DIGITALE LINKE
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Posts mit dem Tag ‘BND’

Operation Bypass: Wie der BND ein Passagehindernis zur Massenüberwachung operativ überbrückt

Anfang November des letzten Jahres berichtete zunächst der Guardian, sodann auch Spiegel Online und die FAZ, dass sich der BND an einer Kooperation europäischer Geheimdienste zur Kommunikationsüberwachung in bislang unbekanntem Ausmaße beteiligt habe. Die Geheimdienste Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und Schwedens hätten, hieß es unter Berufung auf ein Dokument aus dem Snowden-Fundus und dem Jahr 2008, in den vergangenen fünf Jahren in enger Abstimmung mit dem britischen Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) zusammengearbeitet.

In einer Länderübersicht zu den Kooperationsbeziehungen im einzelnen würdigten die Briten die enormen technologischen Fähigkeiten des BND, der bereits in der Lage sei, Trägermedien mit Kapazitäten von 40 Gbps und 100 Gbps zu überwachen. Darüber hinaus habe der GCHQ seinem deutschen Partner geholfen, nationale Gesetze zur Einschränkung von Überwachungsaktivitäten zu umgehen: „Wir haben den BND (zusammen mit dem SIS und dem Security Service) in der Erwägung einer Reform oder Neuinterpretation der sehr restriktiven Überwachungsgesetze in Deutschland unterstützt“, heißt es in dem Dokument.

Seit der gestrigen Zeugenvernehmung im Geheimdienste-Untersuchungsausschuss liegen nun neue Erkenntnisse darüber vor, wie diese Neuinterpretation der Überwachungsgesetze aussah. Dort vernommen wurde Stefan Burbaum, von Juli 2002 bis Anfang Januar 2005 zunächst Referent und sodann Sachgebietsleiter und G 10-Jurist beim BND in Pullach, heute Leiter des Haushaltsreferats im Bundesinnenministerium. Auf Fragen von André Hahn (DIE LINKE) und Christian Ströbele (DIE GRÜNEN) bestätigte der Jurist erstmals öffentlich, dass der BND G 10-Anordnungen zur strategischen Fernmeldeüberwachung benutzt, um damit die glasfaserbasierte Ausland-Ausland-Kommunikation etwa rund um den DE-CIX in Frankfurt am Main zu überwachen. > Weiterlesen

BND: „Strategische Initiative Technik (SIT)“ läuft wie geplant

Um das vom Bundesnachrichtendienst (BND) geplante technische Aufwuchsprogramm ist es medial wieder ruhiger geworden. Das liegt an einem Trick, dem sich die Koalitionsfraktionen im geheim tagenden Vertrauensgremium des Bundestages bedienten. Die Geschichte geht wie folgt:

Zunächst hatte das Neue Deutschland am 17. Mai erstmals über ein vom BND avisiertes Modernisierungsprogramm in Höhe von 300 Mio. Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020 berichtet. Am 30. Mai folgte ein Bericht des gemeinsamen Rechercheteams von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Demnach plane der Auslandsnachrichtendienst unter dem Titel „Strategische Initiative Technik (SIT)“ die Echtzeitanalyse von Streaming-Daten und wolle sich künftig in seinen technischen Überwachungsmöglichkeiten an der amerikanischen National Security Agency (NSA) und dem britischen Government Communications Headquarters (GCHQ) orientieren.

Zahlreiche Medien – u.a. Zeit Online, Focus Online, FAZ – griffen nun das Thema auf und berichteten ebenfalls. Dann tagte das für die Geheimdienstfinanzen zuständige Vertrauensgremium. Nun berichteten zahlreiche Medien unter Titeln wie „Koalition bremst Technik-Aufrüstung des BND – Entscheidung im Herbst“ (Heise Online, 6. Juni), „Überwachung sozialer Netzwerke: Koalition blockiert BND-Aufrüstung“ (FAZ, 7. Juni) und „BND bekommt nur sechs statt 300 Millionen für ‚Strategische Initiative Technik‘. Vorerst“ (Netzpolitik.org, 10. Juni) übereinstimmend, die Koalition habe die Pläne vorerst gebremst. > Weiterlesen

Big Data und Big Government erfordern einen Paradigmenwechsel

Soeben ist MIND 7, das Debattenmagazin zum Multistakteholder Internet Dialog erschienen. Dieses widmet sich dem Thema „Privacy and Internet Governance. Im folgenden dokumentieren wir die deutsche Übersetzung des dort erschienen Beitrags „Big Data and Big Government necessitate a paradigm shift“ von Petra Sitte. [Red.]

