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EU-Kommission plant Internetsperren [Update]

In einem Gastbeitrag für die FAZ verkündet EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, dass die „dunklen Ecken“ des Internet nun mal aufgeräumt werden müssten. Konkret sollten die Internetsperren europaweit vorgeschrieben werden:

Die Kommission schlägt vor, dem Beispiel einiger Mitgliedstaaten zu folgen, wo dies bereits geschieht und nationale Mechanismen einzuführen, um den Zugang zu Kinderpornographie zu blockieren. Die Mitgliedstaaten sollen selbst entscheiden, auf welchem Weg sie dieses Ziel am besten erreichen. Sie könnten beispielsweise Anbieter von Internetdiensten dazu ermutigen, freiwillige Verhaltensregeln und Leitlinien zu entwickeln, um Nutzern den Zugriff auf kinderpornographische Websites zu verweigern. Oder sie ermächtigen die zuständigen Polizei- und Justizbehörden per Gesetz, die Anbieter von Internetdiensten dazu aufzufordern, die Nutzung derartiger Seiten zu blockieren.

Am heutigen Montag soll ein entsprechender Richtlinienentwurf vorgestellt werden. Der von der Kommissarin angeführte Begründungskontext liest sich wie ein Remake der Zensursuladebatte in Deutschland:

Erstens steht das Leben unschuldiger Kinder auf dem Spiel. Hinter den Bildern im Internet verbergen sich weltweit Schicksale missbrauchter Kinder. Kindesmissbrauch ist ein außerordentlich schweres Verbrechen. Deshalb müssen wir – auch wenn viele der Bilder ihren Ursprung jenseits der EU-Grenzen haben – alles tun, um unschuldige Kinder zu schützen.

Zweitens ist es traurige Realität, dass heute eine Vielzahl von Bildern im Umlauf ist, die Kindesmissbrauch zeigen. Handeln wir nicht, so könnten die potentiellen Nutzer solcher Websites das Betrachten derartiger Bilder mit der Zeit womöglich als normal ansehen.

Drittens müssen wir auf europäischer Ebene handeln, um die Schlupflöcher zu schließen, die unvermeidbar sind, wenn jeder Mitgliedstaat im Alleingang den Zugriff auf diese Seiten sperrt, die sich meist in Drittstaaten befinden.

An die Emphase ihre deutschen Vorbildes reicht die schwedische Kollegin nicht ganz heran. Dafür hat sie den bürokratischeren Apparat und ein machtloseres Parlament zur Seite.

Ein Entwurf der Richtlinie ist bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht worden und bezieht sich auf den gesamten Bereich Cyberkriminalität. Verwiesen wird auf das Projekt CIRCAMP, in dessen Verantwortung das Filtersystem CSAADF entwickelt wird. Dieses stand auch schon während der Zensursula-Debatte in Deutschland im Fokus.

Während bei Netzpolitik.org  schon an neue Kampagnenmotiven gebastelt wird, bleibt vor allem die Reaktion der Bundesregierung spannend. Sollte die Richtlinie mal wieder nach dem Motto: „Wenn Du etwas im eignen Land nicht durchbekommst, mach es über die EU!“ entstanden sein? Während Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger im Zusammenhang mit ACTA Sperren eine Absage erteilt („Mit uns wird es keine Netzsperren geben.“), ist es eigentlich undenkbar, dass vom Richtlinienentwurf der Kommission im Vorfeld keine Kenntnis hatte. Dabei ist Deutschland wohl eines der wichtigesten Targets für die Richtlinie, wie die FAZ weiter berichtet:

In Finnland, Schweden, Dänemark, Großbritannien und Italien werden Internetsperren bereits eingesetzt. Belgien, Frankreich, Irland, die Niederlande, Spanien und Slowenien sollen dem Vorhaben positiv gegenüberstehen, in Deutschland dürfte es auf Widerstand stoßen.

Deutschland könnte angesichts solch einer Gemengelage überstimmt werden. Dann reicht eine einfach Aufhebung der Dienstanweisung durch das BMI, um die Richtlinie zu erfüllen.

Update: Der Kommissionsvorschlag liegt nun offiziell auf dem Tisch. Laut Heise haben nicht nur Unternehmens- und Nichtregierungsorganisationen skeptisch reagiert, sondern auch Regierungsstellen.

11 Kommentare zu “EU-Kommission plant Internetsperren [Update]”

  1. […] Netzsperren neu erzählt. Diesmal von der EU-Kommissarin Cecilia Malmström. Sie erklärt in einem Gastartikel der FAZ, mit den “dunklen Ecken des Internets aufräumen” zu wollen. Ihr Entwurf, den sie heute […]

  2. […] Medienordnung schaffen Positionspapier des Parteivorstandes « EU-Kommission plant Internetsperren [Update] […]

  3. […] bereits am 12.3. an die europäische Justizkommissarin Malström setzt sie sich deutlich gegen die geplante europäische Vorschrift für Sperrinfrastrukturen ein. Natürlich darf auch in dieser Verlautbarung der Verweis auf die […]

  4. […] die Phalanx derer, die nach dem Netzsperren-Vorstoß von EU-Innenkommissarin Malström die Grundlage des Koalitionsvertrags (Löschen statt Sperren) […]

  5. […] durch das Löschen der Seiten. Internetsperren, wie sie kürzlich von Seiten der EU-Kommission vorgeschlagen wurden, seien der falsche Weg: Besser wäre, die EU würde sich international für eine schnellere […]

  6. […] Rechtspolitik zu kompensieren. Dazu böte der Richtlinienentwurf der EU-Kommissarin Malström (wir berichteten) den willkommenen […]

  7. […] Cecilia Malmström hat am Dienstag in einem Interview mit der FAZ ihre Forderung nach Internetsperren verteidigt. Das Gespräch mit der Kommissarin führte Stefan Tomik, der ein bekennender Verfechter […]

  8. […] von Netzsperren wird gegenwärtig – nach dem Richtlinienentwurf der EU-Kommissarin Malström (wir berichteten) – bekanntlich von zahlreichen Rechts- und Innenpolitikern der Union befürwortet. (Siehe unsere […]

  9. […] Malmström, in den „dunklen Ecken“ des Internet aufräumen zu wollen, ist seit geraumer Zeit bekannt. Als europapolitische Wiedergängerin Ursula von der Leyens plädiert für Löschen und Sperren von […]

  10. […] der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie Kinderpornographie von EU-Kommissarin Malmström (wir berichteten) wurde von der Bundesregierung noch nicht behandelt; es gibt bislang keinen Termin, wann das […]

  11. […] „Protecting Children Online“ (Agenda) in Brüssel gesprochen und erneut heftig für ihren Vorschlag zum Löschen und Sperren von kinderpornographischen Inhalten im Netz geworben. In ihrer Rede hatte […]