen ausrechnet, meist in Köln und Hamburg. Dazu haben sie eine Regelung, die sowohl der ältere als auch der neueste Entwurf des BMJ als Neuregelung für das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ enthält, auf das Urheberrecht übertragen. Wahrscheinlich, weil sie bei Christian Solmecke gelesen haben, die Formulierung im Referentenentwurf sei „ein Schritt in die richtige Rechnung, der konsequenterweise auch auf Filesharing-Abmahnungen/Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen ausgedehnt werden sollte.“ Ob Solmecke damit wirklich meinte, dass man die Formulierung aus dem UWG abschreiben und ins Urheberrecht hineinpacken sollte, sei dahingestellt. Es wäre aber darauf angekommen, festzulegen, dass „NUR das Gericht“ zuständig ist, wo der Beklagte wohnt – dass also kein Wahlrecht besteht, der „fliegende Gerichtsstand“ nicht zur Anwendung kommen kann. Das Wort „nur“, das in den BMJ-Entwürfen noch drinsteht, haben die Grünen aber weggelassen – vielleicht bloß ein Fehler beim Abschreiben. Wie Thomas Stadler schon feststellte, ist nun allerdings fraglich, ob diese Regelung an der herrschenden Praxis etwas ändern würde.

Der neue §106 will offenbar Remixes und Mash-ups im privaten Rahmen straffrei stellen. Mit einer Veröffentlichung im Internet wäre der private Rahmen jedoch eindeutig überschritten, insofern ist unklar, was dieser Paragraph überhaupt soll. Schließlich hat man noch nie gehört, dass jemand für ein Remix belangt worden wäre, das er nicht öffentlich zugänglich gemacht oder aufgeführt hat. Geschweige denn strafrechtlich. Man darf das wohl unter Populismus abhaken.

In § 49 Gerichtskostengesetz wird es dann spannend: Hier soll die Deckelung der Abmahnkosten geregelt werden, da die bestehende Regelung des §97a meist leerläuft. Auch dies hatte zunächst die LINKE vorgeschlagen (Deckelung auf 1.000 Euro Streitwert), dann das BMJ (ebenfalls 1.000 Euro). Die Grünen starten jetzt mit 700 Euro in den Unterbietungswettbewerb. Die Formulierung des Paragraphen ist wiederum aus dem Gesetzentwurf des BMJ abgeschrieben. Lediglich die Ausnahmeregelung in Absatz 1 Nummer 2 erhält eine Befristung auf zwei Jahre.

Der Rest des Gesetzentwurfs (gewerblicher Rechtsschutz und unlauterer Wettbewerb) ist wiederum vollständig aus den Referentenentwürfen des BMJ übernommen.

Fazit: Die Grünen schreiben wesentliche Teile ihres Gesetzentwurfs „zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens“ einfach ab. Bei den Regelungen zum Urheberrecht ändern sie ein paar Details, orientieren sich aber insgesamt an der Regelungssystematik, die bereits LINKE und BMJ vorgeschlagen haben. Bei den Vorschlägen zum gewerblichen Rechtsschutz und zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb versuchen die Grünen sich nicht einmal an Änderungen, sondern schreiben einfach komplett vom BMJ ab.

Nun kommt es bei Gesetzentwürfen nicht auf die Originalität an, sondern auf die Wirkung. Aber der Höflichkeit halber hätten die Grünen durchaus erwähnen können, dass ihr Dokument im Wesentlichen auf die Arbeit der Bundesjustizministerin zurückgeht.

Ein Kommentar zu “Der grüne Copy-Paste-Gesetzentwurf zum Abmahnwahn”

  1. […] zwar keine derartigen Einschränkungen, ist aber handwerklich unsauber, wie andernorts (hier und hier) schon ausführlich berichtet wurde. So wird dem Bundestag am Donnerstag kaum etwas anderes übrig […]