Robert W. McChesney hat in „Digital Disconnect“ die aus seiner Sicht zunehmend symbiotischen Beziehungen von Big Data und Big Government als „eine Hochzeit im Himmel – mit fatalen Folgen für Freiheit und Demokratie“ (McChesney, S. 21) charakterisiert. Demnach habe sich ein militärisch-digitaler Komplex aus Regierung, Militär und Geheimdiensten auf der einen und den Internetgiganten aus der digitalen Wirtschaft auf der anderen Seite gebildet. Beide, so McChesney, unterhielten ein komplementäres Verhältnis zueinander und profitierten wechselseitig voneinander: die Regierung, indem sie Zugang zu den Technologien und Daten der Unternehmen erhalte; die Unternehmen, indem ihnen die Regierung nicht nur umfangreiche Dienstleistungsaufträge gewähre, sondern auch das Wohlwollen zukommen lasse, sie nicht mit Antitrust-, Besteuerungs- und anderen Regulierungsmaßnahmen zu behelligen sowie ihre Interessen im weltweiten Maßstab zu vertreten.

Der düstere Ausblick des an der University of Illinois lehrenden US-Kommunikationswissenschaftlers aus dem Jahr 2013 erschien noch vor den weitreichenden Enthüllungen von Edward Snowden. Seitdem stehen Akronyme und Codes wie PRISM, Tempora, XKeyScore als semantische Stellvertreter für die geheime Massenüberwachung der Bevölkerung in einem zuvor nie gekannten Ausmaß. > Weiterlesen

NSA-Untersuchungsausschuss: Streng geheim oder noch geheimer?

Gestern hat sich der durch die Snowden-Enthüllungen ausgelöste Untersuchungsausschuss des Bundestages konstituiert. Untersuchungsgegenstand ist die Spionage durch die NSA und andere Auslandsgeheimdienste der „Five Eyes“-Koalition (neben den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland) in Deutschland. Zu den Aufgaben des Ausschusses zählt ferner darüber aufzuklären, ob deutsche Geheimdienste Bestandteil eines „Ring“-Tausches sind, in dem der jeweils anderen Seite Daten übermittelt werden, die diese nach dem jeweils national geltenden Recht selbst nicht erheben darf.

Inwieweit in beiden Fragen Aufklärung erlangt werden kann, ist allerdings mehr als ungewiss. Zum einen liegen nachhaltige Auskünfte der britischen und der US-Regierung, wie sie von der Bundesregierung bereits im Sommer und Herbst letzten Jahres eingefordert wurden, nicht vor und sind auch in Zukunft nicht zu erwarten. Schließlich können ausländische Zeugen weder vorgeladen werden, noch Aussagen von ihnen erzwungen werden. Zum anderen zeichnet sich eine Strategie ab, mit der der zweite Teil des Untersuchungsgegenstands torpediert werden könnte. > Weiterlesen

Nicht kontrollierbar

Jan Korte und die Bundestagsfraktion DIE LINKE haben sich in einer Kleinen Anfrage „Die strategische Rasterfahndung des Bundenachrichtendienstes (BND) im Zeitraum 2002 – 2012“ nach der Bilanz der verdachtslosen Fernmeldeüberwachung des Geheimdienstes erkundigt. Die Antworten der Bundesregierung (BT-Drs. 18/733) wurden im wesentlichen bereits von Kai Biermann auf Zeit Online seziert und eingeordnet. Da sich der vom Bundestag eingesetzte NSA-Untersuchungsausschuss auch mit der Rolle des BND im Konzert der westlichen Spionageapparate beschäftigen wird, das Thema daher auf der Tagesordnung bleiben wird, dokumentieren wir im folgenden eine interne Auswertung aus den Reihen der Bundestagsfraktion.

Auswertung der Antworten der Bundesregierung

1. Auffällig ist zunächst, dass die Bundesregierung in ihrer Vorbemerkung weder dem Vorwurf widerspricht, die technischen Bedingungen der Netzinfrastruktur seien seinerzeit in der Gesetzesbegründung zur Novellierung des G 10-Gesetzes (Juni 2001) falsch dargestellt worden, noch dem seit den Snowden-Enthüllungen im Raum stehenden Verdacht, die westlichen Geheimdienste unterhielten untereinander einen Tauschring, mit dem sie Zugriff auf ihnen aktiv zu erheben untersagte Inlandskommunikation erhielten. > Weiterlesen

Causa Snowden: Warum die Sachverhaltsaufklärung der Bundesregierung kein Ende nimmt

Ein halbes Jahr nach den ersten Geheimdienst-Enthüllungen von Edward Snowden gibt die Bundesregierung Auskunft über den Stand der von ihr geleisteten Sachverhaltsaufklärung. Der hölzerne Begriff ist Programm und zugleich Vorbedeutung. Zu entnehmen ist er der Antwort der Regierung (BT-Drs. 18/159) auf eine Kleine Anfrage von Jan Korte und der Bundestagsfraktion Die Linke. Dieser sind – jenseits des Sachverhalts, dass die Aufklärung in entscheidenden Fragen erneut in die Geheimschutzstelle des Bundestages verschoben wird – zwei bemerkenswerte Sätze zu entnehmen. Erstens: Die Prüfung der auf Basis der Snowden-Enthüllungen in den Medien erhobenen Vorwürfe habe ergeben, „dass der jeweils in Rede stehende Sachverhalt im Einklang mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen steht.“ Zweitens: Andere Sachverhalte bedürften weiterer Aufklärung, „die die Bundesregierung weiterhin konsequent betreibt.“ Die Sachverhaltsaufklärung dauert dort an, wo keine abschließenden Erkenntnisse vorliegen. Nämlich: Ob von US-amerikanischen und britischen Auslandsvertretungen Abhöraktivitäten ausgehen. Inwieweit von US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten eine Überwachung von deutschen Kommunikationsdaten erfolgt. Welche Erkenntnisse über Projekte und Programme wie PRISM, TEMPORA, XKeyscore bestehen. Oder anders ausgedrückt: Eine andauernde Sachverhaltsaufklärung ist in nahezu allen entscheidenden, mit dem Überwachungsskandal aufgeworfenen Fragen erforderlich. > Weiterlesen

Kontrolliert von Juristen – Die BND-Rasterfahndungsbilanz im Zehn-Jahres-Vergleich (Teil IV)

Die G 10-Kommission besteht nach § 15 Abs. 1 G 10 aus einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern. Diese werden vom Parlamentarischen Kontrollgremium nach Anhörung der Bundesregierung für die Dauer einer Wahlperiode bestellt. Ihre Amtszeit endet mit Neubestimmung der Mitglieder der Kommission, spätestens jedoch drei Monate nach Ablauf der Wahlperiode. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter nehmen ein öffentliches Ehrenamt wahr. Sie sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Auch muss es sich nicht um Mitglieder des Bundestages handeln.

Ein Blick auf die aktuelle Zusammensetzung der Kommission zeigt, dass alle Mitglieder, einschließlich der stellvertretenden, männlich und – mit einer Ausnahme: einem Betriebswirt – nach Ausbildungsstand Juristen sind. Zudem besteht eine Art Senioritätsprinzip. Das Durchschnittsalter (Stand: 29.11.2013) der Mitglieder beträgt 73 Jahre. Werden die stellvertretenden Mitglieder – sie besitzen Rede- und Fragerecht, sind aber nicht stimmberechtigt – hinzugerechnet, ergibt sich immer noch ein recht stolzes Durchschnittsalter von fast 68 Jahren. Vorsitzender ist Hans de With (SPD), von 1969 bis 1994 Mitglied des Bundestages und von 1974 bis 1982 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Stellvertretender Vorsitzender ist Erwin Marschewski (CDU), von 1983 bis 2005 Mitglied des Bundestages und von 1991 bis 2002 innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. > Weiterlesen

20 Prozent von allem – Die BND-Rasterfahndungsbilanz im Zehn-Jahres-Vergleich (Teil III)

Die Einführung der 20-Prozent-Regelung erfolgte mit der Novellierung des G 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 – also noch vor den für weitere Gesetzesverschärfungen folgenreichen Ereignissen vom 11. September. Der Überarbeitung vorausgegangen war die bereits genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999. Durch sie wurde der Gesetzgeber verpflichtet, das G 10 in Teilen nachzubessern. Das geschah auch: Zu den Nachbesserungen allerdings traten Erweiterungen, die über den Regelungsauftrag des Gerichts hinausgingen. Hierzu zählte die neu aufgenommene 20-Prozent-Grenze. Diese war das Resultat einer einfachen wie beflissentlichen Addition. Doch der Reihe nach:

Seinerzeit hatte das Bundesverfassungsgericht positiv vermerkt, dass die strategische Fernmeldekontrolle – entsprechend der damals geltenden Gesetzeslage – auf den internationalen nicht leitungsgebunden Telekommunikationsverkehr (Richtfunk und Satellit) begrenzt war und dessen quantitativer Anteil „etwa zehn Prozent des gesamten Fernmeldeaufkommens“ betrug. Da die Leitwegebestimmung nach Kapazität und Auslastung automatisch erfolge, so das Gericht weiter, könne zudem weder von den Kommunikationsteilnehmern noch vom BND vorhergesehen werden, ob ein Kommunikationsvorgang leitungsgebunden oder nicht leitungsgebunden verlaufe. Ergo sei „eine flächendeckende Erfassung jedenfalls des internationalen Fernmeldeverkehrs nicht zu besorgen“ – daher eine tatsächlich Erfassung individueller Kommunikationsverkehre mit dem Ausland „nur selten der Fall“. (1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, Rz. 222/223) > Weiterlesen

Zeitreisen: Ströbele trifft Snowden, aber nicht sich selbst

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele hat sich, wie tageschau.de berichtet, in Moskau mit Edward Snowden getroffen. Thema des Gesprächs war ein möglicher Untersuchungsausschuss des Bundestags zur NSA-Abhöraffäre. Ströbele schilderte Snowden demnach auch die Möglichkeiten, unter freiem Geleit nach Deutschland kommen zu können. Zuletzt hatte in diesem Zusammenhang Die Welt über ein von der Linksfraktion – richtig: von einem Abgeordneten der Fraktion – in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages berichtet, nach dem dies grundsätzlich möglich wäre.

Snowden allerdings hat bei der Zusammenkunft allem Anschein nach kein großes Interesse daran gezeigt, nach Deutschland zu reisen. Davon dürfte ihm auch dringend abzuraten sein. Erinnert sei nur an die Vorkommnisse im Rahmen der Flugreise von Boliviens Präsident Evo Morales Anfang Juli 2013. Auf dem Rückflug von Moskau nach La Paz wurde dessen Maschine unter dem von US-Behörden geäußerten Verdacht, Snowden sei an Bord, von mehreren europäischen Ländern die Überflugrechte verweigert. Zu einer Landung in Wien gezwungen, soll es dort dann mehr oder minder freiwillig zu einer Durchsuchung der Maschine gekommen sein. > Weiterlesen

Studie des Europäischen Parlaments: Vier von fünf EU-Staaten betreiben die Überwachung von Kommunikationsdaten im großen Stil

Evidence gathered on the surveillance activities of the German intelligence services also indicate that Germany has been engaging in large-scale surveillance of communications data, and that these activities are linked to a network of exchange and transfer of data with both domestic intelligence and law enforcement agencies as well as with international partners, despite the existence of a strong constitutional and legal framework for the protection of privacy.

So lautet die auf Deutschland bezogene Zusammenfassung der im Auftrag des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments erschienenen Studie: National programmes for mass surveillance of personal data in EU Member States and their campatibility with EU law (pdf).

In der lesenswerten Untersuchung werden die Überwachungspraktiken der Geheimdienste Großbritanniens, Schwedens, Frankreichs, Deutschlands und der Niederlande analysiert und mit jenen des US-Auslandsgeheimdienstes NSA verglichen. Demnach betreiben vier der fünf Staaten – eine Ausnahme bilden die Niederlande – die Überwachung von Kommunikationsdaten im großen Stil. > Weiterlesen